Jugend- Vorwärts
Nummer 8/ Sonnabend, den 26. August 1922
Es ist vielleicht nicht ganz uninteressant, diese beiden Er
Militär- Christentum.
Von Hermann Rüstig. Wer im eiligen Lauf zu seiner Arbeitsstätte strebt, bleibt wohl
Der„ Jugend- Vorwärts" ist ein Diskussionsorgan der sich um reine Erziehungs, nicht Bildungsarbeit handelt, aus Arbeiter- Jugend und der Jungsozialisten. Es fönnen hier ge- der Jugendbewegung herausgraulen". Aber dieser Schluß wäre legentlich auch Meinungen zum Ausdrud fommen, die dem falsch; denn es gibt auch Erwachsene, die durchaus geeignet sind, das Standpunkt der Partei nicht vollkommen entsprechen. Die Amt eines Jugendleiters zu bekleiden. Redaktion trägt daher für den Inhalt dieser Beilage nur die wachsenenfategorien einander gegenüberzustellen; denn in der Tat auch einmal vor einer Buchhandlung stehen. Unter den vielen Buch: prefgesetzliche Berantwortung. Redaktion des„ Vorwärts". muß es sich um zwei in ihrer Stellung zur Jugend grundverschiedene handlungen meiner Baterstadt gibt es sogar einige., christliche", und Kategorien handeln. Worin besteht nun dieser Unterschied? Offener Beit hat, die Auslagen einer dieser Buchhandlungen zu bebar ist er in einer verschiedenartigen Methode der Behandlung wundern, der findet so mancherlei. Zuerst einmal heilige Männer
Der Geist des Görlitzer Programms. Sugend zu suchen, die auf der verschiedenen Einstellung der Jugend
Von Kurt Wegner.
Vor einigen Monaten war in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik" aus der Feder Paul Kampffmeyers ein Aafjaz zu lesen, der sich mit dem Geift des neuen Programms der Sozialdemokratie befaßte, und jetzt in erweiterter Form als Broschüre auf den Markt fommt.*)
Neben den Programmfommentaren Stampfers und Bernsteins verdient dieses Büchlein besondere Beachtung. Mit der ihm eigenen Gründlichkeit zeichnet Kampffmeyer den historischen und wissenschaftlichen Hintergrund des Programmis auf, sfizziert die fozialistische Weltanschauung und rollt von Lassalle angefangen, die beständig wachsende Macht der Arbeiterklasse auf, um zu zeigen, daß diese Macht eine fittlich und geistig erfassende Kulturbewegung ist. Von Erfurt bis Görlig betrachtet Kampffmeyer den Weg, unter sucht die ökonomischen Grundlagen und beweist die notwendige Umstellung zum Pofitiven, wie es ja die Forderungen des Görliger Programms zeigen. Die Sozialdemokratie ist von Erfurt bis Görlig eine andere geworden. Ihre Tätigkeitsfelder sind um bedeutendes erweitert; an Stelle der Kritik steht die Tat. So müssen die praktischen Gegen wartsfragen ausführlicher festgelegt und geschlossener umriffen werden, als es vorher nötig war. Aber neben allen diesen Fragen. nimmt der ethische Einschlag einen weit bedeutungsvolleren Blaz ein, als je zuvor. Der Geist des sozialistischen Gemeinfinns foll die Menschheit erneuern. Stampfer fagt, daß wir zum Sieg des Sozia lismus den sozialen Menschen brauchen. Und Kampffmeyer fährt dann fort:
beruht. Während nämlich die eine Art der„ Jugendleiter" mit aller ihr zu Gebote stehenden Macht versucht, der Jugend ihren Willen aufzunötigen, die Jugend nach ihren Grundfößen zu„ regieren", der Jugend schon jetzt feste Form zu geben, läßt es die andere Kategorie dabei bewenden, der Jugend Raum zu gewähren, die Jugend sich austoben" zu laffen, wohl wissend, daß auch dieses Stadium über wunden werden wird, und daß es nur darauf ankommt, die Jugend vor Unheil zu bewahren.
