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in allen landwirtschaftlichen Fragen, in juristischen und ökonomischen Dingen erteilen. Hier ist ein Muschif aus Simbirst, der wegen einer Krankheit unter den Schweinen um Rat fragt, dort sind zwet aus Rostoff, die neue Sämaschinen kaufen und nun die Gelegen heit benußen wollen, um einen alten Streit um einen Wasserlauf entscheiden zu lassen oder um ihren Hanf zu verkaufen. Ich besah eines Tages den ganzen Betrieb unter Führung des Hauskomman danten: es gab natürlich einen Lesesaal und eine Bibliothet, es gab Borlesungsfäle, in denen die kundigsten Agronomen über Haus­Hiere und Zucht Sprachen, es gab ein besonderes Kino, wo die neuesten amerikanischen Mähmaschinen und die besten australischen Melkmethoden in lebenden Bildern gezeigt wurden. Am wichtigsten von allem war vielleicht eine reichhaltige Museumsabtellung, wo die Bauern im Anschauungsunterricht alles finden, was mit Land wirtschaft zu tun hat: Proben von Erde, Dünger, Getreidearten, Modelle von Hausinpen, Bilder von Haustieren, Schemata über Krankheiten, Statistiken über Sämerelen, nühliche Bögel, schädliche Insekten, praktische Meiereieimer, muster von elektrischen Einrich tungen für einen Bauernhof..... Ein paar Professoren waren zur Stelle, um Erläuterungen zu geben.

Ein ganzes Stockwerf wurde als Schlafraum benutzt. Hier wohnten die Bauern zu zweien oder dreien für wenige Rubel die Racht zufammen. Hier befanden sich Badezimmer, Wäscherei und Sneifefaal. Bei der Ankunft sind die Bauern verpflichtet, au baden und Ihr Zeng desinfizieren zu lassen; in der Zwischenzeit Hefert man ihnen leihweise anderes Reug. Ueberall fah man die Inschriften: Diefes Rentralhaus der Bauern gehört dem Boffet Achte gut auf alles, alles hier ift Eigentum des Notes! Außerdem gehören zu dem Haus der Bauern" zwei fünf Werft vor Moskau  gelegene Musterhöfe; in dem einen betreibt man modernen Acker bau und Viehzucht, in dem andern rationelle Obstzucht. Hierher tommen die Bauern und sehen die Theorien blühen und Frilchte fragen. Die Konsulenten erzählten, daß fie täglich 80 bis 100 neue Be­Jucher hätten. Man hat bereits mit Erweiterungsbauten begonnen und mird in einem Monat fünf Stockwerte mit 400 Betten in Ge­brauch nehmen. Nach einwöchentlichem Aufenthalt in der Haupt­stadt reift der Muschil dann noch Hause mit neuen Ansichten und mit einer neuen Bflugschar als Gepäck. Dieser und jener läßt auch feine Lapti und Bortlanft zurück, trägt statt dessen ein Baar Schaft filefel und hat das Hemd in die Hose gesteckt.

Pasquinos Spottverse.

Bon Franz Lauffötter.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts, so wird berichtet, lebte in Rom   ein Schneider mit Namen Basquino, der eine scharfe Bunge befaß, die er mit Vorliebe an dem Papst und der hohen Geist lichkeit wegzte. In seinem Laden verkehrten gleichgesinnte Läster mäuler, die ihre Zeitgenoffen nach allen Regeln der Kunst durch hechelben und an niemandem ein gutes Haar ließen. Bald gab es In dem heiligen" Rom   feinen Spottvers, feinen gepfefferten With und teine scharfe Eative mehr, die nicht dem Pasquino und feinen Rumpanen zugeschrieben wurden. In der Nähe des Hauses stand eine alte, abgebrochene Säule, an der häufig Bettel angeft bt waren mit bitteren Bemerkungen und Spotfversen. Diese Gedichte, von denen uns ungefähr tausend überliefert worden sind, waren meiftens In lateinischer Sprache abgefaßt; erft fpäter erschierten sie auch in der Boltssprache. Sie find gesammelt und veröffentlid worden. Wie in einem Hohlspiegel erscheint in ihnen die Geschichte der römi. schen Päpste der letzten vier Jahrhunderte, weil vorwiegend fie die Bielscheibe des Spottes waren. Viele dieser Verse sind wegen ihrer Derbheit unübersehbar, manche haben wegen ihrer lokalen Be. ziehungen an Interesse eingebüßt, einige verdienen noch heute Be­achtung.

