Wissen und Schauen
Wunder. Unfer Leben ist der Wunder voll, ohne daß wir es merken. Freilich nicht in dem alten Sinne, daß Dinge geschehen, die dein Naturlauf gerade zuwider sind, aber es gibt hunderterlei Dinge, die scheinbar den sonst bestehenden Naturgesetzen widersprechen. Fein verteilte Körper, die man in eine Lösung von Gelatine, Kolodium ujw. hineinbringt, finfen naturgemäß zu Boden, selbst wenn sie so leicht sind wie etwa fohlenjaurer Stall. Spezifisch schwere Körper aber, wie Bremsilber und Chlorsilber, bleiben schaveben und ermöglichen erst dadurch die Herstellung photographischer Emulfionen. Freilich weiß die physikalische Chemie eine Erklärung für diese Eigenschaft zu geben, aber wird sie dadurch weniger wunderbar? In der Koloid. chemie( das ist die Lehre von den feinst verteten, nicht aufgelösten festen Körpern) rechnet man damit, daß ein Körper um so weniger leicht veränderlich ist, je größer seine Teilchen sind, in der Photographie fommt man nur dadurch zu höchstempfindlichen Platten, daß man die Emulsion reifen" läßt, wodurch die Teilchen gröber werden und leicht vom Lichte verändert. Ist nicht überhaupt die ganze Licht empfindlichkeit ein Wunder? Die ganz unmeßbar geringe Energiezufuhr durch den Lichtstrahl, die von vielen Millionen Bromsilber, molekülen nur ganz wenige verändert, macht die ganze Platte lichts empfindlich, bewirtt gegenüber einem chemischen Reagens, wie es der Entwickler darstellt, ein vollkommen anderes Verhalten.
Und bei der Belichtung selbst, wie wunderbar geht es da zul Während Silber sonst nicht übermäßig haltbar ist, sind diese unendlich feinen Silberfeime, die bei der Belichtung gebildet werden, jahrelang unverändert haltbar. Auch die Haltbarkeit der fertigen Bilder selbst, die doch aus ganz fein verteiltem Silber bestehen, ist erstaunlich, hat man doch heute noch in den sechziger Jahren angefertigte Papier bilder, die vollkommen frisch find. Papiernegative hat man jogar noch aus älterer Zeit. Dabei ist Papier ein so empfindliches Reagens, selbst gegenüber destilliertem Wasser, daß man staunen muß, daß Bilder darauf überhaupt möglich find. Es gibt ein Geheimschrift verfahren, das besteht darin, daß man mit destilliertem Wasser auf Papier schreibt und dieses Papier später in eine Lösung von Höllen stein taucht und dem Lichte ausseht. Die Ränder der Schrift färben fich darn dunkel, weil das deftillierte Wasser die unendlich feinen Spuren von Rechfalz aus dem Papier herausgezogen hat, so daß fich mit dem Höllenstein Chiorsilber bildet, des fichtempfindlich ist. Wie ist es bei solcher ungeheuren Empfindlichkeit möglich, daß die Industrie der photographischen Papiere uns ein immer sicher arbeiten des Erzeugnis liefert? Wer zu schauen und aufzumerken versteht, dem begegnen auf Schritt und Tritt mehr Wunder als dem ungläubigen Thomas. Dr. H.
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Naturwissenschaft
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Weshalb haben mande Tiere Schnurrhaare? Gewiß haben fchon viele Tierbeobachter über diese Frage nochgedacht, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen. Deshalb wird es fie intereffieren, wie der fürzlich verstorbene Tierforscher Th. Zell diefe Erscheinung erklärt. In feinen Streifzügen durch die Liermelt" hat er sich darüber, wie über eine Menge anderer Fragen des Tierlebens ausgesprochen. Schneidet man einer Haustage die Schnurr haare ab, sagt er, so fann man beobachten, daß sie von einer mert würdigen Unsicherheit befallen wird. Die Schnurrhaare sind näm= lich für sie der Maßstab, ob sie durch eine Deffnung mit dem Leib noch hindurch fann oder nicht. Stößt sie nicht mit ihnen an, so geht es, ander falls wäre ein Versuch zwecklos. Für ein Schleichraubtier, das alle Winkel und Löcher nach Beute durchfudit, ist es natürlich eine Lebensfrage, ein solch unfehlbares Instrument stets bei sich zu führen. leberhaupt ist für alle Schleichraubtiere im Gegensatz zu den Laufraubtieren das Borhandensein von Schnurrhaaren Lebensfroge. Es befihen demnach Schnurrhaare: Löwe, Tiger, Jaguar, Leopard, Luchs, Fuchs, Marder, Hits, Wiesel usw. Ebenso alle Pflanzenfresser, die sich in Gebüsch oder enge Höhlen retten, also bas große Heer der Nager, wie Rotten und Mäufe, ferner Eichhörnchen, Hafelmaus, Biber, Hamster, Hale, Kaninchen, natürlich auch die Verfolger, wie Spihmaus oder Wiesel. Alle Pflanzenfreffer, die nicht in diefer Weise flüchten, haben auch keine Schnurr haare.
