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Wissen und Schauen

Berliner Verkehrsmittel. Das erste öffentliche Verkehrsmittel Berlins dürften die Sänften gewesen sein; Sänften von Privatleuten gab es gewiß schon vorher in Berlin , als öffentliches, jedermann zugängliches Beförderungsmittel wurden sie aber erst im Jahre 1688 eingeführt. Mit dem 1. Januar dieses Jahres wurden für Berlin 12 Sänften mit 24 Sänftenträgern zugelassen, die auf drei Stand­plätzen, am Schloßplay, am Rathaus und auf dem Friedrichswerder, halten mußten. Die Benugung einer Sänfte toftete 4 Groschen bie Stunde, wer fie für den ganzen Tag benutzen wollte, hatte 20 Groschen zu bezahlen. Ein halbes Jahrhundert später famen auch die Fiaker in Berlin auf. Nach einem besonderen Fiaterreglement vom 16. Januar 1740 foftete eine Fahrt innerhalb der Stadttore je nach der Entfernung 12 bis 16 Groschen. Die Aufsicht über die Flaker hatte ein besonderer königlicher Wagentommiffarius. Im 19. Jahrhundert wurden dann in Berlin die Fiafer durch die Drosch ten verdrängt. Die ersten Droschten tamen im Jahre 1815 auf, um die Mitte des Jahrhunderts war aber deren Zahl schon auf rund 1000 gestiegen.

Berlin fann für sich den Ruhm beanspruchen, auf dem euro­ päischen Kontinent den ersten Personendampfer als Verkehrsmittel eingeführt zu haben. Das war im Jahre 1818. Sein Anlegeplatz war die Spree in der Nähe der Zelte. Bon dort aus fonnten mit bem Dampfer Ausflüge unternommen werden. Während der ersten Zeit strömten jeden Sonntag große Scharen Berliner hinaus zu den Belten, um das Schiff, das sich ohne Segel und ohne Ruderer fort­bewegte, näher zu betrachten, und es fanden sich auch Ausflügler ein, die sich dem Ungetüm anvertrauten. Aber die Berliner wurden des Spreedampfers bald überdrüssig, weil er gar zu viel Spettafel machte, die Schiffsgäste wie die Zuschauer am Ufer mit Ruß und Feuer­funten bewarf und nur langsam vorwärts fam. Jedes Hundefuhr werk fuhr schneller als dieser Dampfer. Die Schiffsgäste wurden Die Schiffsgäste wurden mit alleriei Bigen über ihre verruchte Kleidung und über die schnelle" Beförderungsweise bedacht, und so wollte schließlich nie. mand mehr auf dem Schiff fahren. Schon nach wenigen Jahren wurde es aus dem Verkehr gezogen, zerschlagen und verkauft.

Die ersten Kremfer famen im Jahre 1822 auf. Sie wurden rasch ein gern benuhtes Verkehrsmittel. Als sie nicht mehr dem öffentlichen Verkehr dienten, blieben sie noch lange Jahrzehnte die Gefährte, die bei Landpartien wieder hervorgezogen wurden. Die erfte Straßenbahn, zugleich die erste in ganz Deutschland , wurde in Berlin am 22. Juni 1865 dem Verkehr übergeben. Die Stadtbahn wurde im Jahre 1882 eingeweiht, die erste Autodroschte lief vor jetzt einem Vierteljahrhundert, im Jahre 1899, durch die Berliner Straßen. A. M. 回回

