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Das hatte ein fallender Schornstein getan.

Die Frau war aus dem Bett gesprungen und flammerte sich fchrelend an ihren Mann.

Der stand mit großen, entsetzten Augen an der Wand und starrte auf das Loch in der Dede.

Der Sturm ist im Haus!" fagte er,

Dann liefen fie schreiend hinaus und riefen nach der Diener­schaft und nach dem Auto.

Als die See und der Sturm ausgetobt hatten, breitete fish freundlicher Sonnenschein über Flut und Land. Und nun sah man: bas Meer hatte den Strand frei und gleich und eben gemacht. Und ber Sturm hatte gestürmt und gebrochen, was alt und morsch und schwach gewesen war. Und was sich ihnen eigensinnig entgegen­gestemmt hatte, das hatten sie aus dem Wege geschleudert. Ein eifernes Gitter liegt bort, das ist verbogen und zertrümmert, als wäre es aus Streichhölzern gemacht. Die Betonklötze hatte die See aus dem Dünensande gewaschen und hat ein wenig Fangball damit gespielt. Sie bilden keine Mauer mehr; sie sind ein zerbröckelter Haufen von Trümmern. Sie hat tiefe Löcher und Schlüfte in dos hohe Ufer gefressen, hat alte Bäume bei den Wurzeln gepadt und sie in den tobenden Gischt geschleudert. Ein Teil des Hauses ist niedergebrochen, und der Rest wird bald nachstürzen. Er hängt über der Tiefe.

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Unten an ihrem fleinen Hafen fanden die Fischer ein Etwas, das sie mühsam aus dem Sonde graben mußten. Sie richteten es auf. Es war ein armstarter Eisenpfahl; er ftat noch in einem Betonfloß und war frumm wie ein Fligbogen. Er hatte lange prokig an der Pforte gestanden; nun aber verharrte er in einer Hefen Verbeugung vor der Macht der Glemente, Und auch ein Stück von dem Schild war noch daran. Ein Stück nur. Und einer las: Privattefih verboten!".

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Da sahen die Fischer einander an und lächelten.

Gerrit Engelke  .

( Gefallen im November 1918 in Frankreich  .)

Bon Walther G. Dschilewski.

Sechs Jahre sind seit dem Weltkrieg vergangen aber noch heute wünschen wir, daß es endlich Zeit sein würde, den Frieden zu wollen.

In diesen Tagen erinnert sich eine junge proletarische Welt des Arbeiters und Dichters Gerrit Engelfe, der nech turz vor Waffen­stillstand in einem der tausend unbekannten Lazarette Frankreichs  bahinftarb, nachdem er vier Jahre unter dem höllischsten Feuerregen die fleischerne Mauer bildete, die sich die Völker dies- und jenseits aufgerichtet hatten. Mit ihm ist eine Kraft verloren gegangen, die die zuversichtlichste Aussicht für die Manifestation einer neuen Menschheitsgemeinde bedeutete. Aber nicht nur ein Leben verlosch; eine ganze Generation verlor durch seinen Lod den Anschluß und versuchte vergeblich aus Kaffeehäusern, aus welkenden Ideen und starrem Individualismus fich einen Leib zu formen, der die Linie des Jahrhunderts und der Zukünftigteit tragen follte. Es erschreckt nicht, daß es nicht gelang. Revolutionäre Epochen, in denen sich das fahle Gestern am trotzenden Granit der neuen Lebendigkeit schlägt, find nicht immer geeignet, auch revolutionäre Genies hervorzu bringen. Die Psychologe der Kunst, die psychologische Betrachtung jeder Geschichtsentwicklung zeigt, daß Talente zweiter und dritter Garnitur mehr in Zeiten autonomer Freiheitsproklamierung heran­gezüchtet werden, als das eine Geschlecht, das ohnehin schon in der Auswahl seiner Propheten und Deuter sparsam zu sein hat, von Mugen sein fönnte. Wenn sich in Engelte aber doch alle Elemente femmelten, die uns erkennen lassen, welche elementare Intuition eines Schöpferwillens mit der werkenden Baufraft der Sprachformung hier verbunden war, und wir so recht erkennen, welche große bedeutsame Erscheinung uns in Engelbe so früh verloren gegangen ist, so ist dies weniger ein Widerspruch zu der oben genannten tragischen Fest stellung, als ein Beweis von der Ankündigung eines neuen Jahr­hunderts, das uns neben den Veränderungen im materiellen Sein der Völker auch die Einmaligkeit eines großen Menschen schickt. Gerrit Engelke   war so eine Einmaligkeit: ein Gendbote.

