Wiffen und Schauen
Wie man in der guten alten Zeit den Doktor machen konnte. Friedrich von Eisenhart , ein Offizier aus der Umgebung Blüchers, war mit diesem 1806 in französische Gefangenschaft geraten. Als Ort des Aufenthalts war Blücher und seinem Gefolge Hamburg an gewiesen. Da der dortige Aufenthalt auf die Dauer das finanzielle Bermögen des Rittmeisters v. Eisenhart zu schnell auf den Null punft zu führen drohte, machte diefer von seiner ihm das Jahr vorher von dem Fürsten von Rudolstadt verliehenen Würde eines taiserlichen Hof- und Pfalzgrafen Gebrauch, die ihn u. a. auch autorisierte, Doftordiplome auszustellen. Es war nur nötig, daß drei Doktoren der betreffenden Fakultät den nach dem Doktortitel Lüfternen in der Gegenwart eines solchen Pfalzgrafen " examinierten. Für alle Be. teiligten fiel dabei ein beträchtlicher Bahen Geld ab, und da 3. B. in Hamburg die Doktoren von jeder Abgabe und Einquartierung frei waren, fehlte es nicht an Kandidaten für die Erlangung der Doktor würde. Eisenhart berichtet nun zwar, daß er nur ganz würdige Subjette" zum Examen zugelassen hätte, und fügt philosophisch hinzu, daß die Herren durchweg zum Doktor der Philosophie freiert zu wer den wünschten, also als solche ihren Nebenmenschen meistens feinen, Schaden verursachen tonnten, aber einmal geriet er doch in eine arge Gewissensklemme. Der preußische Gesandte Freiherr v. Grote wünschte einen wissenschaftlich wenig beschlagenen Freund mit dem Doktortitel beglückt zu sehen und verwandte sich für ihn bei Eisenhart anläßlich eines dem General Blücher gegebenen Diners. Als Eifen hart auf das notwendige Examen hinwies, mischte sich Blücher hinein: Pfalzgraf , fei Er fein Narrt mache Er den braven Mann zum Doktor, ich will es verantworten; er hat sehr guten alten Wein, und der gibt mehr Verstand, als alle die gelehrten Federhelden haben." Alfo geschah es, doch nahm v. Eisenhart in diesem Falle, wie er in seinen Dentwürdigkeiten" berichtet, fein Honorar an.
Daß ein fleiner Fürst wie der von Rudolstadt faiserliche Hot und Pfalzgrafen" ernennen fonnte, beruhte darauf, daß das von Kaiser Karl IV. eingeführte Amt des Hofpfalzgrafen vielen Landesherren weiter verliehen worden war, bie es nun wieder an andere übertragen fonnten. Zu den Befugnissen gehörte auch die Ausübung von Aften freiwilliger Gerichtsbarkeit. Und folche lieblichen Zustände waren in Deutschland noch vor 120 Jahren im Schwange. Erst die Napoleon- Belt räumte damit auf. B. D.
Mufit zum Zerspringen. Der amerikanische Geiger Jasper in Boston erfreut sich in den Vereinigten Staaten heute eines großen Rujes, aber nicht wegen der Kunst seines Violinspiels, das mit dem Paganinis nichts gemein hat, sondern wegen feiner zur Birtuofität ausgebildeten Fähigkeit, durch die Töne feiner Beige Gläfer und Kristallgegenstände zum Zerspringen zu bringen. Die Konzerte Jaspers muten auch feineswegs harmonisch an. Er braucht nur die Saiten mit dem Bogen anzuftreichen, um alle Glasgegenstände, die sich in feiner Nähe befinden, in Scherben zu verwandeln. Es bedarf nicht erst der Erwähnung, daß Jasper mit feinen glasfeindlichen Konzerten ein Heidengeld verdient. Das Phänomen wurde wieder. holt von Gelehrten unter Beobachtung aller den Betrug ausschließen den Borsichtsmaßnahmen eingehend studiert. Jasper wurde fürzlich beispielsweise zufammen mit drei Profefforen der Bhyfit in einem Salon eingeschloffen, in dem sich zwei hohe Bfeilerspiegel befanden. Der Geiger begann feine Vorträge mit einer weichen eintönigen Melodie, dann ftraffte fich plöglich der Rhythmus des Spiels, und fofort sprangen auch die beiden Spiegel, als ob sie von einem Dia. manten in der Mitte durchgeschnitten wären.
Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Die brei Gelehrten verfichern einstimmig, daß gewisse Tonfombinationen die Eigenschaft besitzen. die Atmosphäre in so beftiae Bibrationsschwingungen zu versehen, daß das Gleichgewicht ber Glasmoleküle aufgehoben wird. Das Phänomen, das von Jasper berufsmäßig ausgenugt wird, ist den Physikern durchaus bekannt. Man hat wiederholt die Beobach tung gemacht, daß durch Töne auf weite Entfernung hin eine große Glasscheibe zum Zerspringen gebracht wurde. Wie Jasper behauptet, hat er fünf Jahre lang gearbeitet, ehe es ihm gelang, den Erfolg zu érzielen, der ihm heute im Trust der Glasindustriellen eine hervor ragenbe Stellung einzunehmen würdig erscheinen läßt. Jafper ist aber dabei nicht stehen geblieben, er gedenkt fein Betätigungsfeld noch weiter auszubehnen. Er behauptet nämlich, daß er burch be. ftimmte Tongruppierungen bet Menschen einen Nervenchot hervor. rufen fönne. Gegen diese neue Betätigung dürften aber die ameri fanischen Behörden ihr Veto einlegen.
Naturwissenschaft
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Gibt es eine Mimifry? Unter Mimitry versteht man bekanntlich die Erscheinung, daß ein nicht wehrhaftes Tier ein anderes Tier nachahmt", welches durch Waffen oder widerwärtige Ausscheidun gen vor Verfolgern geschüßt sein soll. Diese Theorie der Mimitry hat lange Zeit begeisterte Anhänger gehabt; fannte man doch vor allem eine große Anzahl von harmlosen Insekten, die anderen, mehr oder weniger gefürchteten Insekten oft so täuschend ähnelten, daß sich selbst der Fachmann irreführen ließ, zumal auch in vielen Fällen die Nachahmer" auffallende Lebensgewohnheiten ihrer gegen Feinde angeblich gut geschützten Modelle" angenommen haiten. In lehter Zeit sind indessen immer mehr Stimmen laut geworden, die sich gegen die Mimitrnerscheinungen wandten; vor allem haben die forgfäl'igen Untersuchungen von Prof. Heiferdinger piel zur Klärung dieses höchft interessanten biologischen Problems beigetragen. Vor allem wurde gezeigt, wie Dr. H. Kun in der
Natur" mitteilt, daß bie Modelle" gar nicht in dem Maße durch ihre Waffen und Warnfärbung gegen Feinde geschützt sind, wie es die Mimikrytheorie ohne weiteres annimmt. Sehr verbreitet ist die Nachahmung von Wespen durch harmlose Fliegen, Schmetters finge und Bodläfer. Als bekanntestes Beispiel sei der Hornissen. schwärmer genannt, der durch feine schwarz- gelbe Querstreifung des Hinterleibes und die schmalen, glashellen Flügel wirklich einer Horniffe fehr ähnlich sieht. Diese Wespenstreifung, schmale und durchsichtige Flügel, find aber auch sonst bei anderen Schmetter lingen anzutreffen, nur find beim Hornissenschwärmer zufällig alle drei Merkmale vorhanden. Dennoch ist er genau so wenig wie nissen und Wespen, weber infolge ihrer Wehrhaftigkeit, noch infolge andere Insekten geschüßt, weil nämlich feine Modelle, die Hor ihrer Warnfärbung einen Schuß genießen. Untersuchungen des Wageninhaltes von 2523 Vögeln zeigten nämlich, daß zwanzigmal mehr Wespen als Schmetterlinge gefressen werden! Wespen stellen Ihre Nachahmer", also Schmetterlinge, Fliegen und Käfer, fönnen alfo ein gewöhnliches Beutetier der insektenfressenden Vögel dar. also nicht den geringsten Vorteil davon haben, daß sie Wespen ähneln. Die Ameisen- Mimitry zeigt dasselbe Bild: weder Vögel noch Amphibien fürchten sich vor Ameisen und vertilgen sie oft in großen Mengen. Denn die für uns unangenehme Ameisensäure chredt die weniger empfindlichen Tiere nicht ab. Vögel per schmähen nicht im geringsten mit 10 Broz. Ameisensäure getränktes Futter oder mit 5 Broz. Ameisensäure vermengtes Wasser. Wenn also Ameisen nicht geschüßt sind, so können noch weniger Tiere ge. schüßt sein, welche Ameisen„ nachahmen". So verblüffend und einleuchtend die Mimitrytheorie auf ben ersten Blid auch ist, so hält sie doch der forgfältigen Untersuchung und der experimentellen Prüfung nicht stand.
