Einzelbild herunterladen
 

Da machte er sich in der Morgenfrühe noch einmal auf die

Vom Raben, der seine Klugheit verkaufte. Wanderschaft, und nach vielen Tagen kam er wieder zum duntien

Von Hans Friedrich Blund.

Unser Mitarbeiter S. Fr. Blund hat seine Gabe, den Nieder­deutschen dichterisch zu verkörpern, nun auch am Volksmärchen bewährt. In feinem Märchen von der Niederelbe"( verlegt bei Eugen Diederichs in Jena ), von denen wir eine Probe geben, ist nieber­deutsche Art in Ticffinn wie Humor, an alten und neuen Stoffen aufs beste gewahrt.

In der Zeit, als die Raben noch die Gelehrten unter den Tieren waren, lebte denn ja auch einer unter ihnen, der galt als der aller­flügste im ganzen Land. Es hatte wohl auch seine Richtigkeit damit, er durfte voll hoher Meinung von seinem Wissen sein. Und weil die Raben damals alle Sprachen der Menschen und Tiere verstanden, überfam es ihn, anderen Völkern von seiner Erkenntnis abzugeben.

Er berief darum zwölf Tiere um sich zu einer Tafelrunde, ließ fich zu ihrem König wählen und begann, wie weiland Kaiser Karl , fie zu ritterlichem Sinn und weisem Leben anzuhalten. Da waren ein weißer Wolf, ein Bullenbeißer, ein Fuchs, ein Ochse, auch eine Krähe, ein Feuermolch und andere mehr. Besonders aber in einem gläsernen Henteliopf ein sehr gelehrter alter Karpfen.

Diese Runde versammelte sich in jeder Frühe in einem Bruch unterm Heiberg, wobei der Bullenbeißer es übernommen hatte, den Karpfen zu tragen. Täglich wurde dann beim gemeinsamen Früh­stück der Lauf dieser und der anderen Welt durchgesprochen und ihre Besserung bedacht. Es war eine sehr gelehrte Tätigkeit. Nach einer Leile aber merkte der weise Rabe, daß die Tiere nicht mehr in allem feiner Führung folgten. Und einmal glaubte er den Grund erfahren zu haben. Das war damals, als er wider Willen Fuchs und Wolf belauschte, die mitten in einer Inwendig feitsübung über ihren Meister sprachen und vermeinten, ohne seinen Schwarzen Rod bleibe immer noch ein guter Braten übrig.

Der Rabe war sehr traurig über folche Worte und fann lange nach, wie er den großen Tieren eine höhere Meinung auch von seiner Gestalt beibringen könnte. Wie oft bei solchen Kränkungen, bezog der Gelehrte fortan jede Wendung und jedes rafche Wort auf sein Aeußeres, ein frankhaftes Wünschen nach einer außergewöhn­lichen Bedeutung seiner Gestalt wurde immer stärker in ihm.

Emes Tages nahm er darum Urlaub von seiner Runde, ging auf Pilgerschaft und kam nach langen Fahrten bei dem großen Loder zu Gast. Das ist ein Riese, der in einem dunklen Tal am Ende der Welt wohnt und vier Schatten auf einmal wirft.

Der Rabe blieb mehrere Tage bei ihm. Sie sprachen über vieles, fannen über alles Weltwerden, und obschon der Berlocker ein unholder Geselle ist, gelang es dem anderen, sein Vertrauen zu ge­minnen. Eines Abends war es so weit, daß der Loder dem Raben feinen vierfachen Schatten anbot und sich dafür Sprache oder Klug­heit zum Eintausch erbat.

Der Rave dachte lange nach und vermeinte schließlich, Wiffen könne man durch Uebung wiedergewinnen, ohne Sprache aber sei seine Lehre ohne Hall und Schall. Er tauschte darum die vier es gefommen war, eilends zur Tafelrunde zurück.

Das gab ja ein Raunen und Staunen unter den Tieren! Der Das gab ja ei Raunen und Staunen unter den Tieren! Der Huge Rabe hatte nicht unrecht gedacht; der Schatten, der mitten in der Sonne nach allen vier Himmelsrichtungen stand, war etwas Ungewöhnliches, daß die zwölf gelehrten Schüler sich von neuem willig ihrem Meister unverwarfen. Auch ging das Gerücht von dem schwarzen Raben mit den vier Schatten bald übers ganze Land. Sein Ruhm wurde größer und größer, und menn die zwölf Schüler früh zur Andacht zusammenfamen sand der Busch rundum und weithin voll von Tieren, die ihnen in Berzückung lauschten.

