weiter, und da die Onkels mit Frau und Kind das Gleiche taten, fo waren wir meist ein großer froher Kreis zusammen. Heut sind nicht allzu viele jenes lieben Kreises mehr übrig, aber wer noch da ist, wird sich gern mit mir der Sonnenuntergänge in Legel, der Fahrten nach Saatwinkel, Pichelsberge und in den Grunewald er innern. Damals war es auch schon eine Fahrt ins Freie, wenn man nach Charlottenhof und Albrechtshof fuhr, und der Zoologische Garten, der noch nicht modern in" 300" abgekürzt wurde, fag an der Welt Ende und war unfere große Kinderfreude. Der Direktor Bodinus war eine vielgenannte Berliner Persönlichkeit. Be fonders die von ihm beschafften Affen imponierten den Berlinern, und als ein Schimpanse eintraf, stürmte alles hinaus, um des liebten wir, der mit seinem Rüffel zierlich die etwa hingeworfenen Geldstücke aufnahm und sie dem Wärter vor die Füße logte. Dev ließ ihn dann allemal Kunststücke machen. Gibt es wohl noch den braunen Bären, der auf den Hinterfüßen aufrecht stehen und die Borderfüße bittend aufcmmenlegen fonnte, damit man ihm Brot brocken hineinwarf?
etwas an". Es entstehi dann e'n Techleimechtel", eine fautmalende nachmittags mit dem Doftorwagen irgendwo hinaus näher oder Sprachbildung, die wohl auf das italienische ,, teco meco", d. h. ich mit dir, du mit mir" zurückgeht und ein geheimes Einverständnis bedeutet. Der Verliebte macht Fensterpromenaden oder fenstert" gar, indem er durchs Fenster ins Zimmer der Auserforenen steigt. Ist er dann der Sache sicher, so wirbt" er, d. h. eigentlich, er breht sich um sie, es dreht sich bei ihm alles um sie, und auch da kann es ihm nech passieren, daß er einen Korb befomint". Im Mittelalter, wo freundliche Frauen die Liebhaber manchmal in Körben zu sich heraufzogen, war es ein ebenso derber wie beliebter Spaß dem in Ungnade gefallenen Freier einen Korb mit fo fchwachem Boden herabzulaffen, daß er beim Hinaufziehen durchfallen mußte. Dieser Korb wurde dann später Symbol für eine Ablehnung und dem Liebhaber ins Haus gefchickt. Heut ist under in Augenschein zu nehmen. Auch den großen Elefanten er nur noch in der Redensart erhalten, und auch die Bezeichnung, taß man bei einer Berbung durchfällt", geht noch auf diesen Spaß mittelalterlicher Damen zurüd. Macht der Berehrer bei den Eltern Jeinen Antrag, so darf er„ Brautschau" halten; in Westfalen braucht man dafür den Ausdruck auf den Sterbehandel gehn", wobei Sterke eine junge Kuh ist. Das fommt daher, daß junge Leute früher, wenn sie sich auf einem Bauernhof die Zufünftige ausfuchen wollten, als Vorwant angaben, fie wollten eine Kuh faufen. Ist man verlobt, tann gehen" die jungen Leute miteinander und werden dabei von einem„ Elefanten begleitet, fo nennt man die Anstandsperson, die ursprünglich die Aufmerksamkeit von dem Brautpaar auf sich ablenten follte, wie es das große Rüffeltier im 300 tut. Dann naht die Zeit der Hochzeit", der hohen Reit", die zunächst nur ein schönes Fest bedeutete. Borher ist der Polterabend", an dem von der Jugend zahlreiche Töpfe vor die Tür der Braut geworfen werden, um durch den Lärm die bösen Geister zu bannen, bisweilen fagt man auch Hühnerhochzeit", weil bei diesem Borfest die Braut die Flügel als Geschenk erhielt. Die Heirat bedeutet eigentlich Hausversorgung. Die Mitgift oder Morgengabe ist ursprünglich das Geschenk, das die junge Frau am Morgen nach der Hochzeit von ihrem Mann erhielt, später aber dann gerade das geworden, was die Braut mitbekommt. Das äußere Zeichen der Heirat war, daß die Frau, die das Haar bis dahin offen getragen hatte, es nunmehr unter einer Haube verbarg; fie war also tatsächlich gunter die Haube gefommen". Nun beginnen die Flitterwochen", bie nach dem mittelhochdeutschen„ viltern", d. h. flüstern, fichern so genannt werden. Der Mann muß sich davor hüten, daß er nicht unter den Pantoffel fommi", wobei ter Pantoffel als Sinnbild für den Fuß steht. Deshalb trat bei der altgermanischen Bermählung der Bräutigam der Braut auf den Fuß, um damit auch rechtlich anzudeuten, daß er nunmehr die Vormundschaft, die bisher der Vater über das Mädchen ausübte, angetreten habe. Zeigt er nicht von Anfang an, daß er der Herr im Hause ist, dann muß er sich endlose Gardinenpredigten" gefallen lassen, die die Frau hinter dem früher üblichen Bettvorhang hielt. Ja, es tann vorkommen, daß selbst die Nachbarn dem Schwächling, der sich von seiner Frau alles gefallen läßt, aufs Dach steigen", d. h. einen Teil des Daches abdecken, so daß es ihm auf den Kopf regnet.
