aus Gründen des gefunden Menschenverstands. Am schlimmsten ist es aber, wenn der Angeklagte sich vom Verteidiger nicht belehren laffen will, wie er seine Verteidigung einrichten soll. Ist er nicht flüger als feine Berteidiger? Schließlich wiffen ja auch seine Be rufskollegen im Gefängnis am besten, wie man sich auf der Anflagebant zu verhalten hat und haben ihn dementsprechend instruiert. So macht er es auch.
Die Dummheit des Verbrechers ist das Glück des Bürgers und der Polizei. Schön würden beide aussehen, wenn alle Diebe und Hochstapler intelligent wären. Es genügt fchon, daß manche von ihnen es sogar in sehr hohem Grade find. Die brauchen sich ja von diesen Zeilen nicht getroffen zu fühlen. Ihnen sollen ein anderes Mal einige warme gewidmet werden.
Goethes Honorare.
Goethe ist in der glücklichen Lage gewesen, daß er nicht auf die Erträgnisse seiner Schriftstellerei angewiesen war, um sein Leben zu fristen, aber nichtsdestoweniger oder vielleicht gerade deshalb hielt er recht fehr auf gute Honorare und hat besonders in seinem Alter stattliche Summen eingenommen, nachdem er als junger Mensch allerdings mit Verlegern und Nachdruckern schlimme Erfahrungen gemacht hatte. Das Kapitel der Beziehungen Goethes zum Buchhandel behandelt Dr. Frizz Adolf Hünich in einem Aufsatz„ Goethe und seine Verleger", der im neuesten soeben bei der Dieterichschen Verlagsbuchhandlung erschienenen„ Goethe- Kalender" steht. Der junge Leipziger Student trat zu den alteingesessenen Berlegern Reich und Breitkopf in nähere Beziehung, indem er in ihren Häusern gefellschaftlich verfehrte. Sein erstes selbständig erschienenes Wert, die Neuen Lieder" find zur Michaelismesse 1769 von Breitkopf veröffentlicht worden. Später aber gab Goethe, von seinem geschäftseifrigen Freund Merck dazu verleitet, im Selbstverlag heraus und machte damit recht schlechte Erfahrungen. Daß seine ersten fleinen Schriften, die ohne Namen des Verfassers erschienen, nichts ein brachten, ist begreiflich. Aber auch der Göz", der großes Aufsehen erregte, brachte so wenig, baß Goethe fich genötigt fah, Geld zu borgen, um das Papier zu bezahlen, worauf er ihn hatte drucken laffen. Er bemühte sich selbst um den Absatz des Dramas, schichte an gute Freunde Exemplare, aber den Gewinn hatten die Nach drucker. Immerhin war der Dichter jetzt so bekannt, daß der Leip ziger Verleger Weygand ihn um ein Manuskript ersuchte. Goethe hat bei ihm den„ Clavigo ", das„ Neueröffnete moralisch- politische Buppenspiel" und den Werther " erscheinen lassen. Der ungeheure Erfolg dieses Romans führte zwar zu Neuauflagen, aber auch hier verdienten nur die zahllosen Nachdrucker an der Beliebtheit der Dichtung. Goethe hat erst für die 1824 erschienene„ Jubiläums Ausgabe", die den 50. Geburtstag der Dichtung feierte, ein anständiges Honorar erhalten, nämlich 50 vollwertige österreichische Dukaten und 24 Freieremplare. Weygand hat übrigens, wie fast alle Ver. leger Goethes zu dessen Lebzeiten, von feinen Werken Doppeldrucke herstellen lassen, die meist nur an gara geringen Kleinigkeiten benntlich waren und von deren Dasein Goethe nie etwas erfuhr. Als er, der bereits berühmte Dichter, die ersten 10 Jahre seines Weimarer Wirtens faft vollkommen schwieg, da fielen die Nachdrucker über feine bereits veröffentlichten Dichtungen her, und besonders einer von ihnen, Himburg, hat durch Goethesche Verse eine unverdiente Unsterblichkeit erlangt. Daß er sich erbot, dem Dichter, an dem er so gut verdiente, als Geschenk etwas Berliner Porzellan und einige Süßigkeiten zu senden, fonnte dieser nur als schamlose Frechheit empfinden.
