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Ein Revolutionsprophet.

-Bon Karl Bleibtreu .

Nach Napoleons blutrotem Kaisergestirn zog Lord Byrons Genius wie ein Komet mit langem Feuerschwert dahin Sein Don Juan " fängt als erdumspannendes Gewebe einer Göttlichen Komödie das moderne Zeitalter auf, nur burch bünne Sumpfschicht vor Ein­fturz bewahrt und im Lavageröll wissenschaftlich nach Würmern fuchend, während unterirdisches Grollen ins Hohngelächter des Dichters hineindröhnt. Sein Rolandshorn verkündet: Revolution allein fann von der Höllenfäulmis uns befrei'n". Sein Harold" hatte feierlich versprochen: Bergebung fei mein Fluch!", doch jetzt handelte es fich gerade um Bergebung! Geflucht soll werden, bis die Steine schreien", alle heiligsten Güter müssen ihm vor die Klinge, er fpeit ihnen göttliche Grobheiten ins Gesicht, haut allen Dunfel männern mit der Leier über den Schädel oder schießt vergiftete Pfeile in alle schnappenden Drachenmäuler. Am Schluß lacht der Lord seine eigene Feudalität aus, das hochablige Hausgespenst feines Stammschloffes, wohin er erst als Leiche zurückkehrte.

Diese moderne Odyffe ist nicht nur" grenzenlos genial"( Goethe), sondern auch unnachahmlich. Buschkin und Muffet als gelegentliche Nachahmer gleichen Kindern, die mit der Keule des Herkules spielen, denn nur die übergroße Persönlichkeit vermochte sie zu schwingen. Hier bewegt sich Byron selber vor uns zugleich als Afteur und Regiffeur, fliegt mit uns erläuternd über die Erde, mie fein Lucifer im Mysterium Rain", nicht wie Lesages hinfender Teufel, denn durch alle Mephisto- Berneinung bricht wieder der faustische Drang in hellen Flammen aus. Dieser nordische Witing, berauscht aus Dieser nordische Witing, berauscht aus Odins goldenem Methhorn, freuzt von Küfte zu Küfte mit seiner Walkürenbrcut Wahrheit. Was ihm begegnet, wird geentert und in den Grund gebohrt. Nach Seefönigsbrauch verbrennt er sich selber mit seinem Drachenboct im Feuerwerk sportluftig verwegenen Bizes, doch bis zuletzt hält er die Kriegsflagge mit Berserkerfauft cmpor, die Oriflamme brennt weiter ihm zu Häupten: Hehre Be­geisterung für Befreiung der Menschheit. Die herfulische Muskulatur behenden Ungestüms ist reiner Kraftüberschuß. Hier tauchen alle menschlichen Regungen auf wie Blofen im spiegeltiaren Riesenfluß, breit wie der Amazonenstrom an feiner Mündung, so daß man das Meer felber zu erbliden glaubt. Uebersprudelnde Ausschweifung des Genius wühlt alle Schreckensnächte des Daseins auf, entblößt fich anstößig mit Harlekinfpäßen, fogar die Handwerkskniffe poetischer Maschinerie ausplaudernd, doch unter tausendfachen Blitzen der Ironie rollt ein Revolutionsdonner über Europa hin.

Scheinbar improvisatorisch zügellos, verfolgt er planvoll das Ziel, ein Jahrhundert der Realtion geistig zu überwinden. Er ganz allein stand aufrecht gegen die Affen der Dreieinigkeit", die heilige Alliance der russischen Knute, des preußschen Korporalstocks, der Habsburger Metternichtigkeit. Das durfte ihm nicht vergessen werben. Nur wer jenes Zeitalter historisch studierte, weiß, was er seinen Beitgenoffen war. Der Europamüdigkeit nach napoleonischer Kraft. überspannung, wie sie heut nach dem Weltkrieg wieder auf dem Untergang des Abendlandes laftet, würde seine Berzweiflungsklage nur als Sprachrohr gedient haben, aber gerabe er wollte aufrütteln cus ftumpfer Mifere, enspornen zu neuem Tatwillen. Sein Ent rüftungspeffimismus medte überall auf Erden den Freiheitsfampf! Eelbst bei pathologischen Trübfalbläsern wie Lenau und Leopardi mündet fein Weltschmerz ins politisch Revolutionäre . Petöfi , als Sänger der ungarischen Revolution, Puschkin und Lermontoff in Rußland , in Frankreich die George Sand und die Stael( diese eine Freundin des großen Mannes) und vor allem Heinrich Heine traten fein Erbteil an.

