An der Grenze des Nichts.
Auf dem Wege zum absoluten Nullpunkt. Bon Arnold Köllner.
Man schäßt auf Grund ziemlich genauer, nach verschiedenen Methoden vorgenommener Messungen die Temperatur unferer Sonne auf etwa 5600 Grad. Aber so gewaltig uns diese Hize dünkt, ist sie doch gering gegenüber der Temperatur anderer Fir fterne, die sicherlich 10 000 Grad heiß find, und deren Temperatur zum Teil zweifellos noch weit höher liegt. Ob es nach oben hin eine Begrenzung der Temperatur gibt, wissen wir nicht; eine physitalische Grenze für die Erwärmungsmöglichkeit eines Körpers, der bei so hoher Temperatur natürlich nur gafiger Struktur sein könnte, tennen wir nicht. Anders liegt es jedoch mit der unteren Grenze Der Abkühlungsmöglichkeit. Hier weiß man feit geraumer Zeit, daß die niedrigste, überhaupt mögliche Temperatur bei 273 Grad Celsius liegen muß. Man nimmt an, daß im freien Weltenraum, fern jeder erwärmenden Lichtstrahlung, diese Temperatur herrscht; denn wo jede, auch die allergeringste Wärmequelle fehlt, kann aus theoretischen Erwägungen nur die allerniedrigste Temperatur herrschen.
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Warum liegt aber die niedrigste, überhaupt mögliche Temperatur ausgerechnet bei-273 Grad? Zu diesem Zahlenwert ist man durch den Umstand gekommen, daß jedes Gas, dessen Temperatur bei gleichem Druck um 1 Grad erniedrigt wird, gleichzeitig eine Berringerung seines Bolumens um den 273. Teil seines Rauminhaltes erfährt. Daraus ergab sich die Schlußfolgerung, daß kein Gas auf eine niedrigere Temperatur als-273 Grad abgekühlt werden kann, meil bei dieser Temperatur ein Volumen eben überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Und etwas, was nicht da ist, kann auch keinem phyfitalischen Prozeß unterworfen werden. Man könnte auch volkstüm lich sagen: Wo nichts ist, hat der Physiker sein Recht verloren. Den freien Weltraum aber müssen wir uns als absolut leer vorstellen; der hypothefische Aether, mit dem man bisher den Weltraum er. füllt glaubte, ist seit Einstein für die Erklärung der physikalischen Probleme im Weltraum ebenfalls feine Notwendigkeit mehr. Ift somit im Weltraum keinerlei greifbare Materie vorhanden, so muß feine Temparatur logischerweise der des absoluten Nullpunkts entsprechen, der, wie wir gesehen haben, bei-273 Grad Celsius liegt. Die Erklärung für die Volumenverminderung bei abnehmender Temperatur führt in das Gebiet von der Struktur der Materie, in die die Atomforschungen der letzten beiden Jahrzehnte helles Licht geworfen haben. Man stellt sich die Zusammendrängung der Gase bei ihrer Abkühlung so vor, daß die in wilder Bewegung befind Itchen Moleküle ihre Bewegung entsprechend der Temperaturerniedri. gung immer mehr verlangsamen, mit anderen Worten, daß sich aus dem Gas schließlich eine Flüssigkeit und endlich, je mehr die Molefüle zur Ruhe gelangen, ein fester Körper bildet. Jedermann fann sich diesen Vorgang am Stufengang vom Wasserdampf über das Waffer bis zum Eis farmachen. Hatte man nun in der Kälte ein Mittel zur Berflüssigung der Gafe, so hatte man gleichzeitig in deren Verflüssigung auch ein Mittel zur Erzeugung besonders niederer Temperaturen, ein Verfahren, auf dem die moderne Rältetechnik beruht, die durch Professor Linde vor einigen Jahrzehnten weit gefördert worden ist. Bei vielen Gasen genügt zur Verflüssigung übrigens schon ein hoher Druck. Nur bei den sechs Gasen Sauerstoff, Stidstoff, Wasserstoff, Kohlenogyd, Stickoryd und atmosphärischer Luft die ja auch ein Gas ist reichte auch der höchste Druck nicht zur Berflüssigung aus. So hatte Natterer in Wien seinerzeit die Luft bei gewöhnlicher