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Mögen auch vorher schon andere Dichter, die das Zeichen der unfreien Arbeit und des Zwanges der Gegenwart auf der Stirn tragen, Bildner und Künder der proletarischen Menschen gewesen neben reiner und edler Absicht nicht mehr fein: sie waren jedoch und nicht weniger als schlechte oder gute Zöglinge großer und größter Geister. Die Geschichte der deutschen   Arbeiterdichtung wird sicher einen Max Barthel  , Karl Bröger  , Heinrch Lersch zu nennen haben eine Kulturgeschichte vom Ausmaß eines Weltspiegels wird aber ohne eine Widmung für Gerrit Engelte nicht existieren dürfen. Es kann in einem Nachruf, in dem die stumme Andacht einer gedenkenden und dankenden Generation liegt, nicht von einer litera rifchen Erscheinung die Rede sein. Diese Reflametätigkeit überlassen wir getrost den Literaturprofessoren vom Format eines Adolf Bar­ tels   und Gustav Roethe  , die sich auch bei dieser Gelegenheit einmal der dilettantischen, eichenrauschenden Kriegsdichterprostitution an nehmen sollten; eine Bestbeule, die nicht wenig zur Kriegspsychofe beiträgt und beigetragen hat. Nur der Hinweis auf das unglückliche Gesicht der deutschen   Gegenwart und des ganzen europäischen   Kultur­freises, gleichzeitig aber der Hinweis auf Hoffnung, heißt uns diese schöpferischen Vertreter deutschen   Arbeitertums preifen, da er wie fein anderer vordem den neuen Geist eines durch Staub und Qual des Krieges und des Aufbaues gegangenen Voltes in einem gewal tigen symphonischen Bekenntnis zum Ausdruck gebracht hat. Die Reihe der Intellektuellen, die sich durch die gleiche Gläubigkeit auf bas Engste verbunden fühlen, und die sich hindurchgerungen haben zum gewaltigen Heerestroß des arbeitenden Boltes: Sternheim, Paquet, Kaifer, Winkler, um nur einige zu nennen, sie alle finden in dem Arbeiter Engelle ihren menschlichen Freund und Bruder, wie er in den großen Meistern Beethoven  , Dehmel, Hodler, Strindberg, Whitman seine Freunde und Brüder sand.

Die deutsche Arbeiterbewegung, die nicht allein ihre Bartelton­fession zur Fahne erhebt, sondern ihr ganzes Bollmenschentum der Stimme der Zukunft gibt, die deutsche proletarische Jugend, die aus den Sentimentalitäten des Ungefährs ins verantwortungsvolle Mannestum entwachsen will, beide find bereit, unter Engelfes brau fendem Weltgefang zu marschieren. Wenn fie fich heute erinnern, fo ist dies das gute Zeichen für die Fortsetzung ihres gläubigen Be ginnens, das feit fünf Jahren wenigstens angehoben hat.

Das einzige Buch, das Engelte ihnen hinterlassen hat( Rhyth mus des neuen Europas  , Gedichte". Eugen Diederichs  , Jena  ), bas Buch der qualmenden Fabriken, der stampfenden Maschinen, der Weltauen und Absagen des Krieges, das Buch aus Luft, Strom, Waldblik und Liebe soll ihr Fahrtbuch sein. Wessen Fahrtbuch? Nicht allein Deutschlands  , nicht allein Europas   das Fahrtbuch des Berfoolfs der ganzen Erde!

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Diebesdummheit und Diebesgier.