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Der Bewohner Alt- Berlins freute sich der Natur. Wenn im Frühling die Lüfte nur einigermaßen lau gingen und das erste Grün an den Bäumen hing, dann strebte alles hinaus aus engen Straßen und dunklen Wohnungen, hinaus ins Freie.
Mutter, morgen machen wir ins Irüne", das war die viel zitierte Redensart des abgearbeiteten Familienvaters, wenn er am Sonnabendabend von den Mühen der Woche ruhte Mutter rüstete dann sorgsam den Futterforb; fie pacte Drelerschrippen hinein und Schnecken und Maulschellen, die einen Sechler fofteten. Wie glüdlich waren wir Kinder, wenn wir einmal einen Sechler eroberten und solch füßes Gebäck der Zucker fch ganz dick und weiß darauf beim Bäder erstehen konnten! Ein Sechser war ein halber, ein Dreier ein Biertel Groschen, denn damals zählte der Groschen noch 12 Pfennige, und 2% Grofchen hießen 2 Gute. Der Taler aber zählte 30 Groschen. Ach, der liebe gute alte Silbertaler! Er hatte so etwas Vertrauenerwedendes und Solides.
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Man mußte das Grün damals- in der zweiten Hälfte der fechziger Jahre schon etwas außerhalb der Stadt fuchen, denn Die Haine und Schmuckplätze in der Stadt fehlten noch fast voll tändig. Und das Hinauskommen war nicht allzu einfach demols, denn als Verfehrsmittel gab es nur den Wadelomnibus, der Gelegenheit zur Seefrankheit bot, und eine einzige Pferdebahnlinie, Die vom Kupfergraben nach Charlottenburg führte. Aber es wollte nicht jeder nach Charlottenburg , und zum Kupfergraben mußte men doch auch erst kommen. Nur wenige waren in der glücklichen Lage, sich eine Drofchle zweiter Güte„ bezähmen" zu können, wie der Berliner fagte. So wanderten denn an Sonntagen von früh an die Menschenzüge zum Brandenburger Tor , denn von dort fonnte man weiterfommen. Zur Linken außerhalb des Lores standen die Kremser aufgebaut. Sie hatten meist nette fleine gelbe Leinengardinen, die man vorziehen fonnte, wenn die Sonne zu start schien, oder wenn es rennen molite, und besonders bevorzugte Kinder durften auf dem Bock neben dem Kutscher sitzen.
Wir aber hatten es besonders gut, denn mein Vater hatte als Arzt ebenso wie frine drei Brüder, die Aerzte waren, ein Mietfuhrwert täglich zur Verfügung. Da machte er oft Sonntags morgens feine ärztlichen Besuche zu Fuß, und dann fuhren wir
Besonders schön waren aber die Dampferfahrten von der Jannowißbrüde precaufwärts. Dort gab es noch verhältnismäßig wenig Fabritschornsteine, die fleine von Schinkel erbaute Stralauer Kirche lag idyllisch in Bäumen versteckt, und mein Bater pflegte, wenn wir an Stralcu vorüberfuhren, gern davon zu erzählen, daß die Stadt Berlin und Stralau einmal gemeinsam einen Nachtwächter angestellt hatten, den sie zu gleichen Teilen befoldeten. Ein Teil seiner Remuneration bestand darin, daß er einmal im Jahr ein Baar Stiefel erhielt. Davon mußte dann die Stadt Berlin den rechten, Stralau den linken stellen. Manchmal fuhren wir die Spree hinauf zum Eierhäuschen oder nach Köpenid, meist aber machten wir Station in Treptow , und dann aß man abends im Restaurant 3enner grünen Hecht mit Petersiliensauce over Krebse, lettere aber nur in den Monaten ohne r. In den Monaten mit r schmedten fie nicht mehr fein. Dann fonnte Herr Zenner nicht dazu raten. Auf den Rückfahrten war der Dampfer meist gedrängt voll, aver trotzdem ging es behaglich und gemütlich zu. Manchmal lang man gemeinsam. Kleine Unannehmlichkeiten wurden mit Gutmütigkeit ertragen. Roheit und Streit jemals erlebt zu haben, kann ich mich nicht erinnern.