Als der Papst Alerander VI, ftarb, quoll ihm ein Blut strom aus dem Munde. Das ist nicht zu verwundern," meint Basquino, es ist all das, was er bei Lebzeiten getrunken hat und nicht verbauen fonnte." Beim Tobe Hadrians VI, flebte an der Lür seines Leibarztes ein Bettel mit der vielfagenden Inschrift: Dem Befreier des Vaterlandes das dankbare Rom  !" Leo XII.  , deffen Lebenswandel nicht einwandfrei gewesen sein soll, erhielt den Spottvers: Heiliger Later? Hm, hm! Bater ist er mehrfach, aber heilig ist er nicht!" Er schied während des römischen Karnevals aus dem Leben, worauf eine Trauerwoche angeordnet wurde, was Pasquino zu der Klage veranlaßte: Du brachteft, Leo, dreifach uns Verderben. Erst: Bauft zu werden, dann: so spät zu sterben, und fchließlich: uns den Falching zu verderben." Sein Namensvetter, der verschwenderische, geldgierige Leo X.  , ber Zeitgenoffe Luthers  , erhielt den Hieb: Wißt ihr, was Leo außer seinem Namen noch Dom Löwen hat? Richts als die Gefräßigteit!" und als Grabschrift betam er: In diesem Grabe fault der Lelb Leos Er, der seine Schäflein fo mager zurüdläßt, macht nun das Erdreich fett."

Der fromme und eifrige Papst Bius V. tat viel für die fitt­Ilche Hebung seiner Römer, entging aber trotzdem nicht der Geißel Basquinos. Im Gegenfah zu feinen Vorgängern, die überall Standbilder errichteten, hielt er nicht viel von folchen Dingen. Das einzige Monument, das er während seiner Regierungszeit bauen fleß, war eine öffentliche Bedürfnisanstalt, was Basquino folgender­maßen betrittelte: Unfer heiliger Bater, der uns fo viel zu schlucken gegeben hat, was wir nicht verdauen können, errichtete als würdiges Monument dies schöne Haus." Der berühmte Papst Girtus V. der als Junge die Schweine gehütet hatte, war einem Schuster einen Giulio( 25 Pf) schuldig geblieben. Später erinnerte er fich

daran und machte den Sohn des Schufters zum Bischof. Darauf bezieht sich folgender Spotivers: Was foften heutzutage die Bis tümer? Einen Giulio das Stüd." Eines Tages bat die Frau eines zum Tode verurteilten Mörders den Papst, er möge doch ihren Mann begnadigen, erhielt aber die Antwort, er habe bereits einer anderen Dame, der Göttin der Gerechtigkeit, die nach Rom   gekommen fei, fein Wort verpfändet. Arme Frau Juftitia," höhnte Pasquino  , du wirst dich in dem großen, unbekannten Rom   verlaufen, denn du bist noch niemals hier gewefen." Als dieser Papst einen Mann hinrichten ließ, der vor 36 Jahren einen Mord begangen hatte, fand man eines Morgens auf der Engelsbrück die Bildsäule des Apoi els Betrus mit Reisemantel und Kanonenstiefeln geschmüdt, darunter die Worte: Ich muß Rom   verlassen, denn ich fürchte, daß der gestrenge Sigtus, der folch alte Eachen aufwärmt, mir den Prozeß machen wird weil ich vor 1500 Jahren im Garten Gethsemane   dem Malchus  ein Ohr abgehauen habe." Girtus ärgerte sich erklärlicherweise über diese Sticheleien, und als die Spötter fogar feine frühere Tätigkeit als hütetunge und die feiner Schwester als Wäscherin durchhechelte, erließ er einen Aufruf, daß sich der Verfasser melden möge. Er solle hunderttausend Taler haben und es solle ihm nicht ans Leben gehen. Der Verfasser meldete sich, der Papft ließ ihm die Geldsumme auszahlen und die rechte hand abbaden.