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und

Beide sind sprichwörtlich. Die Quelle der Gier ist wohl auch oft die Dummheit; die Quelle der Dummheit die geringe Intelligenz, die geistige Minderwertigkeit. Die Folgen der geiftigen Minder wertigteit macht diese Menschen unfähig, gleich andern, den Kampf Inter  ums Dasein zu führen und läßt sie zu Dieben werden nationale" Taschendiebe aber, die so wenig Captus befizen, daß sie, wie neuerlich gemeldet wurde, erst am Tage nach der Tat von der Aufbewahrungsstelle ein Rad abholen, das auf die von ihnen ent­wendete Quittung lautet, wird allerdings eine Seltenheit. Sie haben ohne Zweifel die ganze ehrenwerte Gilde der internationalen Taschendiebe bis aufs tiefste blamiert. Sie werden sich wohl alle die Ungarn   und die Polen  , die Gafizier und die Deutschen  an den Kopf gefaßt und gefagt haben: Golche Idioten! werden geschworen haben, ihrerseits nie so plump hineinzufallen. Leicht gefagt: geschworen haben- find denn Schwüre auch bei ehrlichen" Leuten nicht dazu da, gebrochen zu werden? Wenn was helfen da alle einen Leidenschaft, Leichtfinn, Gier pact Ja, die Gier... wie oft ist die schon einem Schwüre der Welt? zum Verhängnis geworden! Da kann ein Dieb zu feinem größten Er Leidwesen nicht alle Herrlichkeiten auf einmal mitnehmen. Ein fommt zur Einbruchsstätte zurüd und wird festgenommen. anderer fann sich von den gestohlenen Kleinigkeiten fie fömmen nicht trennen und wird so der Tat über. noch so wertlos ſein führt. Dr. Wulffen erzählt von dem Raubmörder Karl Otto Neu­mann, der im Jahre 1907 in Leipzig   die Markthelfersfrau Roßberg stranguliert hat. Er hatte 70 m. und eine völlig unscheinbare Sparbüchse. gestohlen. Die behielt er und sie wurde ihm zum Ver hängnis. Besonders afurate Diebe führen Tagebuch und liefern fo unter Umständen selbst das Material gegen sich. Andere wieder, bis zur Stupidität unachtsam und leichtfinnig laffen die gröbften Spuren hinter sich und spielen sich so selbst mit der größten Leichtig feit in die Hände ihrer Häscher. Dann wieder fodt es sie unwider

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Wenn nun eine aufsteigende Klasse, wie es das Proletariat eine ift, wenn darüber hinaus eine ganze junge Welt diesen sprachschöpfe rischsten Bertreter der europäischen   Literatur als den ihrigen in Anstehlich an den Tatort zurüd, wo sie auch ergriffen werden. spruch nimmt, dann ist dies nicht allzu verwunderlich; es wird da­durch gezeigt, daß sich eine neue Mannschaft den gesunden Blick be. wahrt hat, Einmaligkeiten und Verwandtschaften eben als solche zu bezeichnen.

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Die Identität mit der Seele Gerrit Engeltes herzustellen, ge­hört nicht zu den Schwierigkeiten der zukunftsträchtige Wurf feiner Sprache, die demutsvolle und dann wieder stolz beherrschende hin­gegebenheit an den ewigen Rhythmus der Erde, das jubelnde Ja zu dieser Zeit interpunttieren das Geficht des deutschen   Arbeiters. Des Arbeiters, der seine Heimat nicht vergaß, die ihn als ihren Sohn enthob, des Arbeiters, der aus den vergitterten Gefängnissen dieser Zeit ausbricht und die Erde als fein herrliches Eigentum aus dem Füllforbe des unfagbaren und namenlosen Gottes nimmt.

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tönnen

Hin

und wieder lassen Einbrecher gewiffermaßen Visitenkarten an der Stätte ihres erfolgreichen Einbruchs: im zurückgebliebenen alten Rod findet man den Paß des Diebes natürlich behauptet er, der Baß sei ihm gestohlen, der Rock habe ihm nie gehört. Ueberhaupt: man gehe nur in den Gerichtssaal und höre zu, wie sich die Ange flagten verteidigen. Selbstverständlich: der Angeklagte darf selbst das Blaue vom Himmel herunterlügen das nennt man Selbst schutz. Aber unwillkürlich fragt man sich: ist er ein Idiot oder hält Der er die Richter und den Staatsanwalt für Idioten? allerdings, Verteidiger muß natürlich seinem Klienten glauben wenn es hinter seinem Rücken in dem Munde des Angeklagten zu bunt herzugehen beginnt, da bleibt ihm doch nichts anderes übrig, als eine gewiffe Distanz zwischen sich und ihm au schaffen. Schon

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