Sprachkunde
Eine Untersuchung über die Unverständlichkeit der Fremdwörter. Daß die Fremdwörter dem überwiegenden Teil des deutschen Boltes weniger verständlich find als das beimische Spradgut, ist gewiß teine neue Feststellung; es ist aber sicherlich nicht ohne Wert. einmal in zahlenmäßiger Untersuchung festzustellen, wie weit die einzelnen Volksschichten, insbesondere d'e Hand- und Kopfarbeiter, im Verstehen der Fremdwörter etwa ausgesprochene Unterschiede erkennen Icffen. Eine solche Untersuchung hat Dberstudienrat Dr. Bergmann in Darmstadt im Anschluß on deutschfundliche Lehrgänge, die von der dortigen Volkshochschule in der Stadt und auf dem Lande abgeholten wurden, unlängst vorgenommen und über die beachtenswerten Ergebnisse im letzten Heft der Zeitschrift des Deut schen Sprach vereins berichtet. Einige deutsche Sätze wurden ausgeschrieben, in denen sich fe ein Fremdwort befand, und dann wurde den Zuhörern aufgegeben, die Bedeutung dieser Fremdwörter der Reihe nach anzugeben. Die Fremdwörter lauteten: ratifiziert, Transporimonopol, Koalition, divergierend, umqualifizierbar, Interpret,
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utopistisch, vag, Siruftur, Kompilation, Sarkasmus, Autodidakt, Praktiken, analog und Anachronismus. Das Ergebnis war nun, daß von den eingereichten Antworten im ganzen bei den Bureaus angestellten 41 v. H., bei den Handarbeitern 73 v. 5., bei den Per Zöglingen einer höheren fonen mit höherer Schulbildung fanden den Fremdwörtern also fast hilflos gegenüber, bei den städti Mädchenschule- 37 v.. falsch waren. Die ländlichen Teilnehmer fchen Bureauengestellten halten sich verstehen und Nichtverstehen annähernd die Wage, aber auch bei den Schülerinnen mit höherer Schulbildung war noch ein auffallend großer Hundertsah falscher Lösungen festzustellen. Im einzelnen wurde beispielsweise aufgefaßt: Autodidakt als selbständig, sprachschöpferisch, Berbild, beschlagen: Autodidakt als selbständig, sprachschöpferisch, Vorbild, beschlagen: Sarkasmus als fritisch, Heilmittel, Energie, gleichgültig, roh, Trans portmonopol als Verkehrsmittelpunkt und Beförderungssteuer; der vage" Verdacht war ein niederträchtiger Verdacht;„ analog" wurde als umlogisch, finnwidrig gedeutet. Diese Ergebnisse und Fest ftellungen reden gewiß eine deutliche Sprache; sie zeigen mit aller Eindringlichkeit, welch ein Wirrwarr durch das vermeintlich all gemeinverständliche Fremdwort fast immer in einem großen, ja dem größten Teil der Hörer und Leser angerichtet wird.
