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Das Haus.

Bon M. Krüger.

Rembrandt schlenderte durch Amsterdam . Vor den Türen ftan­den die jüdischen Händler und riefen ihn an. Sie fannten feine Borliebe für alte Waffen, schweren Frauenschmuck und zierlich ge= webte Stoffe. Er blieb auch stehen, betrachtete, bewunderte, faufte aber nicht. Münzen genug flapperten in seiner Tasche, aber es er­schien ihm heute zwecklos, irgendetwas dafür einzutauschen. Wohin damit? Daheim wußte er sein blondes Weib Softia, dem schwerer Faltenwurf und kösliches Geschmeide wie einer Prinzessin zu Ge­fichte stand; doch ihr Heim war ihnen nicht zu eigen, sondern einer alten, zäntischen Bettel abgemietet. Es war zu eng geworden für fie beide, für den vornehmen Besuch, der mit Aufträgen zu dem berühmt gewordenen Maler fam, für die geschnitten Möbel und fließenden Stoffe, die sich um das junge Paar gehäuft hatten. Darum war das Begehren des sinnen- und befizesfrohen Mannes auf ein eigenes Haus gerichtet, das, geräumig und schön, Plaz. genug für die vorhandenen und zukünftigen Güter bot und das er nach Herzenslust verändern und schmücken durfte.

In solche Gedanken vertieft, strebte er dem Ufer des Kanals zu. Dorthin hatte es ihn schon oft getrieben, wenn ein fünstlerisches Geficht in ihm nach Erlösung strebte. Sinnend schritt er dann unter den Eichen der Bollwerte entlang, bis die quälende Unruhe in ihm verging und Klarheit sich ausbreitete. Heute betrachtete er aufmerk­famer denn je die Häuser, die sich Kaufherren und Schiffsführer an Den Wasserstraßen errichtet hatten. Stundenfang ging er prüfend auf und ab und blieb schließlich vor einem Hause stehen, vor dem sein Schritt schon oft gezögert hatte. Der eiserne Klopfer schlug hallend an die gefchnitte Tür. Bon drinnen tamen ein schlurfender Schritt und das Aufstoßen zweier Krücken lannfam heran. Dann öffnete fich langsam die Tür. Vor dem Künstler stand ein altes Männlein, die ausgedörrten, verkrümmten Glieder in ein langes und weites, faywarzes Gewand getaucht, auf dem Schädel eine randlose, schwarze Filzhaube. Er stand auf den Krücken und einem Bein mit verkrüppeltem Fuß, von der Hüfte baumelte das andere Bein, an dem der Fuß und der halbe Unterschenkel fehlten. Das Gesicht des Alten war von langem schwarzen Haar umrahmt, durch das sich ebenso viele weiße Fäden zogen. Die Züge waren ausgeprägt, schmal und fein, die Augen groß und leuchtend. Rembrandt stellte seine Frage: er fei auf der Suche nach einem eigenen Hause, dieses habe schon immer feine Aufmerksamkeit erregt, ob der Befizer zufällig Neigung versnüre. es zu verkaufen?

Anstatt zu antworten, führte ihn der Alte herum, zeigte ihm Ian am jeden Raum. Unter den franken Raubtieraugen des Krüp­pels schritt der Maler wie in einem Traum. Sie fommen in ein Rimmer, das in grünes Licht getaucht ist von den Bäumen des Gartens, auf den es hinausgeht. Im Erfer steht ein Kinderwägel­chen, vor der Truhe fniet eine Frau, in coldbraune Side gehüllt und zieht weißes, zartes Linnen heraus. Ist das nicht Saftia? Sie eilt auf das Kinderbettchen zu und nimmt das fröhlich krähende Bübchen auf den Arm. Was bedeutet das? Hat Saffia nicht die drei Kinder, welche sie ihm geboren hatte, wieder hingeben müssen? Sollte ihnen noch einmal das aroke Glück beschieden werden?

Sein Schritt taumelt auf das Weib mit dem Kinde zu, aber als ob ihm der Boden unter den Füßen weggedreht sei, steht er an der Schwelle eines großen, schwarz ausgeschlagenen Saaies. Wachskerzen leuchten in das Totengesicht Soffias. Er selbst friet bei der Bohre und drückt sein tränenfeuchtes Geficht in das starre, glitzernde Gewand der Toten. Rings herum steht schweigend das Trauergefolge und der Prediger hebt seine Arme mit den weiten Talarärmeln wie die Schwingen eines Adlers.