Das schmeichelte der Eitelkeit der zwölf Herren sehr und hielt sie wohl zusammen. Es war aber auch nötig, denn was der Rabe früher an weiser Beschränkung gelehrt hatte, war jetzt häufig wie Wind verflogen. Nicht nur, daß er manches widerricf, was er früher gelehrt hatte, es war oft reine Torheit und Weltlichkeit, was der Weisen Weisefter forderte. Wären die Tiere nicht so völlig im Bann der vier Schatten ihres Meisters gefangen, sie hätten mit flarem Berstand die Wandlung durchschauen müssen.

Aber es war auch ein allzu bequemes Leben geworden, als daß fie viel Sehnsucht nach ihrer früheren Einfalt gehabt hätten. Die Almosen der Tiere floffen reichlich, es tam allerhand lustiges Treiben in den Wald, und einmal wurde ein Dienst der Glückseligkeit ver­fündet, der mit einem feierlichen Essen begann und leider zu einem lärmenden Gelage der zwölf weisen Herren geworden ist. Man hat arg getrunken und gesungen, die Krähe hatte vorgetanzt, der Fuchs hat ein Jagdiied erfunden, der Ballenbeißer hat sich derüber dem Ochs ins Mittelstück gehängt, und alle Wipfel haben von Trunt und Brunst und Böllerei der Herren und Zaungäfte abscheulich widergeflungen.

Bon dem Lärm des Gelages aber erwachte auch allerhand nächt­licher Sput, der sich bisher der Weisheit des Waldes nicht zu nahen gewagt hatte. Holzweiber, Hagemänner und derlei waren dabei. Und als es tief in der Nacht war und die Irrwische längst müde waren, das Licht zu tragen, drangen die Unterirdischen heran und zogen den berauschten Tieren die Stühle meg. 3a, fie fetzten fich felbft in den Kreis, taten sich an den Resten des Mahls gütlich und huben ein entfehliches Geschrei an, so daß der weise Rabe aus feinem Sih hochschoß, die Augen aufrih, und als er die Schatten und Bald­meiber auf den Stühlen seiner Gesellen sah, nicht anderes vermeinte, als daß die Hölle mit ihren Bersuchungen felbsteigen hochgekom­men fci.

Und sie lachten dazu unbändig, bis der Rabe dumpf begriff, was über ihn gekommen war.

Locker. Gib mir meine Klugheit wieder", flehte er. Der lachte aber nur und wollte ihn von der Tür weisen. Der Rabe bot seine vier Schatten an, bot schließlich alles, was er hatte, und flehte in­ständig. Aber der Locker war steinern oder laub. Als der Rabe jedoch Tag und Nacht vor seiner Tür in allen Sprachen föhnte, überlegte der Verlocker, ob's ihm nicht nüßlich sei, zu allem Bolt reden zu können. Und er nahm endlich die Bitten des Raben an, nahm ihm Schatten und Sprache zugleich und gab ihm im Tausch feine Klugheit zurück.

Seitdem hat der Rabe es verlernt, mit Menschen und Tieren umzugehen wie mit feinesgleichen. Mitunter hört er ein Wort, er­innert sich und schwaßt es nach. Aber er weiß nicht mehr, was es ift, und vergißt es rasch. Er hat's auch nicht nötig, denn er grübelt viel, fliegt dem Wind auf die Schulter und ist glücklich in seiner wiedergewonnenen Klugheit und Selbstversunkenheit, lebt ohne Mensch und Tier, ein Weiser für sich.

Die zergliederte Sonne.

Das Spektroskop ist ein Apparat, der das unermeßlich Große mit dem unvorstellbar Kleinen verknüpft. Bon den unendlich fernen Nebelflecken erzählt es und von Atomen, die nach neueren For­schungen in ihrem Aufbau den Sonnensystemen ähneln: Um einen sentralen Atomkern freifen in atemlosem Wirbel die Elektronen. Eine schwingende Saite sendet Schallwellen aus; die schwingena den Atome glühender Dämpfe aber erzeugen nach der bisherigen An­schauung Aetherwellen, die vom Auge als Licht wahrgenommen werden. Seit Einstein die Ablenkung des Lichtstrahls im Gravita­tionsfeld der Sonne behauptet hat, die ihre Bestätigung fand, ist die Aethertheorie erschüttert, und man muß auch das Licht als Materie betrachten. Neben den vom Auge als Licht empfundenen Wellen gibt es übrigens auch dunkle, unsichtbare Wellen, wie die Wärme­wellen und die elektrischen Wellen. Wie nun Saiten von verschie dener Länge höhere und tiefere Töne, die sich durch ihre Schwin­gungszahl unterscheiden, hervorbringen, ganz ebenso fendet von den großen und fleinen Atomen jedes Lichtwellen von bestimmten Edwingungszahlen aus. Mit den Augen kann man nur auffällige Farbenunterschiede wahrnehmen. Bringt man ein Natriumfalz in die nichtleuchtende Bunsenflamme, so färbt sich diese intensiv gelb; Kalziumfalze machen die Flamme ziegelrot. So deutlich ist aber das von heißen Dämpfen ausgefandte Licht nur selten gefärbt. Beson­ders wenn viele Atome in der Flamme leuchten, kann das Auge nicht die Farbe jedes einzelnen erkennen.