Temperatur einem Druck von 1000 Atmosphären ausgefeßt, ohne dadurch ihren gasförmigen Zustand verändern zu fönnen. Warum folgten diese sechs Gase nun nicht demselben Gesetz wie alle anderen? Die Aufklärung dieses Rätsels fand durch eine Reihe von Versuchen der englische Forscher Andrews. Er stellte sich die Aufgabe, Kohlensäure durch Druck und zwar bei verschiedenen Temperaturen zu verflüssigen, wobei es fich zeigte, daß der Druck zur Verflüffigung der Kohlensäure um so ges ringer sein mußte, je tiefer ihre Temperatur war. Umgekehrt mußte er, wenn er die Temperatur erhöhte, auch den Druck erhöhen. Als er aber bei etwa 31 Grad Celsius angelangt war, änderte die Kohlenfäure ihr Berholten. Selbst der höchste Druck genügte nun nicht mehr zu ihrer Verflüssigung. Die Grenze, bei der es nicht mehr gelingt, ein Gas nur durch Druck zu verflüssigen, nennt man die fritische Temperatur. Ebenso wie die Kohlensäure verhalten sich alle anderen Gase. und natürlich auch die sechs oben genannten. Daß es nicht gelungen war, sie bei Zimmertemperatur durch hohen Druck zu verflüssigen, lag daran, daß ihre kritische Temperatur sehr tief ift. Um- aud) fie zu verflüssigen, mußten fie bis unter ihre fritische Temperatur erst abgefühlt werden. Diese fiegt beispielsweise für atmosphäriche Luft bei- 140, für Stickstoff bei- 146 und bei Wafferstoff sogar bei 242 Grad Celsius. Zur Erzeugung so niedriger Temperaturen bedient man fich so komplizierter Apparate, deren Wesen darauf beruht, daß jedes Gas, das unter hohem Druck steht, bei plötzlicher Ausdehnung viel Wärme verbraucht. Es nimmt diese Wärme aus sich selbst und aus der Umgebung, d. h. es fühlt fich und die Umgebung ab. Läßt man z. B. aus einer Kohlensäurebombe Kohlensäure in einen Beutel ausströmen, so fühlt sich die Kohlensäure durch ihre ungemein schnelle Ausdehnung beim Aus tritt aus dem Stahlgefäß, in dem sie unter hohem Druck stand, so start ab, daß sie augenblicklich erstarrt und daß man in dem Beutel eine weiße, fchneeartige Masse, den sogenannten Rohlensäureschnee, findet. In der Kältetechnik geht man so vor, daß man atmosphärische Luft zusammenpreßt, um sie wieder sich ausdehnen zu lassen, wobei
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fie sich abfühlt. Diesen Prozeß wiederholt man so lange, bis die niedrigste Temperatur erreicht ist und die Luft flüssig wird. Das gleiche Experiment fann man mit jedem anderen beliebigen Gas machen. Am längsten hat das Helium der Verflüssigung wider standen. Es wurde erst im Jahre 1908 von dem berühmten holländischen Physiler Professor Kamerlingh Onnes bezwungen.
Seine Berflüssigung des Heliums wurde von größter theore tischer Bedeutung, da er damit dem absoluten Nullpunkt ungemein nahegekommen ist. Als Kamerlingh Onnes das verflüssigte Helium im luftleeren Raum verdampfen ließ, tam er bis an eine Temperatur von 272 Grad Celsius. Er war also vom absoluten Nullpunkt nur noch um 1 Grad entfernt. Aber ob es je gelingen wird, diese letzte Stufe auch noch zu überschreiten, das erscheint recht zweifel. heft, und die Lösung dieses Problems streift bereits an Metaphysik. Denn wir haben ja chon oben gesehen, daß der Temperatur des absoluten Nullpunkts feine Realität mehr entspricht, daß da, wo -273 Grad Celsius herrschen, nichts mehr vorhanden ist. Und so merden wir uns wohl damit begnügen müssen, dem absoluten Nichts anscheinend greifbar nahegekommen zu fein. Anscheinend! Denn nichts ist jenseits der Grenzen der realen Materie greifbar, und jenseits dieser Grenzen verjagt auch unfer abstraktes Borstellungsvermögen, weil sich der reale Mensch das Nichts einfach nicht vorstellen kann.
