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Neues verstänönis für öie Liebe. Aon R. France. Wer würde hier nicht Usen wollen? Und wer würde nicht zu- nächst unmutig blicken, wenn er merkt, daß hier nicht ein Dichter spricht, sondern ein Denker und Naturforscher, dem es daraus an- kommt, nicht das Angenehmste, sondern das Nützlichste zu sagen über einen Gegenstand, über den wohl die Menschheit am meisten geredet Hot unter allen. So viel, daß man vor Meinungen, Hofsnungen und Einbildungen die einfachste Wirklichkeit nicht mehr sieht. Da wäre die allererste Tatsache und Grundlage der Erotik, nämlich jene, daß jede Erfahrung ihre Spur in den lebenden Wesen in einer Form hinterläßt, die es bei öfterer Wiederholung erlaubt, sie wieder her- vorzubringon, meist sogar rascher und vollkommen.cr. Man nennt das Gedächtnis und Lernen, und wer wüßte nicht, daß beide sich der Uebung bedienen. Gehe ich auf unsicherem Boden, so falle ich leicht in eine Grube. Wiederholt sich das einigemal, dann wird auch der Dümmste sich daran erinnern, vorsichtiger gehen und es lernen, den Gruben auszuweichen. Durch oftmalige Uebung wird er schließlich dahin kommen, auch auf den» gefährlichsten Boden sich rasch, unbe- kümmert und ungefährdet zu bewegen. So erwirbt manEigen- schaften". Es ist wieder Erfahrungstatsache, daß die tausenderlei ver- schiedenen Eigenschaften, die man erworben hat, sich auf jedes Stückchen eines lebenden Wesens übertragen. Schneidet man einen Regenwurm entzwei, was geschehen kann, ohne daß es dem Tiere schadet, dann entstehen dadurch zwei Regenwürmer mit allen Eigen- schatten und Erfahrungen, die dem einen zukamen. Biele Gewächse, z. B. die Pilze, werfen klein« Stückchen ihres Leibes ab, die dann wieder zu ganzen Pilzen auswachsen, die dem Mutterpilz in jeder Beziehung gleichen, als Beweis, daß dcsien Eigenschaften schon im kleinsten Stückchen vorhanden sind. Es ist nun ein einfaches Rechenexempel, daß jeher Lebende die Eigenschaften seiner Nachkommen steigern, zumindest sie vermehren könnte, wenn es ihm gelänge, in ihren Lebensstoff auch die Er- fahrungen und Geschicklichkeiten wenigstens eines seiner Mitgeschöpse aufzunehmen. Wie müßte man das anstellen? Man müßte wohl «in frisches und lebendiges Teilchen seines eigenen Körpers, das dann wieder zu einem Ganzen auswachsen kann, auf das feinste ver- mischen mit einem ebensolchen aus einem anderen Körper: dann könnt« man wohl daraus zählen, daß imMischling" die Eigen- schaften beider.Ahnreihen" wohlgemengt vorhanden sind. Nun das geschieht alle Tage. Man nennt es geschlechtliche Ver- einig ung, erlebt tausend Tragödien damit, schreibt tausend Roman« darum und hat es verklärt mit dem Zartesten, Höchsten, Lieblichsten und Schönsten, was das Empfinden nur ersinnen konnte. Freilich betrügt der entartete Mensch sein besseres Selbst oft genug um sein« eigentlichen Absichten und hat längst aus derLiebe" einen Selbstzweck gemacht, ein bloßmit dem Feuer spielen" ohne den ernstlichen Willen, sein Geschlecht dadurch edler, reinblütiger, ge- sünder, begabter zu machen. Aber das in uns wirkende Leben geht auch unbekümmert über die Nein« Selbstsucht sowohl wie über die heiligen Wünsche der rein und ernst Liebenden hinweg und läßt in den Kindern nicht bloß die süße Anmut der Geliebten, den hohen Sinn und Mut des Vaters, seine geschickte Hand wieder ausleben, sondern auch die ganze dunkle Geschlechtertett« vor ihnen, die Trunk- sucht des Großvaters, den beschränkten Sinn der