Kulturgeschichte
Unsere Urhausfiere. Wir wissen heute, daß das Menschen geschlecht weitaus älter ist, als man noch vor wenigen Jahrzehnten angenommen hat, und daß seine ältesten Spuren bis in die Lertiär zeit zurückreichen. Wir wissen ferner, daß die Menschen der legen Eiszeit bereits einen verhältnismäßig hohen Grad von fünsterischer Kultur besaßen; das zeigen die Zeichnungen, die man zu Ende der siebziger Jahre in der berühmten Höhle zu Altamira in Nordspanien gefunden hat. Hier haben die Menschen der Vorzeit, die Tiere ihrer Epoche mit erstaunlichem Geschick auf den Felswänden verewigt; man fan freilich annehmen, daß alle diese Tiere damals noch ungezähmt waren und nur gejagt wurden. Die Frage, welches die ersten Haustiere gewesen sind, ist trotzdem nicht leicht zu beantworten. Möglicherweise war es das Renntier , das in Mitteleuropa zu Ende der Steinzeit lebte; dem scheint aber die Wahrnehmung zu widersprechen, daß es sich hier um ein reichlich dummes Geschöpf handelt, das auch die Lapplander heute nur ge brauchen können, wenn sie sich der Unterstützung der Hunde bedienen. Man darf deshalb auch annehmen, daß es der Hund ge wesen ist, der zuerst an den Menschen gewöhnt und von diesem dressiert wurde. Das beweisen auch die zahlreichen Hundeknochen, die man bei den Ausgrabungen von Gräbern aus der Steinzeit gefunden hat. Er war in dieser Zeit überaus weit verbreitet, und zwar war es eine Rasse von einem Wuchs, die on unsere Jagdhunde erinnert. Zu Beginn des Bronzezeitalters erscheinen in Italien größere Hunde, die darauf hinweisen. daß man eine neue Hunderasse zu züchten wußte. Erst am Ende des Bronzezeitalters tauchten die Windhunde und die Bulldoggen als bemerkenswerteste Rasseneuheiten in die Erscheinung. Das Pferd ist im Bronzezeit alter zweifellos schon häufig vorhanden gemefen. Seine Zähmung geschah aber erst in späterer Zeit. Das geht auch daraus hervor, daß alle Worte, die auf die Pferdezucht bezug haben, in den Sprachen der Völker des Westens aus dem Sanskrit stammen, das heißt, aus einer Sprache Mittelafiens, einer Gegend, in der auch noch heute wilde Pferde leben. Zum Haustier ist das Pferd demnach in Mittelafien erzogen worden, und das gezüchtete und dreiflerte Tier wurde dann nach Europa und in den fernen Often eingeführt, vermutlich in der Zeit des Bronzezeitalters. Schweine wurden zweifellos schon in der Steinzeit gezüchtet. Der Büffel stammt wahrscheinlich von jenem Büffel ab, der heute nur noch in Korsita und Sardinien lebt. Im Bronzezeitalter erscheint auch das„ Bos frontosus", der Urvater unserer Rinder.
Technik
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Ein Konservierungsmittel für Tropenfrüchte. Einem auf Java anfäffigen Holländer, Dr. Cramer, ist es gelungen, eine nicht nur erfolgversprechende, fondern auch sehr einfache Methode zur Konfer vierung von Tropenfrüchten zu finden. Bisher war es einfach unmöglich, außer den an sich haltbaren Südfrüchten die herrlichen Er zeugnisse aus Indiens Gärten, von den Südseeinseln usw. nach Europa einzuführen, da der lange Transport, Trockenheit und Fäulnis dem Versand hindernd im Wege standen. Das Verfahren Dr. Cramers besteht darin, die zum Europa - Bersand bestimmten Früchte mit einer Gummihaut zu versehen, die dadurch her. gestellt wird, daß die Früchte einige Minuten in einen Gummisaft gelegt und dann zum Trodnen aufgehängt werden. Sie werden dadurch von einer dünnen Gummischicht umgeben, die als lustdichte Hülle den Gärungsbafterien und Echimmelpilzen den Zugang un möglich macht, jedoch weder den Geschmack noch die Form der Frucht verändert. Der Gummilöfung ist ein Ammoniumschwefelpräparat beigesetzt, das den Saft lonserviert und ein Gerinnen oder Erstarren unmöglich macht. An ihrem Bestimmungsort werden die Früchte dann von der Gummihaut befreit, was sehr einfach vor sich geht. Ein leichter Einrig genügt, um die Haut von da aus leicht herunter. ziehen zu fönnen. Der Versuch, frische javanische Erdbeeren, bie bekanntlich am meisten empfindlichen Versandfrüchte, in dieser Ronfervierung nach Europa zu senden, ist glänzend gelungen. Der Bersand soll nun in dieser Weise aufgenommen werden, so dak der europäische Martt in nächster Zeit von unbekannten Wunderfrüchten überrascht werden dürfte.