Wissen und Schauen
Leichen im Gletscher. Auch in diesem Jahr haben die Berge wieder zahlreiche Opfer gefordert, die im Schneesturm zugrunde gingen, von Lawinen verschüttet wurden oder, durch den Schnee getäuscht, in Abgründe und Gletscherspalten stürzten. Nicht immer gelingt es, die Leichen der Verunglückten zu bergen. Manche verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, andere tauchen zur Zeit ber Schneeschmelze wieder auf; manche aber bleiben lange Jahre verschwunden, und erst die Veränderung in der Bildung der Gletscher bietet die Gelegenheit, fie aufzufinden. Bemerkenswert ist der Fall des Gemsjägers, dessen Stelett im Jahre 1921 neben dem des von ihm erlegten Tieres auf dem Arollagletscher gefunden wurde. Der Jäger war feit etwa einem halben Jahrhundert verschwunden, und man hatte teine Spur der Leiche finden können. Auch die Körper der ersten Opfer, die der Montblanc gefordert hatte, der Franzosen Carrier, Balmat und Tairaz, die von einer Lawine in einen Abgrund gefegt worden waren, wurden erst am 15. August 1861, d. h. 41 Jahre nach dem Unfall, 8 Kilometer tiefer, aufgefunden. Sie waren diese Strede mit dem Gletscher talabwärts gewandert, mit einer Durch schnittsgeschwindigkeit von 50 Zentimeter in je 24 Stunden. Die Beichen waren noch vollständig erhalten. Im Rudfact Carriers fand sich noch ein Stück Hammelfleisch und in seiner Trinkflasche ein Restchen Wein.
Der Pharao mit den Zahnschmerzen. Ueber ägyptische Mumien ist soeben ein umfangreiches englisches Wert von Dr. Elliot Smith und Warren R. Dawson erschienen, das die Technis der Einbalsamie rung bei den alten Aegyptern einer genauen Untersuchung unterzieht und dabei auch über die ärztlichen Befunde an den Mumien eingehende Mitteilungen macht. Bei allen Untersuchungen, die Aerzte in neueren Zeiten an Mumien angestellt haben, find Spuren von Krankheiten festgestellt worden, an denen die Menschheit heute noch leidet. Während indessen fein Fall von Rachitis oder von venerischen Leiden beobachtet worden ist, finden sich bei den Mumien aus den verschiedensten Berioden zahlreiche Fälle von Steinen; Blasensteine sind bereits bei Mumien der prädynastischen Zeit fest geftellt worden. Einer der interessantesten Fälle zeigt ein unver fennbares Beispiel von echter Gicht ; der Krante war ein älterer Mann mit langem weißen Haar und Bart, der in einer Chriften gemeinde in der Nähe des Tempels von Philae febte; seine Füße und besonders die großen Zehen zeigten die Merkmale des Leidens fehr deutlich. Am verbreitetsten war in aften Zeiten augenscheinlich bie rheumatische Gicht, an der Männer und Frauen von allem Anfang an gefitten haben. Besonders ausführlich beschäftigen sich die Forscher aber mit den Zahnleiden; sie stellen fest, daß viele von den Bharaonen sogar an ganz schrecklichen Zahnschmerzen gelitten haben müffen, ganz besonders der Vater des jetzt so viel genannten Tutan chamen, Amenophis III. Aus dem Zustand feiner Zähne geht deutlich hervor, daß diefer Pharao einen afuten Anfall von schweren Zahnschmerzen gehabt haben muß, als er sein Leben beschloß, da er ausgedehnte Abfzeffe on seinen Zähnen hatte.