Die Gefährtin des Menschen.
Die Menschen mögen es hinausschreien, mit schmerzvoll ver.. zerrtem Munde aus qualvoller Brust, in die Welt hinein: Die Maschine ist tot. Man hat uns an einen Leichmam geschmiedet.
Es ist nicht wahr. Sie lebt. Bebendiger ist sie als der Mensch, der fie totzusprechen glaubt, wenn er fagt, sie ist tot.
Nie war die Maschine tot. Nie wird sie tot sein. Und wer je fie fah: schwarz, berußt, mit blinkenden Zähnen, Kolben und Wellen, weiß, daß sie lebt. So gern er auch glauben möchte an einen Sput, einen Nebel oder ein Bild darin, er ahnt: sie ist lebendiger denn feine Gedanken. Sie selbst ist Stoff gewordener Gedanke unzähliger Hirne von Menschen, deren Geist fortlebt in ihr.
Geister, größer als der seine, der sich vermaß, die Summe gespeicherter Kraft unter feinen Willen zu zwingen.
Doch er vermag nur eine neue unheimliche Seite diefer Gestalt gewordener Urkraft ins Leben zu rufen: ihren Haß gegen alles, was Mensch heißt.
Freilich, wenn sie manchmal jäh ausholt, dich niederschlägt, dir die Kleider vom Leibe reißt, dich anfrißt, padt und in die Lüfte schleudert, entsetzest du dich wohl vor ihrer Kraft, doch an ihr Leben, an ihre Seele glaubst du nicht.
Du glaubst nicht an ihren Zorn, an ihren Durft nach Befreiung von dem niederen Zwergvolt, dessen sie sich bediente, um geboren zu werden, und das sie seither nicht abzuschütteln vermag. Doch ihre Kräfte wachsen, und mit ihrem Haß gegen den, der sie zu meistern glaubt und doch von ihr gemeistert wird.
Hast du noch nie ihr unheimliches Heulen gehört mitten im Gang ihres Werkes!
Hat sie dich nie angefletscht, nachdem sie dich vorher verlachte, hast du das leise Klagen in ihr nie gehört, ihr Aechzen, Stöhnen und ihr grausames Jubeln, wenn sie Blut sah?
O, sie dürstet nach Blut.
Rache schreit sie bei jeder Mißhandlung. Und doch rief die Liebe zum Menschen sie einstmals ins Leben. Und sie fann auch jetzt noch ganz Liebe sein, ganz Hingabe an den Menschen, von dem fie fühlt, daß er sie liebt. Für ein Streicheln oder ein zärtliches Wort ist sie dankbar und gibt Antwort mit leiser, zarter Melodie. die anschwillt zu gewaltig erhabenem Orgelton, zum Lobgefang auf den Geist des Menschen, dem unermüdlich zu dienen sie sich müht.
Und auch in diesem Liede, in dieser Hymne, die sie sich selbst und den Menschen singt, ist sie größer als er.
Mehr noch als in ihrem Schaffen ist sie darin Berkörperung des Geistes verblichener Menschen, deren Raftlosigkeit unsterblich wurde in ihr, deren Seele ihren eisernen Körper erfüllt mit erhabenem Stolz, der aufbäumt in mächtigem Haß gegen jeden, der nicht die treu sich hingebende Geliebte sieht in ihr, sondern das nutzbringende. feelenlose Werkzeug.
Noch wissen erst wenige um diese ihre hassende, liebende Seele, und daß nur der die Maschine unter seinen Willen zwingt, der die Kraft und die Liebe all jener, die vor ihm waren und sie gebaut, zu ihres Lebens Widerpart in sich zu sammeln gewußt.
Sie wiffen auch um die unzähligen Gedanken, die überspringen aus dem Hirn einsamer Erfinder in die Maschine und sie ent rätselnd, wächst die Liebe in ihnen zu der Maschine, die, ihren liebenden Meister erkennend, den Haß begräbt, den sie gegen die Menschheit gesammelt in drei Generationen, die wie feine vorher die Seele in thr nicht zu erkennen vermochten.
Und an seiner Seite schreitet sie als seine Geliebte und liebende Gefährtin stolz und froh in die Zukunft hinein, die feine Unterdrückung mehr fennt.