nicht, daß am Abend ein deutscher Leutnant Peter Debau auch einen Befehl gegeben hatte, daß Peter auch seinen Mantel ausgebeffert und der Johanna geschrieben hatte, sie solle die trächtigen Kühe nicht vergessen, und daß er seine Erbsensuppe gegessen hatte. Pierre wußte das alles nicht, und wenn er es auch gewußt, hätte er es nicht verstanden: er wußte nur, daß auf einem kleinen Fleck in diesem Jahre Krieg war. Für Pierre war Peter einfach der Feind, er traf ihn, den Feind, unerwartet und so nahe, daß er auf seiner Stirn den fremden Atemzug spürte. Pierre bäumte sich auf wie der alte Urahn in den Wäldern, krümmte sich wie ein Wolf und war bereit auf seine Beute loszuspringen. Peter, der den Feind so nahe fah, daß er das fremde Herz klopfen hörte, streckte die Hände wie der Urahne und beugte das Knie, um besser springen zu können.
So lagen sie einander gegenüber, jeder wartete, feiner wollte anfangen. Einer sah auf die Hände des andern und, ohne sich ins Geficht zu sehen, verfolgte jeder die Bewegungen der anderen Hände.
Und die Pfeife Pierres brannte. Die Feinde lagen einander gegenüber und wollten nicht töten, doch sie wußten genau, daß sie töten sollen. Sie lagen friedlich und atmeten einer dem anderen ins Gesicht. Wie Tiere beschnupperten sie das fremde Haar. Der Geruch war so vertraut und bekannt, es war der Geruch des Soldaten im Schützengraben, des nassen Mantels, des Schweißes, der schlechten Suppe, des Lehmbodens.
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Sie tamen aus fremden Ländern, aus der Provence und aus Pommern , zu dieser Erde, die ihnen fremd war und niemand gehörte, und wußten das ist der Feind, den man erdrosseln soll. Sie versuchten nicht, miteinander zu reden zu verschieden sind die Länder und die Sprachen. Sie lagen friedlich einander gegenüber, und die Pfeife Pierres brannte. Peter, der seine Pfeife nicht anzünden konnte, weil er wußte, daß eine kleine Bewegung der Hand Kampf um Leben und Tod bedeute, atmete den Tabakrauch ein und sperrte den Mund auf. So bat er, und Pierre verstand ihn und streckte seinen Kopf zu ihm hin. Peter nahm mit den Zähnen die Pfeife aus Pierres Zähnen. Aber immer ließen die Augen die anderen Hände nicht außer acht. Peter tat einen Zug und gab die Pfeife zurück. Pierre zog daran und, ohne diesmal eine Bitte abzuwarten, gab er sie dem Feinde wieder hin. So taten fie einige Male, vergnügt die Soldatenpfeife rauchend, zwei Feinde auf der niemand gehörenden Erde, die um jeden Preis erobert werden sollte. Sie taten jeden Zug langsam, vorsichtig, sehr, sehr langsam. Sie wußten, daß es für einen von beiden die letzte Pfeife war.. Da kam das Unglück. Noch bevor die Pfeife zu Ende geraucht war, ging fie aus. Einer von beiden war nachdenklich geworden und hatte nicht rechtzeitig ihr kurzes Leben mit seinem Atem verlängert. War es Pierre, der an seine braune Jeanne dachte, oder Peter, der von feiner blonden Johanna Abschied nahm? Einer von beiden.. Sie wußten, daß man kein Feuerzeug nehmen konnte, weil die Kleinste Handbewegung Kampf um Leben und Tod bedeutete, und dennoch versuchte es einer von beiden. War es Pierre, der die französische Republik verteidigte und in der hinteren Tasche einen Feuerstein mit einer langen Glimmschnur hatte, oder Peter, der Streichhölzer besaß und für das deutsche Kaiserreich kämpfte? Einer von beiden...
