gegen überkommene bürgerliche Sitten und Borurteile. Es ist schwer, Genoffen. Aber es gehört dazu. Wollen wir nicht die alte Welt befiegen? Wohlan, fangen wir zu Hause an. Helfen wir unseren Jungen, den Weg zu finden. In die Schüßengräben, Genoffen, jeder an Jeinen Platz! Die Eltern zur Erziehung, zur Erziehung an fich felbft. Die Jungen zum Kampfe, zum Kampfe um die neue Welt! ( Aus der Wiener Arbeiter Zeitung".)
Es kommt der Tag..
Still ist die Nacht, auf Gräsern liegt der Tau, Bom Himmelszelt blickt flar der Mond hernieder. Im Sternenglanz erstrahlt des Himmels Blau, Leuchtkäfer huschen flüchtig hin und wieder. Es weht die Luft, so prächtig, rein und lind, Vom Tal herauf hör ich des Flusses Rauschen, Und leise spielt im Aehrenfeld der Wind Sonst Stille rings, wie auch die Sinne lauschen.
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Hier träumt fich's gut von einer neuen Welt, Die fich nach Kampf und Unraft will gestalten. Hier wächst der Geist, der sich zum Licht geſellt, Der vorwärts drängt, troß allen Machtgewalten. Es kommt der Tag, der die Erlösung bringt, Nach Kampf und Sieg der Menschheit großes Werde, Der Tag, an dem die Slegesbotschaft klingt: Ein freies Volk auf einer freien Erde!
Die Stadt der Jugend.
Rafchen Schrittes naht das große Ereignis, das Internationale Sozialistische Jugendfeft in Amsterdam .
Wiederholt haben größere oder fleinere Gruppen junger Arbeiter und Arbeiterinnen aus verschiedenen Ländern gegenseitige Bande internationaler Freundschaft geknüpft.
Aber zum ersten Male in der Geschichte der Sozialistischen Jugend- Internationale wird dieses Zusammentreffen in einer Form vor sich gehen, welche ihren tiefen Eindruck auf alle Beteiligten nicht verfehlen wird.
Auf einem 10 Hektar großen Gelände in der unmittelbaren Nähe von Hollands Hauptstadt Amsterdam wird ein Lager von 700 Zelten errichtet. Jedes Belt wird zehn Kameraden zur Wohnung dienen, die dort ein Strohlager und eine wollene Decke für die Nacht finden werden.
Mitten im Lager erhebt sich auf dem in der Form eines Rechtecks angelegten Platz der Internationale" eine hohe Warte, der„ Turm der Kameradschaft", wo die rote Fahne weht über den Köpfen Taufender Jugendgenoffen. Eine Stadt der Jugend und der Freude. Denn in den Straßen und auf den Pläßen wird sich abspielen das bunte Treiben einer neuen Jugend, welche voll des unerschütterlichen Zukunftsglaubens fräftig dasteht im jungen Tag einer neuen Welt. Unter dem Rauch einer großen Stadt, wie alle Großstädte Herd des franken sozialen Lebens dieser Zeit, wird dort im Laufe einiger Tage ein Traum, der sozialistische Zukunftstraum, verwirklicht werden.
Einfachheit, Schlichtheit, sonnige, willenskräftige Lebensfreude sollen unserem Feite das Gepräge geben. Und auch... Ordnung und felbftgewählte Disziplin.
Die gesunde, erhebende Romantik des Lagerlebens soll sich verbinden mit der richtigen Erkenntnis seiner Bedingungen und Forderungen sowie einer gemeinschaftlichen und streng befolgten Zucht. Denn die Möglichkeit eines freudenvollen, sonnigen Festes beruht auf einer straff organisierten Lagerwirtschaft, auf einer guten Zu fammenarbeit zwischen der Lagerleitung und den übrigen Lager
bewohnern.
Che und bevor von einer Lagerwirtschaft die Rede sein kann, muß erst das Lager errichtet werden. Nach dem Grundriß müssen die Grenzen abgesteckt werden. Die Stellen müssen aufgemeffen und bezeichnet werden, an denen die Beleuchtung, wo die Waschvorrichtung, die Latrinen ihren Play finden sollen. In zwölf Eisenbahnwagen werden die Zelte und die Decken herbeigeschafft. Sie müssen in Lastwagen geladen und nach dem Lagergelände befördert werden. Dann kann der Aufbau einen Anfang nehmen. Dreihundert junge Kameraden unterziehen sich pier, fünf Tage lang dieser mühseligen Arbeit. Lustig erschallen die Hammerschläge auf die Zeltpflöcke. Die Arbeit ist schwer und ermüdend, aber die frohe Erwartung der kommenden Herrlichkeit gestalten sie zu einer tiefen Freude. Dann werden Stroh und Decken und die unentbehrliche Brotkiste, der Vorratsschrank der Zeltgemeinschaft, in die leinenen Häuser getragen. Vor jedem Zelt prangt eine Nummer, die Hausnummer, so daß jedermann bald weiß, wo er wohnt.