Naturwissenschaft

Ein Tier, das nicht schläft. An der Universität Baltimore hat türzlich eine Dame, Edith E. Nicholis, Untersuchungen über die Leb­haftigkeit und das Schlafbedürfnis der Meerschweinchen angestellt. Sie bediente sich dazu einer Art von Registriertäfigen, die so ein gerichtet sind, daß Erschütterungen ihres Fußbodens durch Hebel werke auf die Schrifthebel von Registriertrommein übertragen werden. Die Beobachtung erfolgte in unterirdischen Gewölben mit genügender Lüftung und Feuchtigkeit, in Dunkelheit und bei Be leuchtung; Geräusche und Erschütterungen waren ausgeschaltet. Nur einmal am Tage betrat die Dame selbst die Räume, um Futter gu bringen und die Registrierstreifen zu erneuern. Atmen und ruhiges Sauen wurden nicht aufgezeichnet, wohl aber jede andere Bewegung. Man hat im allgemeinen den Eindruck, als seien die Meerschweinchen ganz besonders ruhige Tiere. Das ist aber ganz falsch. Unter den gewöhnlichen Verhältnissen freilich verharren sie gus Furcht lange in bewegungsloser Stellung. Aber hier, wo alle Außeren Einflüsse ausgeschaltet waren, zeigten die Tiere eine faft inausgesetzte Tätigkeit. Ruhepaufen traten von Zeit zu Zeit ein, bauerten aber nur drei bis vier Minuten. Von den 24 Stunden bes Tages waren sie 20 bis 22 Stunden lang in Bewegung. Man dann also sagen, daß die Meerschweinchen eigentlich überhaupt nicht schlafen. Sie brachten ihre Zeit mit unaufhörlichem Fressen zu. Gelbst wenn man sie in eine Tretmühle gefeht hatte, so daß fie ordentlich abgearbeitet waren, faßen sie nachher in ihren Registrier­täfigen nur furze Zeit mit geschlossenen Augen da, dann begannen fie aber eifrig zu freffen. Ob Tag oder Nacht, machte feinen Unter fchied; auch die Jahreszeiten brachten teine Aenderung. Männähen und Weibchen verhielten sich gleichartig. Die längsten Ruhepausen waren zehn Minuten.

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Bom Mondwurm. Der Mondwurm lebt zwar nicht auf dem Monde, dessen Eisfrufte feinem Lebewesen eine Dajeinsmöglichkeit gibt, aber er steht doch mit dem Mond in einem engen geheimnis bollen Zusammenhang. Das Tier lebt, wie in Reclams Univerfum" erzählt wird, in den Korallenriffen der Südsee, wo tie Jahreszeilen den unteren entgegengejekt fine. Wenn bei uns die Herbststürme braufen, ist dort linder Frühling, und dann hält der Mondwurm Hochzeit. Aus den Gängen der Riffe tommt er an die Oberfläche. Beide Geschlechter stoßen ihre ersten Leibesringe ab, während Keim­stoffe zum Bunde eines neuen Lebens vereinen. Diese abge­Stoßenen Leibesteile nennt der Polynesier Palolo" und fischt sie sich jeit altersher als wohlschmeckenden Leckerbissen auf. Er meiß aber genau, daß es nur zwei Monate im Jahre gibt, in denen er den Balolo fangen kann, nämlich den Oktober und November. Das

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Schwärmen der hochzeitmachenden Mondwürmer erfolgt in diesen beiden Monaten nur in der Nacht vor Vollendung des letzten Mond viertels mit eherner Gefehmäßigkeit, ganz unabhängig von Wetter und Bewölkung. Es müssen irgendwelche Kräfte fein, die von der Mondphase ausgehen und auf die Würmer einwirten. Die Wissen schaft hat sich schon viel mit diesem Rätsel befaßt, ohne es aber bisher löfen zu fönnen.

Himmelskunde

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Tausend Kleine Planeten, Bon den meist zwischen Mars und Jupiter ihre Bahn ziehenden Asteroiden oder fleinen Planeten hat man bis jetzt mehr als 1000 entdeckt. Wie Arthur Stenzel in der nunmehr wieder erscheinenden vorzüglichen Astronomischen Zeit schaft" mitteilt, betrug am 1. Juli 1923 die Gesamtzahl der numes rierten Asteroiden 995. Seither ist schon wieder eine Reihe neuer leiner Planeten aufgefunden worden, so daß das erste Tausend dieser meist winzigen Rörper nunmehr überschritten ist. lleber die Gesamtzahl aller fleinen Planeten läßt sich selbstverständlich nichts fagen; wahrscheinlich ist sie außerordentlich groß. Ihre Ent. deckungsgeschichte hebt genau mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts an; denn am 1. Januar 1801 entdeckte Piazzi in Palermo die Ceres . Damit war der in der großen Lücke zwischen Mars und Jupiter schon lange vermutete Körper aufgespürt. Aber schon im März 1802 entdeckte Dlbers in Bremen den zweiten kleinen Pla neten, die Pallas; 1804 fand Harding den britten, die Juno, und 1807 wieder Olbers den vierten, die Besta. Dann aber verstrichen fast vier Jahrzehnte, bis wieder ein fleiner Planet aufgefunden wurde. Ende 1845 entdeckte hende in Dresden den fünften, die Afträa. 1846 wurde fein weiteres Objett gefunden, doch 1847 ent deckte hende den sechsten fleinen Planeten, die Hebe, und Hind den ficbenten und achten, die Iris und die Flora. Von nun an begann durch systematische Beobachtungen eine ununterbrochene Reihe der Planetenentdeckungen, die vorläufig noch fein Ende gefunden hat. Die Zahl der alljährlich ermittelten neuer Himmelstörper ftieg immer mehr und nahm dann nochmals mit Einführung der Him melsphotographie bei der Jagd nach kleinen Planeten, d. h. seit 1891, einen bedeutenden Aufschwung, um schließlich im Jahre 1906 mit 42 Neuentdeckungen das Maximum zu erreichen. Seitdem ist die Zahl wieder etwas im Sinfen, weil die helleren Körperchen nahezu alle bekannt sind. Je größer die Zahl der kleinen Planeten wird, um so schwieriger gestaltet sich naturgemäß auch die Bahn­beftimmung, beren Riefenarbeit das Astronomische Recheninstitut in Berlin- Dahlem zu bewältigen hat. Der Durchmesser der meisten steroiden beträgt weniger als 100 Rilometer, bei den kleinsten nur 5 bis 7 Kilometer. Am größten ist Ceres mit 768 Rilometer Durch messer. Die Gesamimasse aller bisher bekannten Asteroiden schäßt man auf ein Neunhundertstel der Erdmasse. Der erdnächste kleine Planet Eros ist im Mittel 67 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und nähert sich mithin der Marsbahn. Die Umlaufszeit der meisten Asteroiden beträgt vier bis fünf Jahre.