Während die einen als fleine Despoten vor die Jugend treten, jeden Augenblick im Begriff, mit einem Donnerwetter dreinzuschlagen, kommen die anderen als wahre, verständnisvolle Freunde zu ihr, gern bereit, in jedem Falle der Jugend zur Seite zu stehen, ohne fich jedoch ihr aufzudrängen. Und solche Leiter braucht unsere Jugend: sie darf gar nicht merken, daß sie geführt wird. Damit foll jedoch nicht gesagt sein, daß die Leute am besten zu JugendTeitern geeignet wären, die recht gute Demagogen sind, sondern Leute, die die Jugend eben Jugend fein laffen, die die ganze Jugenderziehung von einer böheren Warte aus betrachten und nicht jede Ungezogenheit als persönliche Kränkung auffaffen. Und nur solche Beiter fönnen zu Freunden der Jugend werden, fie find in ihren Reihen immer gern gesehene Gäste, denen die Jugend fast blindlings folgt: sie wirken durch sich selbst.
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Nach alledem dürfte flar sein, daß es zwei grundverschiedene Arten von Jugenterziehern gibt: die eine, die Autorität sein will und mit aller Macht versucht, sich Geltung zu verschaffen fie wird bei der Jugend nie Lorbeeren ernten und die andere, die durchaus nicht Autorität sein will, es aber schon durch ihre persön lichkeit ist, ihr gehört die Jugend. Denn es fommt nicht darauf an, wieviel Moralpredigten man der Jugend an einem Abend hält, sondern der Jugend lebendiges Vorbild zu sein, das ist die schönste und am meisten Erfolg versprechende Aufgabe des Jugenderziehers.
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„ Die Einstellung des Görlitzer Programms auf ethisch- kulturelle Fragen ist wohl nicht zuleht unter den Impulsen der jungsozialisti schen" Bewegung erfolgt. Zwei Verfasser der Kommentare zum Görlizer Programm, die Lehrerin fülf und Professor Rad bruch , sind mit ganzer Seele an dieser Bewegung beteiligt, die über das veräußerlichte, grob materialistische Leben der kapitalistischen das Verschen ins Stammbuch schreiben: Rivilisation hinweg zu einem sittlich- vertieften Leben sozialistischer Kultur schreiten will. Diese Bewegung hat im vorigen Jahre die mit begeisternder Kraft verfaßte Programmschrift Jungfozialismus hervorgebracht, die selbst für viele in der sozialistischen Propaganda ergraute Sozialdemokraten zu einem Erlebnis wurde. Ber heute manchen Orgeltlang aus dem Görlizer Programm vernimmt, der
Den anderen, den Autoritätsfanatikern fönnte man vielleicht
Ein jeder Graufopf
Meint, er sei ein Schlaufopf, Doch zeugt die Behaarung Nicht für die Erfahrung."
vergeſſe nicht, daß der Jungſozialismus eine Religion für viele der Die Revolution und der Jungsozialismus.
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fozialdemokratischen Brogrammacher" geworden ist. Glaube, daß der Mensch zum„ Größten und Höchsten" geboren sei, steht für diese Jungsozialisten unerschütterlich fest."
Damit nimmt die sozialistische Erziehung eine hervorragende Stellung im neuen Brogramm ein. So wenig wir sozialisieren fönnen ohne Sozialisten, so gering find unsere Aussichten auch in allen anderen Zweigen, wenn wir das lebel nicht bei der Wurzel fassen: der Erziehung an uns selbst.
Jung und Alt.
Bon Paul Schirrmeister.