Sie packten und würgten sich. Die Pfeife fiel hin und versant in dem Lehm. Sie würgten sich und schlugen sich, schlugen sich lange und schweigend, rollten sich auf der Erde wie eine Lehmkugei. Dann, da einer den anderen nicht bezwingen konnte, bissen sie sich mit den Zähnen in die behaarten Baden, in den geäderten Hals mit dem heimischen und vertrauten Geruch und vermischten das braune flebrige Blut mit dem gelben Lehm des Bodens. Und ruhig lagen fie, wiederum friedlich nebeneinander, Tote auf der toten, niemand gehörenden Erde.
Bald waren die ruhigen Strahlen, die von den Sternen zur Erde gingen, nicht mehr zu sehen. Es wurde Tag. Die Menschen, die in der Nacht schweigend mordeten, begannen beim Anblick der Sonne offen zu töten, sie schossen aus den Gewehren und Kanonen. In den Stäben der beiden Armeen trug man in die Liste der Vermißten die Namen von zwei Soldaten ein, Namen, die so verschieden und doch so ähnlich waren. Als die Nacht wiederkehrte, trochen auf der Erde, die niemand gehörte, andere Soldaten, um das auszu führen, was weder Pierre noch Peter hatten tun können, denn in diesem Jahr war Krieg.
In dem Dörfchen in der Provence streute die braune Jeanne Schwefel auf die Weinreben und beweinte ihren Pierre. Nachdem sie ihn betrauert hatte, nahm sie in ihr Haus einen anderen Mann Paul. Es mußte doch jemand die Weinreben beschneiden und ihre feste Brust streicheln, die so dunkel war wie die Weintrauben zur Zeit der Ernte. Sehr weit von ihr, aber doch näher als ein Stern dem anderen, weinte die blonde Johanna und schüttete den trächtigen Kühen das Futter vor. Und da die Kühe viel Mühe machten und ihr milchweißer Körper nicht ohne Zärtlichkeit sein fonnte, erschien auf dem Bauernhofe ein neuer Mann, der hieß Paul Als die Frauen erfuhren, daß ihre Männer die letzte Pfeife geraucht hatten, trauerten sie, und dann freuten sie sich wieder mit
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ihren Männern, denn in diesem Jahr wie in den anderen Jahren siegte das Leben.
Im April 1917 hörte die niemand gehörende Erde, die nach Blut und Kot roch, auf, niemand zu gehören. An einem warmen, hellen Tag starben dort viele Leute aus vielen Ländern, und der gelbe, mit Blut vermischte Lehmboden wurde jemandes rechtliches Eigentum. In dem Schützengraben, im Rahenforridor, gingen die Männer, die früher auf dem Bauch gefrochen waren, wieder ganz ruhig, ohne den Kopf zu beugen. An der Biegung, dort, wo der Kazenkorridor endefe, liefen links und rechts andere Schüßengräben, die keinen Namen hatten. Dort fanden Soldaten zwei Skelette, die sich umarmten wie zwei Liebende, die überrascht wurden vom Tode, der von ferne, geheim und unerwartet, erschienen war. In der Nähe lag eine kleine Pfeife.
Da liegt sie vor mir, arme Soldatenpfeife, mit Lehm und Blut beschmutzt, die Pfeife, die im Krieg zur Friedenspfeife" wurde. Ich sehe darin noch ein wenig graue Asche Spuren von zwei Leben, die schnell verbrannten, schneller als in der Pfeife ein wenig Tabak verbrennt, zwei Leben, die schön waren und doch nichtig.
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Wie kann man eine Wage bauen, um das Wachsen eines Menschenförnleins abzuwägen, um auf eine Schale Tausende und aber Tausende von Jahren zu werfen und auf die andere so viel Zeit, wie diese fleine Soldatenpfeife braucht, um ausgeraucht zu werden?.
Der Berlin- Spandauer Knüppelkrieg.
Bon Elli Radtke Warmuth.