Innere Einheit herrscht in diesem Schaffen seit Anbeginn, er brauchte teine Belehrung wie Victor Hugo vom Royalismus zum Jakobinismus. Schon feine Jungfernrede im Oberhaus galt den notleidenden streifenden Webern seiner Provinz Nottingham . Rein Sozialdemokrat dürfte sich solcher Entschloffenheit schämen: Mit einem Zehntel der Summe, die man für Imperialismus vergeude, fönne man die soziale Not lindern. Seine zweite Rede verfocht bie erst 20 Jahre später durchgeführte Emanzipation der Katholiken und Juden, frei von jeder Zweideutigkeit. Ein Peer von uraltem Adel welch unerhörtes Schauspiel! Tat man nicht alles, ihn für die Kafte einzufangen, schmeichelte nicht der elende Prinz regent dem Jünging? Der Undankbare quittierte mit zwei fürchter­lichen Majestätsbeleidigungsgedichten.

als Roter

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Das Maschinenzeitalter des Kapitalismus warf ihn zum alten Eisen, ihn, von dem Goethe zu Edermann jagte: Man nehme das Negative fort, und er wäre fo groß wie Shakespeare ." Erst 53 Jahre nach feinem Tode durfte Disraeli das Denkmal in London durchsetzen, nachdem elende Pfafferei ihm das gebührende Grab in der Westminsterabtei versagte. Doch der Marmor seiner Poesie, heute verschüttet und beschmußt, wird ewig leuchten. Der grüne Jäger. e Jäger.

Bon Ernst Schermer.

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An einem wunderschönen Malabend es war an einem Sonne abend standen wir an einem kleinen zuwachsenden Tümpel, der Don Knids ziemlich eingeschloffen war und ungefähr eine Stunde von der Stadt entfernt lag. Drüben in dem Beißdorn ließ der rota rüchige Würger seine munteren Weisen hören. Der Didtopf trillerte und pfiff sich wieder allerlei zusammen. Bald glaubte man eine Droffel, bald eine Grasmüde, dann wieder das Lied eines anderen Feierlich flang fein Lieb in den Abend hinaus. Was vermag so ein Sängers zu hören. Hinten im Knid jezte das Rotfehlchen ein! Heiner Säuger nicht alles in feine Strophen zu legen! C Heiner Sänger nicht alles in feine Strophen zu legen! Da schlägt die cifte Turmuhr in der Stadt acht. Wie aus weiter Gerne flingt es leise herüber. Die nächste fezt ein, und dann trug der Wind die Klänge der Gloden weit über das Land, das in der Blüte des Maies, von der prächtig untergehenden Sonne beleuchtet, balag. Der Sonntag wurde eingeläutet, Ergriffen lauschten wir. Rings umher fetten Bogelstimmen ein. Sie grüßten noch einmal Rings umher fetten Bogelstimmen ein. die scheldende Sonne.

Blößlich erflang eine fräftige Stimme aus dem Lümpel und gleich darauf ein starker Chor. Die Laubfrösche waren wieder da. Wie in jedem Jahre hatten sie ihr Laichgebiet, den Limpel, wieder aufgefucht. Borsichtig näherten wir uns dem Rande. Einen Augen blid verstummte der Lärm. Aber noch flangen die Gloden. Und das fieß den Fröschen keine Ruhe. Sie fonnten es doch auch. Da waren fie wieder. Und in ihrem Lärm gingen die Stimmen aller anderen Sänger unter. Es hielt nicht schwer, hier und da einen der Schreier zu beobachten. Im feichten Wasser und auf Schwimm blättern der Wasserpflanzen faßen fie. Wie fie thre Schallblafen auf­blähten! Sie waren leicht zu fassen. Aber wir wollten auch gerne ein paar Weibchen mitnehmen, um fie zu züchten. Das Suchen war vergeblich. Auch der Käscher förderte nur immer wieder Männchen zutage. Wir waren aber zu früb gefommen. Die holde Weiblichkeit hatte scheinbar noch feine Zeit zum Laichen. Das war nichts Auger­gewöhnliches, da die weiblichen Laubfrösche gewöhnlich etwa acht Tage später das Waffer aufsuchen.

Doch es ward Zeit, an den Heimweg zu benfen. Mag und Morib, unsere beiden Bläser, waren gut verpadt. Auf dem Nach hauseweg hörten wir noch ein paar Laubfrofchchöre. Auch Frau tachtigall gab noch ein ergreifendes Ständchen.