Einige Male fah ich auch noch den Stralauer Fischzug im August an unserer Wohnung in der Holzmarktstraße vorüber. ziehen. Es war ein Karnevalszug mit allerlei Bossen, der sich in Aber das rechte Bolksfest wie in früherer Zeit war es schon in Erinnerung an clten Brauch von Berlin nach Stralau bewegte. meiner Jugend nicht mehr.
SAVO
Die Winterfreuden waren weniger viclgestaltig. Sie gruppieren sich für mich um drei Worte: Aepfel , Eisbahn, Weihnachtsmarkt. Mepfel! Nein, die fauften wir nicht in den Doftfellern oder auf den Wochenmärkten. Wir gingen mit Mutter oder auch ohne sie an die Stralcuer Brücke oder an die Burgstraße, wo die schmalen, langen, dunklen Oderfähne lagen, die ganz mit Aepfeln gefüllt waren. Die roten Borsdorfer waren am beliebtesten, und nach den großen Kähnen taufte der Berliner Volkswit große Schuhe Dderfähne". Das Schönste zur Weihnachtszeit aber war der Weihnachtsmarkt auf dem Schloßplak Ein fleiner Ableger mit ein paar Büdchen war auch auf dem Alexanderplatz , und dann standen und liefen die ganze Königstraße herunter Kinder mit pappenen Hampelmännern, die aufs töftlichste Arme und Beine bewegten, wenn man die Strippe" zog. Und andere Kinder schwangen Weihnachtsknarren, die einen ohrenbetäubenden Lärm vollführten. Damals freute ich mich nur und dachte, diese kleinen Straßenverfäufer müßten sich ebenso freuen. Wie oft aber mögen fie fich tobmüde und durchfroren in ein warmes Heim und ihr Bett gefehnt haben!
töpfe und schwarze Borzellanhacre, und dann gab es schöne füße Die Puppen auf dem Weihnachtsmarkt hatten weiße Porzellanbraune Honigtuchenmänner und für folide Leute statt der Lennenbäume Byramiden. Die Tannenbäume waren eigentlich nicht folide. Sie hielten höchstens bis Silvester. und fnachten im Ofen. Die Pyramide aber hatte ein dauerhaftes Dann wurden fie verbrannt war mit grünem geschnigelten Seidenpapier überdeckt. Man fonnte Holzgestell, das oben spit zulief und Querrippen hatte, und alles die Pyramide von einem Jahr zum anderen aufbewahren. Höch der eigentlich in die Gegenwart paffen würde, mo man an Stelle stens verstaubte sie ein wenig. Ja, das war Tannenbaumerlag, manches lebendigen Grüns fich mit einem papierenen Ersatz behelsen muß.
Schlittschuh liefen wir Kinder des Oftens im Bouchéschen Garten oder im Englischen Garten in der Alexanderstrake. Letterer war paffend für ungeübte Läufer, denn es standen Bäume in fleinen Zwischenräumen darin, und man brauchte nur ein furzes Stückchen au gleiten, dann fonnte mar. fich wieder festhalten. Die Kinder tes Westens aber liefen Schlittschuh auf der Rousseau- Insel, und, menn fie ganz fein waren, auf dem„ Neuen See" im Tiergarten, Unsere Schlittschuhe waren fleine Ungeheuer mit Holzböden, die mit vielen Riemen festgeschnallt murder. Dann tamen die eleganteren Holländer und endlich die Halifax " in Mode. Wer feine Schlitt. schuhe hatte, der fonnte wenigstens in ten Straßen schliddern, was man anderswo glitchen nennt, und fein Schuhmann flörte uns, wenn wir auf dem Trottoir die schönsten blanken Schlidderbahnen anlegten. Für die Bassenten war das gewiß nicht erfreulich, aber schön war es für uns Kinder im alten Berlin . So dente ich, wenn ich zurücktente- Oder war vielleicht nur die Jugend so schön?