Im Mittelalter befaß jede größere Stadt in Deutschland auch eine eigene Wehrmacht, die sich aus den waffenfähigen Bürgern zusammensetzte. Die unsicheren Verhältnisse des Landes, die häufigen Kriegswirren, nicht zuletzt aber auch die Frechheiten der raublustigen adligen Herren hatten dazu geführt. Mitunter führten aber auch die streitbaren Städte gegeneinander Krieg. Von einer merkwürdigen Feldschlacht zwischen den Nachbarstädten Berlin und Span dau , die im Jahre 1567 auf der Ebene zwischen Spandau und Liezow, dem heutigen Charlottenburg , ausgefochten wurde, ist uns eine Schilderung des zeitgenössischen Chronisten Nicolaus Leuthinger überliefert und von Streckfuß mitgeteilt worden.
Es handelte sich eigentlich nicht um eine ernstliche Schlacht anfäßlich einer Fehde zwischen den beiden Städten, sondern vielmehr um eine Art Manöver, ein Waffenspiel, das der damalige märkische Kurfürst Joachim II , zu seinem Bergnügen und zur Weckung des friegerischen Sinnes der Bürger" befohlen hatte, so wie die Herrscher und Fürsten zu jeder Zeit am Kriegspielen eine besondere Freude gehabt haben.
Dem Gefecht zu Lande ging ein dreitägiges Wassergefecht auf der Havel zwischen den Berliner und Spandauer Flotten(!) voraus, bei dem der Kurfürst sich so amüsiert haben soll, daß ihm die Tränen die Baden hinunterliefen, während die Frauen und Kinder der Kämpfenden flehentlich um endliche Beendigung des Kampfes baten.
Der Plan des Landmanövers war so gedacht, daß letzten Endes die Berliner Sieger bleiben und Spandau in die Flucht schlagen fellten. Man fämpfte in diefem besonderen Falle nicht mit scharfen Waffen, sondern nur mit furzen Fechtstöcken. Aber auch mit diesen fonnten die ausgebeilten Siebe recht empfindlich werden. Infolge dieser schmerzhaften Knüppelhiebe wurde der Kampf mit der Zeit ernsthafter, als er eigentlich sein sollte. Jeder wollte einen besonders und schließlich war es gar fein Spiel mehr, sondern ein regelrechter gut fizenden Schlag dem Gegner möglichst fühlbar wieder heimzahlen, Kampf, von zornentbrannten Streitern, bei dem rücksichtslos drauflos geschlagen wurde. Nun hatten die Spandauer auch keine Lust mehr, die Besiegten zu spielen. Vergessen war der schön ausgearbeitete Plan, jede Partei wollte es der anderen tüchtig geben. Und als die Spandauer gar noch durch eine vorgetäuschte Flucht die Berliner aus ihrer Stellung lockten und ihnen danach heimtückisch in den Rücken fielen, kannte die Wut keine Grenzen mehr. Jegliche Einauf den Kurfürsten, der zwischen die Kämpfenden ritt, vom Pferd mischung zum Friedenstiften war unmöglich, man hörte nicht einmal geriffen wurde und selbst in die Gefahr kam, in dem tobenden Gewühl zu Tode getreten zu werden.
Erst die einbrechende Nacht fühlte die Kampfesluft etwas ab und brachte die Wütenden auseinander. Welche Partei den Sieg heimtrug, scheint unentschieden gewesen zu sein. Beide Teile triumphierten und meinten, die andere zu Boden geschlagen zu haben. Sowohl die Berliner als die Spandauer zogen in ihre Stadt zurück, um sich die Köpfe verbinden und die Beulen kühlen zu lassen.
Für den Spandauer Bürgermeister Bartholomäus Bier hatte diefer Knüppelfrieg noch ein recht unangenehmes Nachspiel. Erbost darüber, daß die Spandauer es gewagt hatten, seinen Schlachtplan eigenmächtig zu ändern und ihm das schöne Vergnügen zu stören, Bette holen, nach Berlin schaffen und dort ins Gefängnis werfen, ließ der Kurfürst den Bürgermeister in derselben Nacht noch aus dem wo er mehrere Monate ſizen mußte.
Den Spandauer Bürgern drohte man ebenfalls sämtlich schwere Strafen an, ließ es jedoch dann bei der Drohung bewenden. Den