Großmutter, den irren Geist irgendeiner Vaterschwester oder die Anlage zur Lungen- schwindsucht, die der Bruder der Mutter besah. Gespenstisch mischt sich die ganz« Verwandtschaft hinein in die verschwiegenen Küsse der Hochzeitsnacht, und starr, mit verhülltem Antlitz, segnend und drohend steht eine lang« Reihe von Ahnen hinter jedem jungen Paar und drängt sich nach, wenn sich die Türe des Brautgemaches schließt. Die Menschen wissen es nicht. Sie kennen die wichtigsten Ge- setz« der Welt nicht, sonst gäbe e» nicht so viel Unglück durch die Ehe. Längst hat aber die Forschung schon einige der wichtigstenE h e- g«setze" erkannt, und es ist Gewissenlosigkeit oder Unwissenheit, wenn man vor seiner Eheschließung nicht das folgende beachtet. Zunächst einmal zeigte sich, daß die Fortpflangungs- und Ver- erbungsgesetze dem Wesen nach für alle lebenden Geschöpf« gültig sind, Nur in den Ausführungsbestimmungen weichen sie voneinander ab: dem Wesen nach läßt sich von dem einen auf den anderen schließen. Die Fortpflanzung vermengt die Eigenschaften bloß rein mechanisch. Wenn ein weißer und ein schwarzer Hase zusammen Junge haben, dann sind die jungen Häslein nicht grau, sondern es gibt ganz weiße, ganz schwarze und gescheckte darunter. Kommen keine neuen Eigen- schaften in die Geschlechterkette hinein, so scheiden sich nach einigen Generationen wieder die rein weißen und die rein schwarzen aus. EtwasNeues" entsteht somit durch die Fortpflanzung als solche nicht Man kann sich durch Tätigkeit verbessern, durch Faulheit oder Mißbrauch sich verschlechtern, durch bloß« Heirat von Dummköpfen aber niemals begabte Kinder in die Welt setzen. Wohl aber kann man in den Eigenschaften der Kinder bestimmte Vorfahren ganz rem aufleben lassen. War einmal«in G o t e t h e oder einRembrandt in einer Familie, dann kann es sich immer wieder ereignen, daß so «in Talent aus dieser Familie hervorgeht. Bedingung ist nur, daß dosBlut" dieser Familie nicht durch ungesunde oder ganzfremde" Mischungen herabgewürdigt oder in fremde Richtungen geleitet wird. Das wissen die Pflanzen- und Tierzüchter sehr gut und befolgen es bei Zuckerrüben. Edelpferden und Rassehunden aus das genaueste. Crfahrungssätze in dieser Hinsicht sind, daß die Großeltern im allgemeinen häufiger in den Kindern wiederkehren als die Elter«« und daß im allgemeinen sich die Vererbung nicht über das siebente Geschlecht hinaus geltend macht. Das will heißen, daß wen» z. B. in eine Familie ein Neger einheiratet und die Kinder nun immer wieder nur Schwarze oder Weiße heiraten, die Spur der Rasis« niifchung in sieben Generationen unkenntlich geworden ist. Bl, dorthin ist eine vollständige Entmischung erfolgt. Erfahrungssatz ist es auch, daß in reinrassigen Familien und Völkern weniger Reibung, Zwietracht, daher mehr Erfolg und Leben« glück zu finden ist als in gemischten. Woraus allein schon hervorgeht: Kümmer« dich um die Herkunft deines Lebensgenosjenl Denke daran, daß die Fortpflanzung ein« Büchs« der Pandora sein kannl Erforsch« die Krankheits- und Fa, miliengeschichte bei dir und deiner künftigen Frau und erinnere dich« ÖQfKbejn« Kinder deinen Eltern und Schwiegereltern mehr gleichen werden als dir. DieseGesetze der Liebe" müßten in allen Schulen gelehrt roew den: jedes Brautpaar müßte sie wissen, und der Staat müßte sür ihr« Befolgung sorgen, dann ging« die Linie des Voltslebens wieder auf« wärts, während sie jetzt steil abwärts steht. heimwanöerer. Von Hans Fr. Blunck. Die Fahrgäste