urbans VIII  . lebte. Diefer Papst hatte bei feinem Regierungss Da war ein anderer Pasquino gemigter, der zur Zeit antritt eine Verfügung erlassen, wonach das Tabakschnupfen in der Kirche bei Strafe der Erfommunikation verboten wurde. darauf hieß es an der Säule: Willst du wider ein fliegendes Blatt Tags fo strenge fein und einen dürren Halm verfolgen?" Dem Bapst scheint der Sah gut gefallen zu haben, denn er bot dem Verfasser 500 Taler an, falls er sich meide. Basquino aber antwortete: Gib dem Hiob das Geld, denn seine Worte sind es. Sie stehen im Buche Hiob, Kapitel XIII, Bers 25." Dem Bapst Paul III.  , der die Pasquinos verfolgte, wurde folgender Spottvers gewidmet: Einst was würdest du mir bezahlen, wenn ich schwiegel" Allerdings war mals bezahlten die Päpste die Dichter, damit sie ihr Lob fängen, die Tätigkeit der Spottoögel nicht ohne Gefahr, manch einer von ihnen hat durch die barbarische Gitte jener Zeit seine Spöttereien mit dem Leben bezahlen müssen.

Josef Labre, der vom Pavst Leo XIII.   heilig gesprochen worden Eins der letzten Spottgedichte bezieht sich auf den frommen ist. Dieser sonderbare Heilige übertrieb die Unfauberteit so sehr, daß er fich niemals wusch und in einem Schweineftalle wohnte. Der Dichter schilderte dessen Aufnahme in den Himmel zugleich mit feinem Gefährten, einem fetten Schwein Die beiden haben eine ungemein große Aehnlichkeit miteinander: Nicht mal der Herraott fanm, ich möcht's beelden, das falsche Schwein vom echten unter­wähnt, der während der Besetzung Roms durch Napoleon Bonaparte  scheiden." Zum Schluß fei noch ein berühmt gewordener Big er im Jahre 1810 entstanden ist. Es war die Frage angeschlagen: Ist es wahr, Basquino, daß alle Franzosen   Räuber find?" und darunter stand die Antwort: Richt alle, aber buonaparte!"( b. h. ein guter Teil).

Friede auf Erden.

Da die Hirten ihre Herde ließen und des Engels Worte trugen durch die niedre Pforte zu der Multer und dem Kind, fuhr das himmlische Gefind fort im Sternenraum zu fingen, fuhr der Himmel fort zu flingen: " Friede, Friede! auf der Erde!" Seit die Engel so geraten ,. o wie viele blutge Taten hat der Streit auf wildem Pferde, der geharnischte, vollbracht! In wie mancher heilgen Nacht fang der Chor der Geister zagend. dringlich flehend, leis verklagend: " Friede, Friede... auf der Erde!" Doch es ist ein ewger Glaube,

daß der Schwache nicht zum Raube Jeder frechen Mordgebärde werde fallen allezeit:

Etwas wie Gerechtigkeit webt und wirkt in Mord und Grauen, und ein Reich will fich erbauen, das den Frieden fucht der Erde.

Mählich wird es sich gestalten, feines heilgen Amtes walten, Waffen schmieden ohne Fährde, Flammenfchwerter für das Recht, und ein föniglich Geschlecht wird erblühn mit starken Söhnen, deffen helle Tuben dröhnen: Friede, Friede auf der Erde!

Konrad Ferdinand Meyer  .