Unsere Arbeiterjugendbewegung ist feine reine Jugendbe megung. Sie stellt vielmehr eine Berbindung zwischen dieser und der Jugendpflege dar. Das ist oft bestritten worden, und dennoch ist es so. Denn weder eine rein outoritative noch eine reine Selbft erziehung der Jugend herrscht in unseren Reihen, sondern beide Erziehungsmethoden sind vertreten. Es soll nun nicht Aufgabe dieser Beilen fein, gegen die Mitarbeit der erwachsenen Barteigenoffen zu polemisieren, sondern es handelt sich darum, die Stellung der Erwachsenen zur Jugend überhaupt einmal ganz furz zu beleuchten. Fast jeder unserer Gruppen find Erwachsene als Berater zur Seite gestellt, und in der Mehrzahl der Fälle erfreuen" sich diese einer gewissen Unbeliebtheit, welche sich nach den verschiedensten Seiten hin äußert. Zumeist ist es so, daß die Ratschläge der Ermachsenen einfach fabotiert, gar nicht beachtet werden. Daß dies ein arger llebelftand ist, wird jedermann einsehen; denn unsere Aufgabe fann nicht darin liegen, einen dauernden Kampf gegen die erwachsenen Parteigenoffen zu führen. Fragen wir jedoch nach den Gründen dieser Kämpfe, so ist es ganz und gar verkehrt, sie nur in der Radaulust und Ungezogenheit der Jugend zu suchen; die Gründe liegen tiefer. Sie wurzeln in der Tatsache, daß die Ere wachsenen zum großen Teil der Jugend nicht genügend Berständnis entgegenzubringen vermögen. Die Erwachsenen sind immer schon zu einer gewissen Reife gelangt, fie stellen schon etwas Fertiges bar und betrachten daher ihr Urteil als den Wertmaßstab aller Dinge. Ihr großer, oft verfannter Fehler liegt darin, daß sie diesen Maßstab auch an die Jugend anlegen. Man vergißt eben nur zu oft, daß man es mit Jugendlichen zu tun hat. Und Jugendliche lassen sich beim besten Willen nicht in ein Schema pressen. Jugend ist pulsierendes, brausendes Leben, ist ein Stürmen und Drängen, das feine Hinderniffe fennt. Die Zeit, in der die Jugend unserer Organisation angehört, ist die erste Zeit der Geschlechtsreife, die eine Um wandlung des ganzen Organismus bedeutet. Selbstverständlich haben auch unsere heutigen Erwachsenen einmal dieses Stadium durch gemacht; aber fie vergessen es nur zu oft wenn auch vielfach aus verständlichen Gründen.
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Jedoch nicht nur das Stadium ihrer förperlichen und seelischen Entwickelung ist es, was die Jugend dem Berständis der Erwachsenen entzieht, sondern auch die Tatsache, daß mit der heutigen Jugend eine neue Zeit hereinbricht, trägt viel dazu bei, auf Widerstand bei den Alten zu stoßen. Die Erwachsenen fühlen, wie Engelbert Graf schreibt, die Füße der Jugend auf ihren Schultern. Die Jugend wächst über die Alten hinaus, fie trägt neue Ideale, neues Wollen in fich. Und dagegen lehnen sich die Erwachsenen unwillkürlich auf. Sie sehen sich und ihre Zeit langfam versinten, fie müssen schmerzlich feststellen, daß fie der Vergangenheit angehören, daß sie einer neuen Generation das Feld räumen müssen. Und da raffen sie noch einmal alle Kraft zusammen, die Jugend nach dem eigenen Bilde zu formen. Es ist nur allzu verständlich, daß dabei von den Erwachsenen oft zu den verkehrtesten Mitteln gegriffen wird; aber alles Verständnis für die Handlungen der Erwachsenen darf uns nicht davon abhalten, diese Handlungen zu bekämpfen. Und daß in diesem Falle die Mei nungen hart aufeinander prallen, dürfte klar sein. Nach dieser Darstellung der tatsächlichen Berhältnisse tönnte es den Anschein haben, als wolle die Jugend die Erwachsenen, soweit es *) Paul Kampffmeyer , Der Geist des Görliger Programms". Berlag G. Fischer, Jena. ( Preis 8 M.)
und der Jungsozialismus.
Bon Walter Spengler . Revolutionen, ganz gleich ob politische, wirtschaftliche, religiöse oder fünstlerische, machen zwar nicht das geschichtliche Leben aus, aber sie sind geschichtliches Werden und als solches ein bestimmender Teil des geschichtlichen Lebens.