Das Los von 99 Prozent aller gefangenen Baubfrösche ist wenig beneidenswert. Die allermeisten ſizen in einem engen, gar zu engen Rasten oder Einmacheglas und schauen nach Fliegen aus, die sich draußen bewegen. Ein gesunder Laubfrojch braucht viel Futter und Bewegung. Beides wird ihm gewöhnlich vorenthalten. Dafür verlangt man aber von folchem Tierchen ohne Borbildung die Kennt niffe eines Profeffors der Wetterkunde. Der grüne Jäger foll nicht nur im voraus wiffen, daß das Wetter fich ändert, sondern auch dem entsprechend feinen Sih oben oder unten auf der Leiter einnehmen eder noch beffer, mit lauter Stimme den Wetterwechsel anfagen. Und die Menschen glauben dann wiederum ohne Vorbildung die Frosch. sprache zu verstehen. Und daher mag es fommen, daß sich beide Teile nicht verstehen, die Menschen die Frösche nicht und umgekehrt erst recht nicht Die Grünen haben nämlich trop vielen Nachdenkens immer noch nicht herausgebracht, warum sie eingesperrt werden und find selber davon überzeugt, daß fie von der Wettervorhersage noch weniger wiffen als die tlugen Menschen.

Meine beiden Freunde tamen nicht in ein Elendhäuschen, fon dern in ein Freilandterrarium von anderthalb Quadratmeter Größe. In der Mitte lag ein feiner Tümpel mit Wafferpflanzen, und an Klettergelegenheit fehlte es auch nicht. Futter gab es in Fülle. Ein mal lockten die Pflanzen und Blumen Kerbtiere an, und außerdem die hingelegten Köder in Form von Käferinden und Fleischresten. Am ersten Tage verhielten sich die Gäfte still. Am zweiten begann der Spektakel. Ich fam abends etwas später nach Hause. Es mochte gegen neun Uhr sein. Schon von Ferne hörte ich das Froschkonzert, ohne an meine Tiere zu denten. Erst vor dem Hause merkte ich, was los war. Ach der Schred!" Das hätte ich nicht für möglich

ten. Ich versuchte sie zu beruhigen, was mir durch energische Zu fprache auch gelang. Als ich jedoch eben im Bett lag, ging der Lärm wieder los. Wie lange er dauerte, fann ich nicht sagen. Ich war trotz alledem eingeschlafen.

Schon die Helden seiner Jugenddichtungen, die Korsaren und Renegaten, stehen im Kampf mit der Gesellschaft, Lara und Marino Falieri ringen wie er gegen die eigene Adelskaste, und endlich empören sich seine Magier, Titanen, gefallenen Engel gegen allen Kirchenwahn der besten aller Welten" Um den unermeßlichen Ab- gehalten, daß meine Laubfrösche solchen Höllenlärm aufführen fönn stand dieses Genius von allen minderen Boeten zu überschauen, braucht man Lamartines Fall eines Engels" oder Moores Lieb. schaften der Engel" mit dem gigantischen Eintflutgemälde Himmel und Erde" zu vergleichen, wo die Söhne des Himmels fich für die Töchter der Erde gegen Jehova empören. Niemand hat begeisterter Diese Mysterien bewundert als Goethe, und Schopenhauer mußte für feine Philofophie feinen mächtigeren Kronzeugen anzuführen als Byrons unsterbliches Meisterwerf Rain". Nie feit Giordani Brunos heliozentrischem Univerfaleffekt, wo zum erstenmal die Unendlichkeit über der fleinen Erde aufging, war eine Seele fo berauscht von Ewigkeit wie die des Kain- Byron beim Flug durch den unermeß­lichen Raum, wo der Lucifer- Lichtbringer des Denkens und For Ichens ihm zugleich Naturwissenschaft und Metaphyfir in Icbendige Anschaulichkeit umsetzt.

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Am nächsten Mittag wurde ich herausgerufen, ein Schuhmann wünschte mich zu sprechen. Das war an sich immer unangenehm. Jch ich die lehte Beit in Bligesschnelle vorübergleiten, ich mußte wirklich nicht, daß ich irgend etwas Strafbares verbrochen hätte. Ich trat gefaßt vor den Vertreter der Ordnung. Haben Sie irgendein Tier in Ihrem Garten, das fehr lärmi?" war die Frage. Ich ant. wortete: Wolfen Sie bitte einmal mitkommen und selber nachsehen. Ich halte zur Belt teine gefiederten Sänger!" Er fam mit und ah- nichts! Ich fragte ihn darauf sehr höflich, weshalb und auf weffen Veranlassung er gefemmen wäre. Darauf erfuhr ich, daß aus

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