Medizin
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Mittelalterliche Ordinationstünffe. Die medizinische Fakultät von Saferno, die als die ärztliche Hochschule Europas im Mittelalter von den jungen Studenten aus aller Herren Länder besucht wurde, hat auch Verhaltungsmaßregeln für junge Merate herausgegeben, die amüsant genug sind, um hier mitgeteilt zu werden. Der Arzt, der auf Krankenbesuch geht", so heißt es dort, soll sich unter den besonderen Schutz des Engels stellen, der den Lobias begleitet hat. Unterwegs foll er die Person, die ihn geholt hat, .gehörig über den Zustand des Kranten ausfragen, damit er über den Fall, den er behandeln soll, gut unterrichtet ist. So fann er, wenn er den Buls gefühlt hat, und die Krankheit nicht gleich er kennen tann, wenigftens auf Grund dessen, was er zuvor erfahren hat, dem Kranken Bertrauen einflößen und ihm durch seine Fragen beweisen, daß er auf dem rechten Weg ist, ihm zu helfen. Beim Eintritt soll der Arzt bescheiden und würdig grüßen, feine Haft an ben Tag legen und sich zunächst gemütlich niederlegen, um Atem zu schöpfen; dann soll er die Schönheit der Wohnung, den wohl geordneten Haushalt und die Freigebigkeit der Familie rühmen." Db Goethe an diefes ärztliche Bademecum gedacht hat, als er feinen berühmten Bers schrieb:„ Der Geist der Medizin ist leicht au erfassen?"
Naturwissenschaft
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Bom Tanz der Tiere. Es gibt eine ganze Anzahl Tiere, die ausgefprochene rhythmische Tanzbewegungen machen, und dieser Tanz ift durchaus nicht unbedingt, wie man so oft behauptet hat, auf Erotit gestellt, sondern hat Freude an der Bewegung und am Rhythmus als legte Ursache. Das zeigt Prof. Bastian Schmid an einer Anzahl von Beispielen in der Leipziger Illustrierten Zeitung". Under den Säugetieren sind es bie Schimpansen, besonders bie männlichen, die einen ausgeprägten Lanz ausführen. Während die Männchen mit den Beinen aufstampfen und mit den flachen Händen auf den Boden schlagen, begnügen fich bie Weibchen damit, sich um bie eigene Achse zu drehen und wechselseitig ihre Hände auf den
Boden aufzuschlagen. Einen Tanz fann man auch in den grotesken Spielen der Delphine erblicken. Das Sichüberschlagen in der Luft cder das kerzengrade Springen, das Aufrechtsbehen und Drehen mit deuten. Bei den Vögeln findet sich der Tanz häufig. Verschiedene dem Schwanze und andere Bewegungen sind durchaus als Lanz z Raubvögel fesseln durch die Schönheit der Linien den Eindruck des völlig Reibungslosen im Raume ebenso wie die Störche durch ihre Tänze, die die Illusion der aufgehobenen Schwerkraft aufdrängen; dabei handelt es sich um das Zusammenwirken von Partnern. Ausgeprägter find die Tanzhandlungen mancher Kranicharten, Ribiße und der hühnerartigen Bögel rie Truthühner, Auer- und Birl hühner. Nur zum Teil handelt es sich hier um Balzsitten. Ueberraschend ist namentlich bei den Kronenkranichen der unsichtbare Konbakt der Partner. Biele Bögel begleiten die Tänze durch Gefänge. Die spihschwänzigen Präriehühner verfammeln sich in Gruppen bis zu 20 Tieren auf einer Anhöhe, einer der Hähne rennt mit gefenttem Kopf, magerechten Flügeln, aufrecht gestelltem Schwanz, gefträubten Federn unter energischem Stampfen über den Boden, wobei er ein gurgelndes Krähen ausstößt und seinen Schwanz mit schnarrendem Geräusch schüttelt. Die anderen Hähne fallen mit ein, es beginnt ein Tromineln, Stampfen, Schnarren, Krähen und Drauflostanzen, der Spektakel wird lauter und lauter, der Tanz toller und toller, bis alle wie efstatisch durcheinanderschwirren und übereinander hinweghüpfen. Auch bei den Spinnen und bei den Bienen findet sich der Lanz, und bei den letzteren steht er im Dienst der Auffindung von Futterstellen.
