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Nummer 13

Heimwelt

19. Juni 1924

Unterhaltungsbeilage des Vorwärts

An einen Arbeiter.

Bon Morris Rosenfeld .

Sel stolz, denn all dein Tun gibt dir das Recht, die Früchte dieser Erde zu genießen. Fühl dich in deiner Menschheit nicht als Knecht, dann wirst du wie ein starker Strom hinfließen.

Dich zu ersehen feinem Thron gelingt, und nur Natur fann, was du gibst, vergelten. Dort, wo du schaffft, Gott aus der Erde winft, er fegnete durch dich den kreis der Welten.

Gebührt dir Lohn, wo alle Schäße dein, hebst du die zähen Hände mit dem Hammer, dir reift das Korn zu Brot und blüht der Wein, und dir gehört das Gold der Königskammer.

Ja, du darfst stolz sein, du und dein Geschlecht, troh deines Hungers, deiner stroh'nen Betten. Sel mufig, Mann, sei tapfer, jei tein Knecht und schmiede nicht aus Demut deine Ketten!

( Nachgedichtet von Alfons Pezold.)

Feuer.

Bon Jen's Lornsen.

<*

Der Junge trieb die Kühe mit Huhl und hohl über den Hof und Hans Ivers half ihm, griff nach den Striden und zerrte sie in den Stall. Das war deine leichte Arbeit, denn es war junges Bieh, das noch nicht viel von der Welt wußte. Aergerlich stieß und schlug der junge Bauer auf die Tiere ein, bis sie langsam an ihre Plätze ge­drängt waren. Dann ging er vor die Türe, steckte die Pfeife an und wartete auf seine Frau, die draußen arbeitete.

Im Westen ging die Sonne zur Rüste und warf mattgelbes Licht über das Land. Nur da, wo sie die dunklen Stämme und die jungen Aleste der Erlen traf, flammte sie golden auf, als wollte sie ihre letzte fegnende Wärme ihren Lieblingen geben.

Der junge Bauer schaute ihr zu und dachte daran, daß es eben folcher Frühling gewesen war, als er sein Weib heimführte. Er nechnete nach, und ihm fiel ein, daß es genau noch drei Wochen waren, bis sich ihre Ehe jährte. Ein seltsam dankbares Gefühl wurde in ihm wach. Er dachte an seinen Jungen, seinen Erstgebore. nen, den sie ihm geschenkt hatte, und blickte froh über die nebelfeuchte Niederung. Aber dann tamen langsam die andern abgründigen Gedanken, die ihn nun schon seit Wochen gepackt hatten und nicht loslassen wollten.

Kurz vor seinem Examen, als Seminarist, hatte er Elsbe Noor tennengelernt. Und mit dem Ueberschwang und dem raschen Ent­schluß der Jungen hatte er Wissenschaft und Beruf im Stich gelassen und hatte geglaubt, ein unfägliches Glüd zu fassen, wenn er mit dem schönen träumerischen Mädchen eins würde.

Und nun? Die Tage waren doch einförmig geworden an ihrer Seite, das Mädchen war still und verträumt geblieben, und ihm, dem Brausenden, Jungen, fehlte das Kämpfenmüssen seines Alters. Er fühlte sich eingeengt gehütet; ein Wunsch nach Erleben drängte in ihm, er empfand die Schranken, die ihm die Che mit der still Schaffenden zog.

Wenn nur der Junge erst größer wäre. Dann würde er an dem arbeiten, an dem und den anderen, die vielleicht kommen würden.

Die junge Frau tam über die Wiesen mit müdem, schwerem Schritt, trat zu ihrem Mann und faßte seine Hand. Eine plötzliche Wärme padte ihn, als er sie im Abend neben sich sah. Die letzten Sonnenstrahlen spielten in ihrem Haar und tauchten ihr feines schmales Gesicht in ein tiefes Erglühen. Ein Warten lag in ihren Zügen, eine schüchterne Innigkeit, und plötzlich streichelte Hans Jvers

ihre Wangen. Und sie sah ihn demütig an, freute sich und dankte ihm. Nach dem Abendessen wollte der Bauer in den Krug. Aber eine nachdenkliche Stimmung hatte ihn gepackt, er hatte keine rechte Lust dazu, und in Erinnerung an seine Junggesellenzeit bog er ab und ging ben See entlang durch die Dämmerung.