erster und zweiter Klasse des großen Amerika « fahrers waren schon ausgebotet, ich kam in Cuxhaven an Bord unft fuhr mit den Zwischendeckern die Elte hinauf. Echiffbrchige von drüben! Di« anderen, denen das Leben g« lang, fuhren die letzte Strecke auf rasselnden Schienen. Die Rückwanderer hocken schweigend auf Kisten und Kasten und blicken mit großen seltsamen Augen über das schmale grün« Land, das auf beiden Seiten näher kriech!. Ein Alter mit buschigem grauen Haar, ein Landwirt glaube ich, steht neben mir, hält mit beiden Händen die Reeling fest und starrt vor sich m die leise wippenden grauen Wellen, als dürse er da» Ufer nicht sehen. Mitunter atmet er schwer, es klingt wie eist Stöhnen, aber seine Züge sind zufrieden, dabei entsagend und doch voll von einer aufkeimenden Hoffnung. Ich sehe ihm verstohlen ins Gesicht. Das trägt die hart« Schrift einer wunderliche» Trübsal einer Zeit von Kämpfen und Entbehrungen. Aber jetzt liegt Fried« darüber, ein« glückvolle Ruh«, und aus den verwitterten Brauen sieht mich ein großes leuchtendes Aug« an. Er wendet sich plötznch zu mir.Hab noch einen Bruder, Herr, der schrieb, ich solll' wiederkommen. Konnten uns nicht ver« tragen, damals vor dreißig Jahren, aber das wird nun wohl anders.'' Er sieht mich warrend an, als müßt« ich ihm zunicken, und dann blickt er zum erstenmal groß und versonnen über den Strom, folgt dem dunkelnden Deich und nickt dem Kirchturm zu, der nebelgrau dahinter aufragt. Eine oerhärm!« Frau steht auf mch tritt dicht neben uns. St« hat ein Kind im Arm, wiegt es und singt dazu: Een lüttje Deern bin ick, Fien Garn spinn ick,* Der Alte stößt mich leise an:Die kommt auch mit dem Letzten zurück." Sie muß es gehört haben, schluchzt leise vor sich hin und wiegt doch weiter und singt dazu, bi» der andere tröstend zu ihr hingeht und sie an der Hand saßt wie ein alter Bekannter:Wird ja nun alles gut, mein Deern, nun sind wir ja wieder zu Haus.'' Ein paar jüngere Leute, die drüben vergeblich Arbeit suchten, starren trotzig vor sich hin, als wollten sie zeigen, wi« ungern si« wiederkommen. Nur mitunter fliegen ihr« Blicke ungeduldig und sehnsüchtig nach vorn, ob nicht hinter den Hügeln der erste Turm der Hanse auftaucht. Zwei Tag fahr ich, dann bin ich daheim," sagte ein Oester« reicher. Ein Hamburger brummt etwas und schiebt die Mutz« grübelnd in den Nacken.Ei ja, dann bin ich daheim!" Der Wiener springt auf und läuft erregt hin und her.Ja, ja. ja!" De» andere starrt ihm ein« Weile nach und kaut die Pfeif« von recht» nach links. Seine Züge sind zerrissen, so jung sie sind. Da drängen sich Zwischendecker nach vorn, schreien und winken. Das Ziel kommt näher. Der Hamburger wartet noch, holt umständlich ein Feuerzeug aus der Tasche und steckt sich die Pfeife an. Dann sieht er ein paar Mal vorsichtig um sich, steht langsam auf und schlendert nach vorn, Und plötzlich hat er den Oesterreicher am Arm gepackt, daß der aufstöhnt und mit tiefer Stimme drängt es sich langsam aus ihni aufk Mensch, Mensch, nun ist's so wiet, nu kaamt wie wedder na Huus!" Der lacht ihm ins Gesicht wie ein Kind, all die mute willigen Falte» und Ecken fehlen auf einmal. Dann sieht er den anderen erstaunt von unten an:Na Kerl, du heulst doch nicht gar, wo du heimkommst?" Dummes Zeug." sagt der Hamburger, fährt mit der Hand iibstz die Augen und starrt mit verwunderten Blicken nach vorn. Vor» hoch über dem dunklen Rauch der Stadt glimmen und' leuchten die Türme der Hanse, grün und golden im Abend.