Bunsen und Kirchhoff haben gezeigt, daß sich alle Atome durch das von ihnen erfundene Spektroskop wahrnehmen laffen. Durch ein Glasprisma wird in diesem Apparat das gemischte Licht in die einzelnen Bestandteile zerlegt. Auf einem Band werden die ver­schieden gefärbten Linien ausgebreitet. Jedem Atom entspricht ein ganz bestimmtes Linienarrangement. Die große Bedeutung diefer Untersuchungsmethode ist offenbar. Will man wissen, aus welchen Atomen irgendein Stoff aufgebaut ist, so bringt man ihn in eine heiße Flamme oder in die gewaltige Glut des elektrischen Funkens und betrachtet das aufflammende Licht durch ein Spektroskop. Jedes anwesende Atom muß sich dort durch die ihm eigentümliche Linien­anordnung legitimieren.

Und nun hinaus in das fosmische Laboratorium! Das Spet­troskop zeigt far und deutlich, daß die Sonne aus denselben Atomen besicht, die wir auf der Erde tennengelernt haben. Auch von zwer umbekannten Sonnengasen, dem Helium und dem Koronium, er zählte der Apparat. Helium wurde später auf der Erde entdeckt; es entsteht aus dem Atomzerfall radioaktiver Stoffe. Koronium permutet man in den obersten Schichten der irdischen Atmosphäre. Sehr junge Firsterne und vor allem manche Nebelflecken sind nur aus sehr fleinen Atomen( Nebulium, Wasserstoff usw.) aufgebaut; die schweren Atome fehlen. Noch mehr weiß uns das Licht durch Vermittlung des Spektroskops zu berichten. Zur Zeit einer Sonnen finsternis, wenn die Mondscheite das leuchtende Gestirn verdunkelt, fieht man, wie vom Sonnenrand riesige Feuergarben, die Protube ranzen, empörgeschleudert werden. Protuberanzen bestehen haupt fächlich aus glühendem Wasserstoff und Kalizumdampf. Also die Sonne ist kein geichförmiges Gemisch von Atomen. Gewaltige Wirbelstürme von Metalldämpfen, die die Glutmaffen wie Wasser­hojen emporheben, brausen dort oben. Mit Hilfe eines sinnreicher Apparates, den man Epeftroheliograph genannt hat, kann man den Leib der Sonne untersuchen und photographieren. In dieser Sektion erzeugt man im Fernrohr ein Bild der Sonne, von dem man einen fchmaten Lichtstreifen durch den Spalt eines Spektroffops fallen läßt. Hierin wird der Lichtstreifen zu einem farbigen Band, dem gewöhnlichen Sonnenspektrum, auseinandergezogen. Das Band fällt auf einen undurchsichtigen Schirm, in dem sich ein feiner, vers schiebborer Spalt befindet. Diefen Spalt stellt man so ein, daß eine ganz bestimmte Farbenlinie( die von irgendeinem Sonnenatom herrührt) durch den Spalt auf eine photographische Platte fällt. Dann wird die Sonne im Licht diefes einen Atoms abgebildet. Hat man 3. B. eine Wasserstofflinie zur Abbildung gewählt, so erhätt man auf der Blatte ein Bild der Protuberanzen und der Wasser ftoffftürme auf der Sonne. Man fann den Apparat auf verschiedent ticfe Schichten der Sonnenoberfläche einstellen und so dieses ge wallige Wesen sezieren, deffen Körperwärme mehr als 6000 Grad Celfius beträgt. Manche Erscheinungen des leuchtenden Tages­gestirns hat man durch den Spektroheliographen aufgeflärt; immer noch aber erscheint uns die strahlende Lebensfpenderin so uner. gründlich und herrlich wie am ersten Tage".