Als Rembrandt den Kopf hebt, ist er im Atelier des Hauses. An den Wänden hängen foftbare Teppiche, altmodische, verschliffene, malerie Trachten, Brofat, Waffen. Ein Gewimmel von Menschen erfüllt den Raum. Staunend geht er durch sie hindurch. Da stehen alte biblische Gestalten neben Schüßen, Goldwiegern, Philosophen, fchmutzige Bettlerfamilien neben den Würdenträgern Amsterdams, Prediger und Rabbiner, Judenbräute und Greife; ein schönes, derb­frisches Frauenbild und sich erblickt er auch in der bunten Menge. Aus dem großen Atelier kommt er in die Küche. Dort hantiert dasselbe junge, nefunde. Bauernweib mit spiegelnden Kupferpfannen; er sieht auch, daß sie ein Kind unter dem Herzen trägt. Saffias Sohn aber, ein hübsches, zartes Kind von vielleicht acht Jahren, spielt auf den Fliesen mit einem gelben Hündlein.

Dann verwandelt sich die blikende Küche in ein kleines Kontor. Der Tisch ist mit Blättern bedeckt. Der Maler nimmt sie in die Hand und lieft. Da ist ein Inventar des Hauses, eln Inventar der Gemälde, eine Liste der Geräte. Marmorbilder, Bronzen und Waf fen, Borzellone. Gläser, Edelsteine, Perlen und Seltenheiten aller Art. Aber daneben lient eine lange Schuldenliste des berühmten Malers und die öffentliche Ankündigung der Zwangsversteigerung eines schönen Hauses.

Er eilt hinaus, um dem quälenden Eindruck zu entfliehen und die Straße zu gewinnen. Aber sein Schritt schleicht so mähsam, als hielten ihn alle Leiden und Sorgen zurüd, die ein Haus bergen fann. Neben ihm weint sein zweites Weib, feine Hand umklammert de reiiährine Töchterlein, das sie ihm cefchenkt hat, und Saftias Sohn, zum Jüngling herangewachsen, führt das Kind bei der anderen Hand. Sie sind Verstoßene von Heim und Herd, fie werden aetrennt, a. die Mauern gedrückt, geschmäht und zur Flucht angetrieben von denen, die hinausschleppen, woran ihr Herz hing. Schränke und Truhen, Gemälde und feuchtende Teppiche.

Als die schwere, eichene Tür hinter Rembrandt zugedonnert war, wich der Druck allmählich von ihm. Er war wieder allein, er war noch jung, sein Name hatte einen guten Klang und zu Hause ere wartete ihn sein blondes Weib Saskia Sie zog ihm lächelnd eine Urkunde aus der Tasche, nach welcher er endlich ein eigenes Haus erworben hatte.

Als blinder Passagier nach Cuba .

Bon Franz Antoni.

Mein Bruder war auf einem Frachtdampfer, der nach Cuba fuhr, als Matrofe gemustert; so entschloß ich mich, mit ihm blind" noch Cuba zu fahren, um einmal ein schönes Stück der Welt zu sehen. Ich kannte die Schwierigkeiten, die sich einer solch abenteuerlichen Reife in den Weg stellten, nicht. Ich stellte mir die ganze Sache als ein Kinderspiel vor, sollte jedoch bald eines anderen belehrt werden. Hafen. Das Schiff war schon tief geladen, die Winschen rasselten Der große Frachtdampfer Raimond" lag am Pier im Bremer unaufhörlich, gewaltige Kisten und Eisenschienen verschwinden in dem großen Schiffsbauch. Es war der vorlegte Tag. Am nächsten Mittag sollte das Schiff in See gehen. In der Nacht mußte es gewagt werden, an Bord des Schiffes zu kommen, und sich zu ver­stauen. Durch die Hilfe meines Bruders gelang es mir, mit dem Ausweis eines Schiffskollegen in den Hafen zu kommen. An dem Fallrep des Dampfers stand ein Wachmann; furz entschloffen enterte ich an einem Tau vorne hoch und befand mich bald auf dem Border. deck. Mein Bruder brachte mich in das Mannschaftslogis. Ich machte mir ein Versteck unter der Koje meines Bruders zurecht; jedoch nicht lange sollte ich hier bleiben.