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Kulturgeschichte

DOXOO

Die Rote Fahne" ven 1876. In Bernsteins Geschichte der Ber liner Arbeiterbewegung" Band I findet sich eine Fatsimile- Abbil dung der ersten Seite der Probemummer der von Wilhelm Haffel. mann in Barmen ins Leben gerufenen Roten Fahne", die als Flugblatt zur Beförderung der Wahl von Arbeiterabgeordneten" gedacht war. 13 Nummern, deren erste am 1. Oftober 1876 erschei nen follte, wurden in diesem Brobeblatt angekündigt, die die Best für 50 Pfennig( bei Abholen), jonst 65 Pfennig liefern würde. Mitteilungen über größere Bezüge erbittet Haffelmann dirett; er mohnte damals noh in Berlin , Adalbertstraße. Im Herbst fiobelte er jedoch nach Barmen über, um zusammen mit Hermann Lange das dortige Barteiorgan zu redigieren. Bernstein urteilt über die da­malige Rote Fahne":" Das sehr agitatorisch gehaltene Blalt fand auch in Berlin eine größere Anzahl Befer, zumal hier ein Teil der Genossen Hafjelmanns Forigang von Berlin irrigerweise als die Folge einer gegen ihn gerichteten Intrige anfah." Bis zum Herbst war Hafjelmcan Redakteur der Berliner Freien Presse" geweien, deren erfie Nummer bekanntlich am 1. Januar 1876 erschien. Die Arbeit der Roten Fahne" ist damals nicht nuklos gewesen; der Erfolg der Sozialdemokratie bei der Wahl am 10. Januar 1877 in Berlin IV und VI glatter Gieg Folgen. Hajjaimann felbft war bei der Wahl durchgefallen und ließ hatte dann die bekannten die Role Fohne" eingehen.

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siger Hochperraisprozeß gegen Liebknecht , Bebel ime Hepner( März leber die role Fahne" als Symbol ist übrigens in dem Leip 1872) an Gerichtsstelle debaitiert worden. Zur Perlesung war elu in Graz bei Gelegenheit der Gründung des Groger Arbeiterbildungs­vereins Borwärts" gesprochenes Gedicht gefommen, tas den Refrain hatte: Denn unire Fahn ist rot!" Auch in diesem Gedicht fand der Präsident die Ziele der Bartei ganz unverhüllt ausge iprochen". Liebknecht und fein Berteidiger Fientag wiesen dem­gegenüber darauf hin, daß die gewöhnliche"( gegnerische) Auf­feffung von roter Republit" und roter Fahne" nicht die thrige fei, daß vielmehr die Farbe der Menschenliebe", der Begeisterung" darin verförvert sei. Liebfrecht sagte wörtlich: Das Rot bedeutet dabei nicht Blut, sondern Gleichheit, und der Gebrauch der roten Fahne für die Demokratie als Symbol rührt aus der französischen Revofinion her, wo sie als Gegenjak zur nationalen unb bürgerlichen Trikolore diente". Daß er damit den Präsidenten und den Stcats. anwalt nicht überzeugen fonnte, ist wohl taum nötig zu bemerfen.