Sie sind, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben. Sie richten sich nach Herrn Ledebour genau so wenig, mie nach Herrn Bulle. Das geschichtliche Leben ist erfüllt von ewigen Kämpfen, die aus dem notwendigen Gegensatz zwischen dem unbedingten, dem Emigen, dem Unendlichen, dem Freien und dem Gebundenen, Zeitlichen, Endlichen hervorgehen.
Das ursprüngliche Leben, die autonomen Werte, das Natürliche wird im Laufe der Entwickelung, vom Relativen, von Formen, Formeln, Sitten, Auffassungen mehr und mehr umgarnt. Fast droht cs erdrosselt zu werden. Da zeigt sich denn die Kraft des Unbedingten, des Nicht- zu- vernichtenden mit der unerbittlichen Schärfe des Absoluten. Und der Konflikt ist geschaffen. Ein Konflikt als Mutter tausend neuer Ronfiitte.
Machen wir uns das an einem Beispiel flar. Betrachten wir eine der bedeutensten Revolutionen, die christliche, daraufhin. Der alte römische Staat, in dem jeder nur die eine Aufgabe fannte, zu arbeiten, zu erziehen, zu leben und zu sterben für den Staat, war innerlich morsch geworden. Was einst Ideal war, war jetzt Konvention, Formel, was einst erstrebenswert und Herzenssache war, war 3wang und Härte geworden. Das Aeußerliche hatte das Ursprüngliche verdrängt. Da fam die neue Lehre. Das Evangelium, das sich unmittelbar an das Leben wandte. Und das Leben ward wieder groß und neu. Das Leben siegte.
Das Leben ist es, das in allen Revolutionen mit unwiderstehlicher Kraft sich Bahn bricht. Damit aber ist eine Gefahr gegeben. Dieses dahinrafende Leben fann und wird als reine biologische Naturkraft am Ende zermalmend und zerstörend sein. Wir finden deshalb an der Seite dieser Tendenz eine andere, die Bernunft. Sie ist nicht gegenrevolutionär, fie ift eine notwendige hohe Sache bei der Auswirkung der revolutionären Ideen.
Es ist eine furchtbare Tragit, daß das Absolute und Autonome immer das Relative erzeugt und dann jedesmal in Gefahr tommt, von diesem erwürgt zu werden. Bor uns, mächtig und groß, steht die sozialistische Idee. Auch sie will verwirklicht werden. Millionen kämpfen darum, organisieren sich zu Parteien. Und nun gibt es auf einmal fo wenig ideale Dinge wie Registraturen, Bolfsversamm lungsreden, Zeitungen und einen staatlichen Beamtenstab. Also auch hier wieder Formen und Formeln. Immer enger wird das Netz, das sie um die ursprüngliche Idee schlingen.
Es ist verständlich, wenn darum viele, und ganz besonders Menschen aus der Jugendbewegung, von einem Grauen erfaßt werden, wenn sie in den Bann dieser Formen und Formeln zu tommen in Gefahr geraten. Sie gehen deshalb den Parteien aus dem Wege und wollen nur der Idee leben. Der Idee, die sie darum verachtet. Sie will nicht nur gedacht werden( das nennen sie nämlich: der Idee leben), sie will gestaltet, verwirklicht werden. Nebenbei: Diefe Menschen, die sich so frei dünfen, ersticken in der Regel faft in Formen.