Kulturgeschichte
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Leihgeld und Zinssäße im Alferfum. Gläubiger und Schuldner hat es schon in den ältesten Zeiten gegeben. Der arme Bauer brauchte Geld, wenn er den Acker bestellte, Saatgut faufte und Entwässerungsanlagen vornahm, und der Händler mußte Geld entleihen, wenn er genötigt war, feine Lager wieder aufzufüllen. Der Durchschnittszinssatz für diese Gelder betrug in Babylon 20 Prozent; in Assyrien war der Durchschnittssak sogar noch etwas höher und betrug im Mittel 25 Prozent, stieg aber nach Ausweis von Doku menten der Zeit zumeilen bis zu 33 Prozent; das heißt, die Zinsen betrugen ein Drittel des Kapitals. In Assyrien wurden die Leihgelder auf Jahresfrist gegeben. In Babylonien betrug die Frisk nur vier Wochen, wie es auch in Griechenland der Fall war. Der Unterschied in der Kreditgewährung ist auf die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse zurückzuführen. Mit Rücksicht auf den rein agras rischen Charakter der wirtschaftlichen Struktur Assyriens verlieh man das Geld auf Jahresfrist, d. h. von einer Ernte zur anderen, wäh rend der Kreditnehmer in Babylon , wo der Handel in Blüte stand, zu allen Zeiten flüssiges Geld bewilligte. Wenn die Zinsen vers tragsmäßig in Naturprodukter, Getreide, Datteln, Obst um. gezahit werden mußten, so waren die Schuldner in Jahren, in denet Trockenheit oder Regengüsse eine Mißernte herbeigeführt hatten, von der Zinszahlung befreit. Zur Sicherheit wurden öfter Pfänder als Unterlage gefordert und gegeben. Obwohl man im alten Baby lon fein Gesez fannte, das nach dem Beispiel der Griechen und Juden das Berbot der Pfandnahme lebensnotwendiger oder zur Ausübung des landwirtschaftlichen Berufs unentbehrlicher Geräte ausspricht, so finden sich gleichwohl in der aus dem Jahre 2000 v. Chr. stammenden Berordnung von Annusrapi bestimmte Klauseln, die den Bauern eine gewisse Sicherheit gewährten.
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KO Erdkunde
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Deutschlands Klima. Die langen abnormen Regen- und Kälteperioden der letzten Wochen lassen es uns beinahe vergessen, daß auch das Klima von bestimmten Regeln beherrscht wird. Wenn sie im einzelnen auch oft durchbrochen werden, so stellen sie doch ein sicheres Beobachtungsergebnis längerer Zeiten dar. So find die schönen Allgäuer Alpen mit 260 Zentimeter jährlicher Niederschlagsmenge das regenreichste Gebiet Deutschlands , der Schwarzwald folgt mit 220 Zentimeter. Der wenigste Regen fällt im westpreußischen Trodengebiet, das eine Ausdehnung von faft 20 000 Quadratkilo metern befigt; bei Hohensalza werden 40 Zentimeter Niederschlags menge noch nicht erreicht. Recht trocken ist auch das Gebiet, das sich im Regenschatten" des Harzes befindet; hier findet man bis zu 43 Zentimeter, während etwa der Brocken felber 170 Zentimeter aufweist! Durch eine recht geringe Bewölkung und daher ent sprechend viel Sonnenschein ist das bayerische Alpenvorfand aus gezeichnet. Im allgemeinen ist die Ansicht verbreitet, der August set der regenreichste Monat. Dies gilt indessen im Durchschnitt nur für die Ostseegebiete der August 1924 macht hiervon natürlich eine Ausnahme- in Südwestdeutschland regnet es am meisten im Juni, in Mitteldeutschland im Juli, auf den Nordseeinseln im Oktober und im Gebirge im Dezember.
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Die niedrigfte durchschnittliche Jahrestemperatur hat die Zug ipike mit-5,2 Grad, die höchste findet man mit+10 Grad im Rheintale. Am Ostfuß des Basgenwaldes fiegt eine sogenannte Wärmeinfef", die die höchste Jahrestemperatur von ganz Mittel europa ( mit Ausnahme von Südungarn und den Südafpen) aufweist. Unterhalb 400 Meter ist das masurische Gebiet mit 5,5 Grad Jahrestemperatur am fältesten; von September bis April ist hier der tälteste Bunft zu finden, während er von Mai bis August in Nordschleswig und Helgoland liegt.