Im Westen lagen die Wolken noch weinrot und leuchteten. Er dachte an sein Weib und grübelte still vor sich hin. Woram lag doch diese Entfremdung, warum fonnte er nicht mehr mit ihr plaudern und sprechen von seinen Gedanken und Plänen? Warum war sie jetzt nicht bei ihm in diesem Augenblick? Ach, Elbe Noor blieb immer die gleiche, die Einverstandene, Zufriedene, Dankbare, ihm war, als hätte sie keinen Haß, feine Liebe, keinen Willen und fein Nachgeben, als wäre es nur die eine einfältige Pflicht, die sie bewegte.

Hans Ivers ging langsam heim. Als er zum hof tam, stand sein Weib vor der Tür und winkte ihm zu mit leisem, stillem Lächeln. Sein Blick streifte rasch ihre hohe, stolze Gestalt in den Arbeits. kleidern, er wollte etwas sagen, aber dann ging er müde und ohne Gruß in seine Stube

*

Hans Ivers wachte nachts mit einem seltsamen Gefühl auf. Ihm träumte, viele tausend Wesen liefen mit fnisternden Füßen über die Diele und bliefen eine giftige Luft aus, die ihn ersticken wollte. Dann pochten harte Fäuste an die Fenster, jemand half ihm nach draußen. Er sah einen hellen wogenden Schein über sich, als er verstört auf­blickte, war der Hof in glimmenden Qualm gehüllt, der aus allen Lufen und Fenstern schlug. Der Bauer wollte sich aufrichten, taumelte, brach zusammen und richtete sich wieder auf mit einem quälenden Schmerz im Kopf. Da sah er, wie Elbe Noor aus dem Haus geführt wurde, sie hatte beide Hände an die Schläfen gepreßt und blickte mit qualvollen, verzweifelben Blicken um sich, als ob sie schwer erwachte.

Der Jung!" flagte sie.

Der Jung!" schrie er auf und wollte sich losreißen.

Aber das Weib war aufgefahren, als hätte sie ihn gehört, warf die Arme vor die Stim und lief jäh in den roten Rauch zurüd, der aus den weit offenen Haustüren qualmie. Der Bauer wollte folgen, aber er schwankte, brach in die Knie und fonnte sich nicht besinnen. Ein paar Schreie nach seinem Weib und dem Jungen weckten ihn wieder.

Da tam Hans Jvers zu sich, er begriff, daß Elbe Noor im Feuer war und sein Rind suchte. Wie ein Widerschein, aber heller und brennender, stand jäh sein Dünkel, standen alle die Gedanken vor ihm, die er von ihrem Kleinmut gehabt hatte.

Er sprang auf, schüttelte ein paar Hände ab und lief mitten durch brennenbes Rot in die Diele. Das Vieh brüllte verzweifelt an den Ketten. Vom Besel her kam ein Brechen und Knacken. Unter quirlendem Rauch sant eine Wand ein, eine weiße Flamme schoß ihm entgegen und leuchtete einen Augenblick hell über die Wände, dann wurde es wieder dunkel. Aus der Luke regneten brennende Fezen und Späne, fielen ihm auf Hände und Naden und fraßen sich ein.

Mit vorgestreckten Armen tastete und stolperte Hans Ivers vou wärts. Brust und Kehle brannten ihm von dem giftigen Rauch, seine Haut straffte sich, und vor seinen Augen tanzten Wände und Gebält in wunderlichen glühenden Netzen. Dann brach ein gelbes Feuer auf, lief an den Wänden entlang, und die Diele lohte tag­hell auf.

Hans Ivers sah eine Frauengestalt vor sich, die sich taumelnd zu erheben versuchte und doch an einer zu schweren Last trug. Die schützte sie mit ihrem Leib, hatte sie eng an die Brust gedrückt und wehrte verzweifelt niederfallendes Feuer ab.

Der Bauer griff nach dem Kind und riß sein Weib auf. Und die Hilfe schien thr noch einmal Kraft zu geben, stolpernd folgte sie an seiner Hand über die Diele. Im Tor famen ihnen Männer entgegen und halfen nach draußen, nahmen das Kind und wollten die hilflose Frau wegtragen. Aber Hans Ivers klammerte sich plötzlich an sie, liebfofte und füßte sie vor allen Leuten.