in Gips. Manchmal find sie auch bunt bemalt und bringen fo einen lebhaften Farbenton in das öde Einerlei des Schaufensters. Madonnenbilder und schlichte Abbildungen aus dem trauten" Heim, fromme Wandsprüche und Gebetbüchlein leuchten durch die Scheiben. Alles strömt einen Hauch wahrster Christen- und Nächstenliebe aus. Roch einmal schweift der Blick über alle diese Kunstprodukte christlichen Glaubens hinweg. Da- was ist das-? Du fährst zurück, du glaubst zu träumen, denn du siehst in dem Schaufenster dieser christlichen Buchhandlung ein Bild, das eigentlich nur ein boshafter Mensch, wenn nicht gar der Teufel selbst, hineingelegt haben fann. Das Bild zeigt den Alten Friß aus dem Grabe steigend. den gezogenen Degen in der hoch erhobenen Faust: Der Tag der Rache ist erichienen, unsere Feinde werden jezt vernichtet! taner denkt da nicht an fünftige Heldentaten? Und mancher, der Welch Patrictenherz schlägt da nicht höher, welch kleiner Ser abends am Stammtisch alle Feinde mit einer Handbewegung zu vernichten pflegt, träumt heimlich von seinem sicheren Etappenposten aus dem letzten Kriege. Seht, Ihr Christenleute, das ist das Symbo Eurer Kirche! Auf den Lippen die süß wie Honig träufelnde Rede den Degen! von der christlichen Nächstenliebe und in der Fauſt Erde herabtäme, um diese, chriftlichen" Buchhandlungen, so wie er Man wünschte wahrlich, daß Christus selbst noch einmal auf die den Tempel von den Geldwechslern säuberte, von solchen Bildern und auch von Büchern zu reinigen, die wie Dinters Sünde wider des Blut" die Lehre des Christentums und Chriſtus ſelbſt bcschmußen wie nie ein Buch zuvor.
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Armer Tor, der du glaubst hieran etmas ändern zu können! Ein einzelnes Menschenkind ist gegen die Kirche und ihre Einrichtungen
machtlos.
„ Es ist nach zehn Uhr!"
Bon Ludwig Diederich.
Der Leseabend mar beendet. Bir zogen zum Bahnhof, denn unjer fleiner Kreis feßte fich aus Jugendgenossen zusammen, die in verschiedenen Stadtteilen wohnten.
Die ortsübliche falte und feuchte Berliner Sommernacht wurde nur spärlich durch ein paar Laternen erhellt. Bald erklangen Lieder zur Erwärmung. " Achtung, Sipo!"
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Da standen sie auch schon vor uns und geboten energisch Ruhe:
Es ist nach zehn Uhr!"
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Das begonnene Lied wird jäh abgebrochen. Plaudernd sezen wir unseren Weg fort. Aber einige Straßeneden weiter ringt es fi unwillkürlich wieder hervor: Mit uns zieht die neue Zeit ir ahnen nichts. Unser Ziel ist beinahe erreicht. Da ereilt uns das grüne Schicksal.
" Sie haben doch gehört, daß Sie nicht fingen sollen?!" Das Notizbuch wird hervorgeholt. Haben Sie Ausweise? Nein? Kommen Sie mit zur Wache!" Ein fragender Blick, dann sehen wir uns in Marsch, gehorsam und in strammem Tritt, wie es teutschen Jünglingen ziemt. Aber wir fönnen nicht anders: wir müssen lachen, unbändig lachen.
Das Kasernentor öffnet sich. Wir treten in eine Borhalle. Kalte Bugluft weht uns an. Wir fühlen, daß wir uns in einer noch nicht ganz außer Dienst gesetzten ehemals preußischen Massendreffieranstalt befinden. Ein barscher Unteroffizierston bestätigt diese Wahrnehmung. Man sucht uns flarzumachen, wo" wir sind. Aber wir müssen lachen, unbändig lachen.
Die Tür zur Wachtstube wird geöffnet. Berschlafene Gestalten retein sich auf wackeligen Schemeln und betrachten uns neugierig. Warten!"