Wenn Goethe nach solchen Erfahrungen seinen Berlegern gegen über mißtrauisch und eigensinnig war, so ist das nicht zu verwun dern. Der Berliner Buchhändler Mylius Stöhnte darüber, daß er ihm für eine„ fo fleine und nicht so sehr interessante Pièce" wie die Stella" 20 Tafer zahlen sollte und meinte, er werde dann für das folgende Stück 50 Taler und für den" Faust" gar 100 Louisdors verlangen. Als sich Goethe dann zu einer eigenen Sammlung seiner Schriften entschloß, trat er mit dem Berleger Göschen in Verbindung, der ihm für die 8 Bände ein Honorar von 2000 Reichstalern in Louisdors zahlte, wozu Bertuch bemerfte:„ Sie haben die Schraube fehr scharf angezogen." Die gespannten Beziehungen zwischen Goethe und Göschen führten zum Bruch, als der Verleger es ablehnte, Goethes Metamorphose der Pflanzen" herauszubringen. Die Aus gabe seiner„ Neuen Schriften" ließ Goethe bei dem Berliner Joh. Fr. Unger erscheinen, der auch bereits den schönen Sonderdruck des Römischen Karnevals" gebracht hatte. In dieser Ausgabe wurde für den Druck von Wilhelm Meisters Lehrjahren" zum erstenmal bie so berühmt gewordene neue Schrift Ungers, die Unger- Frattur", verwendet. Als der Buchhändler Vieweg den Dichter um einen Kalenderbeitrag bat, bot er ihm„ Hermann und Dorothea " an; das von ihm geforderte Honorar nannte er in einem versiegelten Billett und bat den Unterhändler Böttiger, das Billett erst zu öffnen, wenn der Verleger sein Angebot gemacht habe. Sollte die Forderung Goethes höher fein, fo sei das Geschäft abzulehnen. Goethe hat diefe eigenartige Form der Verhandlung noch öfters gewählt. Viewegs Gebot traf mit Goethes Forderung genau zu fammen, und so erhielt er für Hermann und Dorothea " die bedeutende Summe von 1000 Tater in Gold. Vieweg fam aber auf feine Roften, indem er das Büchlein fehr reizvoll ausstattete und da es hauptsächlich für Damen bestimmt war, ein Messerchen und eine Schere als Zugabe beifügte. Durch Schiller kam dann Goethe mit Cotta in Verbindung, dem er bis zu feinem Lebensende treu blieb. Von Cotta hat er hohe Honorare empfangen, so für die
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ersten 40 Bände der Ausgabe letter Hand ein Grundhonorar von 60 000 Reichstalern. Freilich war damals Goethe bereits von Ber legern sehr gesucht. Der Breslauer Buchhändler Max soll ihm 110 000 Zaler für diese Ausgabe, Brockhaus 70 000 Taler, der Web marer Buchhändler Hoffmann 50 000 Gulben mehr als Cotta ge boten haben.
Wie Malte, der Knecht, sich malen ließ.
Von Hubert Lastari.
Gegenüber von Lauterbach , bem ffeinen, eine halbe Stunde von Putbus entfernten rügenschen Küstenorte, flegt eine feine Insel, die der Vilm heißt. Mit dem Dampfer, der in den Sommer monaten dort verkehrt, ist der Vilm in etwa einer Biertelstunde von Lauterbach aus zu erreichen und deshalb heute auch, nachdem dort im Ausgang des vorigen Jahrhunderts ein Hotel erbaut wor ben ist, dank seinen reichen landschaftlichen Schönheiten eine be liebte Sommerfrische Im Winter jedoch schlummert das im übrigen unbewohnte Infelchen in einer weltentrüdten Märcheneinsamkeit. In früheren Jahrzehnten veranstaltete der Fürst von Putbus , der Besitzer des Wilm, gelegentlich Jagden auf der Insel. Auf seine Anordnung hin hatte die Pflanzenwelt auf dem Bilm einen richtigen Urwaldcharakter beibehalten. Im fürstlichen Saale, der neben dem Forsthaus erbaut worden war, wurde dann immer ein kleines Jagdfrühstück eingenommen. Der Eaal und das Forsthaus stehen noch heute und sind den Baulichkeiten des Hotels angegliedert. entdeckten einige Maler die eigenartigen landschaftlichen Reize bes Etwa gegen Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Bilm und nahmen, angezogen durch den majestätischen, wild wuchernden Baumbestand, die jäh zum Meere abfallende Dünen bildung und den lieblichen Strand mit feirem weiten Ausblick auf den Greifswalder Bodden , Aufenthalt auf der Insel, um hier, fern von Zivilisation und Badereifenden Anregungen für ihr Schaffen zu suchen. Es war ein sehr fröhliches Künstlervölkchen, das damals füllte. Die mit fedem, schmiffigem Schwunge auf die Kalfwände des Die Weltabgeschiedenheit des Bilm mit seinem heiteren Treiben er fürstlichen Saales hingeworfenen Malerien zeugen nod) heute, nur wenig verblaßt, von den ersten Sommergästen des Bilm. Inmitten der erhabenen Urwaldromantik hatte einer der Maler einen ungefügen, aus rohen Steinblicken aufgeschichteten Backofen entdeckt, der fast wie ein Opferaltar aus heidnischer Vorzeit anMater ein überraschend wirkungsvolles Motiv. Um dem Bilde, das mutete. Der Backofen mit seiner phantastischen Umwelt bot bem daraus entstehen follte, jedoch die rechte Lebendigkeit zu verleihen, mußte noch ein Modell gefunden werden, ein Mann, der vor dem Backofen stand und gerade im Begriff war, den fertig gefneteten Brotteig hineinzuschieben.