Mergens gegen 10 Uhr die Ladung war beendigt wurde das ganze Schiff nach ,, Blinden " abgesucht. Denn auf der vorigen Reise gelangten elf Blinde nach Cuba , so daß der Kapitän diesmal vorsichtiger war. Im Heizraum, unter den Flurplatten, in den Kohlenbunkern, in den leeren Feuerlöchern eines Refeffels wurde alles abgeleuchtet mit dem Erfolge, daß drei Bive" aus den Kohlenbunkern und einer aus dem Feuerloch gezogen und so. gleich an Land gesetzt wurden. Mein Bruder stürzte in das Logis mit dem Rufe: Sie fommen, raus!" Er steckte mich dann in den Kleiderschrank, jedoch konnte er dann nicht mehr ganz gefchloffen werden. Wieder raus aus dem Schrank ein rettender Gedanke durchzuckte mich plötzlich: Ich sprang schnell der Koje zu, legte mich in das Bett meines Bruders, widelte mich fest in eine Decke und Schnarchte. O Frechheit, steh mir bei! So gelang es mir, als einziger " Blinder" mitzufahren. Als ich. des Rasseln des Anters hörte, atmetė ich auf. Endlich setzte sich der Dampfer in Bewegung, hinaus in die See!

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Jedoch nicht lange hielt meine gute Stimmung an; es wehte eine starte Brise, haushohe Wellen türmten sich auf, fodaß das Schiff start schlingerte. Die Seekrankheit erschien an Bord und viele von der Mannschaft opferten dem Meergotte Neptun an der Reeling ihren zollpflichtigen Tribut. Man konnte kaum gerade stehen und torfelte wie ein Betrunkener von einer Seite nach der anderen. Auch ich blieb von der Geekrankheit nicht verschont, jeder Bissen wider­stand mir; ich verwünschte die Stunde, die mich an Bord brachte. Zehn solcher Schreckenstage gab es für mich, dann wurde die See zeigte sich. Nachts machte ich Mondscheinpromenaden auf dem Vorder­spiegelglatt, denn die Sonne schien mild, und ein blauer Himmel deck, um frische Luft zu schöpfen. Lebte vier Wochen so als Blinder", hatte gutes Essen, frische Luft; am Tage machte ich mich im Logis beim Geschirrwaschen behilflich. Endlich nach 24 Tagen wurde Ha bana erreicht. Ich gina mit meinem Bruder bei Tag an Land und bewunderte die schöne Weltstadt. Nach einigen Tagen ging es weiter nach Matanzas , wo Zucker geladen wurde. Hier sollte mich das Schicksal ereilen.

Eines Morgens beim Geschirrwaschen erschien der zweite Steuer. mann, um einen von der Arbeit weggelaufenen Matrofen zu holen. Ich sprang schnell in eine Ecke, jedoch hatte er mich schon erblidt, stellte mich zur Rede und holte den Kapitän. Ihm erklärte ich, daß hier an Land feme Arbeit und ich deshalb in Matanzas an Bord gekommen sei und mitfahren wolle. Davon wollte er nichts wissen und brachte mich mit einem Motorboot an Land, wo er mich laufen ließ. Eine Nacht brachte ich in einem Zuckerrohrwaggon zu, wo mich die Moskitos zerstachen. Die andere Nacht holte mich mein Bruder in den Kohlenbunker. Es sollte jetzt nach Cienfuegos gehen, das auf der anderen Seite Cubas liegt. Acht Tage Fahrzeit. Hohe Kohlen­berge befanden sich in dem obersten Kohlenbunker, worin ich mich einbaute. Tiefe Finsternis umgab mich, eine furchtbar schwüle Luft atmete ich ein. Auf das Deck herab, unter dem ich lag, brannte die Glutsonne Cubas. Nur mit einem Hemd befleidet; lag ich auf einer Decke in den Kohlen, eine harte Lagerstätte! Ich erhielt nichts anderes als Kaffee. Tee und Brot, so gefährlich fand es mit der Merprovion. tierung. So brachte ich acht furchtbare Tage in dieser Hölle zu. Die letzte Nacht brach an, mein Bruder brachte mir diesmal Effen, da ich mich sehr schwach fühlte. Der erste wachhabende Maschinist, der öfters die Kohlen mak, muß ein Geräusch beim Effen gehört haben, so daß er Berdacht schöpfte und mich rief. Ich troch immer weiter nach hinten, er mir nach und holte mich schließlich heraus. Der Ka­pitän weiterte niht wanig über meine Hartnäckigfeit mit feinem Schiffe weiterzufahren. J Cienfuegos blieb unfer Schiff in der Bucht liegen. Nachts liegen wir uns von Freunden an Land rudern, was wir beinahe mit unsee bet hätten bezahlen müssen, do durch die hohe See das Bot winche gefentert wäre. Adieu Raimond"! Fahre wohl!