Dann ruft. man uns einzeln in ein Zimmer, um unsere Berfonalien aufzunehmen. Der erste hat ein kurzes aber siegreiches Wortgefecht mit einem Sipomann und wird kurzerhand aus dem Bald ist die Bimmer hinausgeworfen. Die nächsten treten ein. ernste Arbeit der Sicherheitsbehörde beendet. Aber wir werden nicht entlassen, sondern müssen stehend der Dinge harren, die da tommen sollen. Und wir lachen
Man droht, uns in Zellen einzuschließen, wenn wir nicht bald vernünftig werden wollten. Ohne Erfolg. Dreiviertel Etunden sind verstrichen. Ein verhafteter Fürsorgezögling wird eingeliefert. Die Beamten scharen sich um ihr bieten ihm eine Siggelegenheit an und unterhalten sich lebhaft mit dem offenbar hochinteresanten Gast. Gefängnis"... find Wasser und Brot"..." Dresche"
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abgerissene Teile der Konversation, die unser Ohr erreichen. Nun werden wir rebellisch. Und unser Murren hat Erfolg: man weift auch uns ein paar Schemel an, und balb ist ein heiteres Gesellschaftsspiel im Gange. Es wird durch ein Klingelzeichen unterbrochen: ein Offizier tritt ein. Mit furzem Blick übersieht er die Lage und wendet sich sofort dem Fürsorgezögling zu,.der, in der hier herrschenden Etikette erfahrener als wir Neulinge, dem Gestrengen durch Ausschnellen von seinem Siz und stramme Haltung die gebührende Huldigung nicht vorenthalten hatte. der Herr Leutnant eine endlos lange Reihe von Meldungen entgegen, und fchließlich, wie zufällig, fällt sein Blick auf uns. ,, Aeh, Wandervögel- äh" schnarrt es und weg ist er. In einem Nebenzimmer verschwunden. " Minima non curat praetor" sagten die alten Römer. Auf deutsch : Kinderpoffen sind nicht Sache des Prätors", und auf Ber. linisch: Mit Wandervögeln mögen fich die niederen Polizeiorgane befaffen". Bir aber lachen, lachen aus vollem Halse.
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Inzwischen war es jedoch gegen 1 Uhr nachts geworden und für einige von uns Genoffen, so auch für mich, bestand keine Mög lichkeit mehr, mit einer Bahn nach Hause zu gelangen. Unsere Angaben waren ich weiß nicht wie geprüft" morden und man Es geht eben nicht, wie das Leben uns tagtäglich zeigt, ohne entliek uns, nicht ohne nochmalige feierlich ernste Verwarnung. Fröftelnd, aber fittlich gestärkt, trat ich den langen Heimweg die Formen, ohne das Relative. Es liegt mir fern, einem untätigen Fatalismus diesen Dingen gegenüber das Wort zu reden, im Gegen- an. Aber schon nach wenigen Schritten schallte mir laute Mufit entgegen. teil, es gibt Grenzen, die ein energisches Halt gebieten. Diese Die belebenden Töne tamen aus den geöffneten Fenstern einer Grenzen find ganz besonders in jüngster Vergangenheit oft über- feudalen Bar: lärmende Klaviergeräusche, ein näselndes Grammophon und dröhnender Chorgefang: Deutschland , Deutschland über treten worden. alles!" Einen Kilometer im Umkreis hörbar durch die schlummernde Nacht. Es war noch immer nach zehn Uhr", aber das Ohr des Gesezes vernahm die Ruhestörung nicht.
Auch die sozialistische Idee droht von dem Wust der zeitlichen Notwendigkeiten, Koalitionen, Kompromissen, Bureaukratismus ufm. erdrückt zu werden. Es wäre das Zeichen einer sterbenden Idee, Diese menn nicht die notwendige Reaktion eintreten würde. Reaktion innerhalb der sozialdemokratischen Bewegung stellt der Jungjozialismus dar. Weil er Unsprünglichkeit ist, und pulsendes Leben, wird er sein Ziel erreichen. Das aber heißt, daß die Reinheit der Idee die Herzen wieder höher schlagen läßt. Das aber heißt für jeden einzelnen: aus innerem Zwange Revolutionär fein.
Ich mußte lachen, aber nicht laut und unbändig, sondern leise in mich hinein: Ja ja, euer Deutschland über alles!"
Als aber der letzte Bers an die Reihe kam, stimmte auch ich in den Gesang mit ein, ohne Furcht vor dem grünen Schicksal:„ Einigfeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, danach laßt uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand!"