Schließlich verfiel der Maler auf Malte den Knecht aus dem Forsthause. Der wehrte zunächst mit fomischem Entfeßen ab. Wie fönne er, ein gewöhnlicher Knecht. sich von so einem berühmten Künstler malen lassen! lieberhaupt fei er den ganzen Tag beschäf tigt und habe keine Zeit, noch Modell zu stehen.
Der Maler redete ihm gut zu Gerade Malte sei für sein Bild am besten geeignet. Er wolle das Bild am Sonntag malen, wenn Malte freie Zeit habe. Malte brauche michis weiter zu tun, als nur in einer bestimmten Haltung und Gebärde vor dem Backofen zu stehen. Und als der Knecht sich noch immer bedenklich acigte, fagte ber Maler mit Nachdruck:„ Sie bekommen eine Mark fünfzig für die Stunde."
Dem Knechte verschlug der freudige Schred beinahe die Sprache. Bloß dastehen sollte er und dafür so einen Haufen Geld bekommen? Als der Maler aber ganz ernsthaft sein Angebot bestätigte, fonnte Malte der Lockung nicht mehr widerstehen. Es wurde verabredet, daß der Knecht sich am nächsten Sonriag, vormittags um 9 Uhr, vor dem Backofen einfinden möge.
Der Maler tam zur festgesetzten Stunde nach der vereinbarten Stelle und bemerkte schon von ferne mit steigendem Berger, daß ein elegant gekleideter Herr vor dem Backofen auf und ab ging. Der unwillkommene Störenfried mußte unbedingt entfernt werden. Auf einmal wandte sich der Herr dem herantretenden Maler zu, und der Maler blickte verblüfft in das freudestrahlende Geficht des Knechtes. Wenn einer sich mal n läßt, hatte Malte gedacht, so ist das min. destens ein ebenso festliches Ereignis, als wenn einer sich photographieren läßt. Schon in aller Herrgottsfrühe hatte er ein Gegelboot nach Lauterbach losgemacht, war nach Putbus gewandert, hatte sich von seinem dort wohnenden Schwager einen piffeinen Sonn tagsanzug ausgeborgt und sich vom fürstlichen Hofbarbier rafieren und frisieren lassen. Und jetzt mar er bliksauber genug, um sich von Künstlerhand verewigen zu lassen.
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Der Maler fonnte ein helles Lachen nicht unterdrücken. Es wurde ihm sehr schwer, dem Knechte begreiflich zu machen, daß er ihn gerabe nur in seinem Alltagskittel Je schäbiger und ver staubter, desto besser als Modell gebrauchen könnte. Maltes Ge ficht wurde länger und länger. Schließlich packte ihn die But, und er fuhr heraus, der Maler habe ihn nur zum besten haben wollen, und er habe die ganze Geschichte fatt, und der Maler möge sehen, woher er ein Modell bekommen fönne.
Der Maler hat den Knecht aber schließlich doch noch so, wie er ihn haben wollte, auf sein Bild betonimen. Es war ein schweres Stück Arbeit nicht für den Maler, aber für den Knecht. Und als das Bild endlich fertig geworden war, entrang sich Malte der Stoßfeufzer:
,, Lieber will ich für eine Mart fuffzig zehn Stunden lang schuften als eine Stunde lang stillstehen."