Technik
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Das Jubiläum der Schreibmaschine. In Amerifa und in anderen Bändern feiert man jetzt bas fünfzigjährige Jubiläum der Schreib. maschine . Es handelt sich dabei nur um die vor 50 Jahren zum erftenmal erfolgte Einführung der Schreibmaschine in den Handel, denn die Erfindung felbft ist viel älter. Man fann nämlich von der Schreibmaschine ebensowenig wie von der Nähmaschine und vielen anderen komplizierten Maschinen sagen, fie fei von einem Einzelnen erfunden worden. Schon 1714 war dem englischen Ingenieur Henry Mill ein Patent auf eine Schreibmaschine erteilt worden. Es hat fich davon aber weder Zeichnung noch Modell erhalten. Auch später wurden noch allerlet Bersuche gemacht. 1829 hat der Amerikaner B. A. Burt eine Schreibmaschine erfunden, aber nur auf dem Papier gezeichnet, ohne ein Modell davon herzustellen. 1833 hat dann der Buchdruder Xavier Progin in Marseille ein Modell einer„ tnpographischen Maschine" erbaut, die mit ihren Buchstabenhebeln einigermaßen an die Einrichtung der jetzigen Schreibmaschine ere innert. Auch in Italien , Dänemark und anderen Ländern bemühten sich Erfinder, das Problem zu lösen, aber erst in den Bereinigten Staaten gelang es, eine in der Praxis brauchbare Schreibmaschine zu erbauen. Christoph Latham Sholes in Milwaukee hat nicht. weniger als 25 Modelle erbaut, bis es ihm gelang, ein solches zu ftande zu bringen das dann von den als Waffenfabriken bekannten Remingtons 1873 in den Handel gebracht wurde. Die erste Schreib. maschine sah noch wie eine Nähmaschine mit Fußgestell aus, denn fie hatte noch wie diese einen Fußbebel. Sholes erhielt für seine Erfindung eine einmalige Abfindung von 12 000 Dollar. Er war weber Ingenieur noch Mechaniker, fondern ein Buchdruder, der aus reiner Lust am Erfinden allerlei Neuerungen erfann. Die ersten Schreibmaschinen tofteten 125 Dollar und fanden nur sehr schwer Eingang. Erst als es allmählich gelang, sie zu verbessern, gewöhnten fich bie Geschäftsleute langfam an ihren Gebrauch. Dann aber fette der gewaltige Siegeszug ein, der der Schreibmaschine Zutritt in allen Bureaus verschaffte.
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Kulturgeschichte
Die Chemie der Griechen. Wie wohl nicht allgemein bekannt fein dürfte, geht auch die Chemie oder beffer gefagt die Alchemie des Mittelalters auf Arbeiten der Griechen zurück. In ben ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung begannen sich die Griechen zu Alexandria mit gewiffen Untersuchungen zu befaffen, die natürlich von unserer heutigen Chemie noch weit entfernt find. Sie haben mit der späteren Alchemie der Araber viel Verwandtschaft, und diese ist geradezu die direkte Tochter dieser griechischen Wissen schaft. Auf verschiedenen Bibliotheken Europas finden sich Hand schriften, die sich mit diesem Gebiete beschäftigen. Zwei franzöfifche Forscher, Berthelot und Ruelle, haben in den Jahren 1887 und 1888 vier Bände altgriechischer Chemie, Tert und Uebersetzung, herausgegeben. Aber es fins natürlich viele Fehler untergelaufen. Die Sprache ist schwierig, und felten beherrscht einer sowohl genügend philologische und alchemistische Renntnisse. So sind viele Irrtümer in der Auffassung der alten Terte entstanden. Auch eine Dame, Frau Hammmer- Jensen in Kopenhagen , hat sich mit der Sache be schäftigt, ihr fehl'en indeffen gerade die chemischen Kenntnisse. Jehf will ein Grieche, Professor Etephanides in Athen , die Arbeit neu angreifen; er steht in dem Rufe, neben der Sprache gerade auch von Chemie und Alchemie viel zu verstehen, und soll schon manche intereffante Aufklärung über misverstandene Stellen gegeb haben. Bielleicht erhält man jo auch erwünschte Aufklärungen über ver geffene Techniken des Altertums, ben Purpur, das griechische Feuer, die Glasmacherei u. a. m.
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