Und dann, wenn noch tausend Kleinigkeiten versorgt werden, tommt die Stunde des Einzugs. Wie findet jeder gleich seinen Platz? Ganz einfach durch eine Einteilung des Lagers in Fächer von hundert und durch eine Einteilung dieser Fächer in Gruppen von zehn Zelten.
Das Zelt hat leinen Zeltkommandanten, die Gruppe ihren Gruppen, das Fach seinen Fachkommandanten. Die Leitung des ganzen Lagers liegt in den Händen des Lagerkommandanten. Durch ein richtiges Zusammenarbeiten läuft die ganze Lagerwirtschaft wie gefchmiert.
infaffen die Speiseträger, die in den Lebensmittelzelten ihres Faches Zur Effenszeit bezeichnen die Zeltkommandanten aus den Beltfinden, was sie brauchen.
Zur Schlafenszeit halten die Zelttommandanten Musterung über thre Zeltgefährten und erstatten den Gruppenkommandanten Bericht, die den Bericht an die Fachkommandanten weiterleiten, die schließlich dem Lagerkommandanten erzählen, ob alle da sind.
Die Versorgung mit Lebensmitteln in einem Lager erfordert eine tüchtige Organisation. Die Gemeindetithe für Schulspeisung liefert das Mittagessen; die Genossenschaft das Brot, wovon fchägungsweise etwa 20 000 Kilogramm verspeist werden. In acht großen Kochteffeln wird zweimal pro Tag Kaffee gemacht für die Lagerbevölkerung.
Es ist deutlich, daß in einer solchen umfangreichen Organisation für Eigenbrötelei fein Platz ist. Zu den für die Mahlzeiten oder Zusammenfünfte festgesetzten Stunden hat jeder da zu sein. In der für die Nachtruhe bestimmte Zeit herrscht selbstverständlich völlige Ruhe im Lager.
Das Gelingen des Festes hängt ganz und gar ab von der Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die Forderung der Ordnung und Disziplin von allen Teilnehmern felbst verstanden wird, wodurch niemand diese empfinden wird als eine Einschränkung der eigenen Freude, sondern vielmehr als eine Vorbedingung, um diesem Feste den stärksten und nachhaltigsten Eindruck zu verleihen, damit es werde zum glühenden Zeugnis vom ungestümen Willen der Jugend, den Sozialismus zu verwirklichen.
Junge Kameraden, möge das erste internationale fozialistische Jugendlager Freund und Feind zeigen, wie in dieser Zeit der Re attion der internationale sozialistische Friedensgedanke lebt in den Herzen von Tausenden junger Arbeiter, die ein lebendes Zeichen der Gesinnung bei den Zehntausenden sind, die im Geiste mit uns sein wollen. Koos Borrint, Amsterdam .
Unser Ostern!
Man veranstaltet Borträge und Kurse, um in ein bestimmtes Wiffensgeblet einzudringen; aber es gibt auch Zusammenkünfte solcher Art, die aus einem feelischen Bedürfnis organisch herauswachsen. Es gibt Probleme, die nichts mit der strengen Wissenschaft zu tun haben; sondern welche sich ergeben aus feelischem 3wiespalt.
Auch in der Berliner Bewegung ward der Wille laut, solche Fragen einmal zu flären. Und so zogen wir denn, eine kleine Schar, hinaus in die frühlingsahnende Welt. Die goldig durchfonnten Ostertage waren unserer Aussprache gewidmet. Die Ver einigung aller Teilnehmer in einem gemeinsamen Heim unter gleichen Lebensbedingungen gab die Gewähr für eine vom Geiste sozialistischer Gemeinschaft getragene Arbeit. So fühlten wir uns die vier Tage lang als etwas harmonisch Gefchloffenes und wußten doch, daß wir nur Ausdruck einer viel größeren, weltumspannenden Bewegung sind.
Was aber waren es für Fragen, die uns dort beschäftigten?
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All das, was wir erlebt hatten im Brausen der Großstadt, in dem zwingenden Rhythmus der organisatorischen Arbeit und hier draußen unter dem Dom des Himmels, zwischen den mystisch ummobenen Fichtenstämmen, an deren Wurzeln die Wellen des Wassers ledten, das sprachen wir aus. Wir fühlten und wußten: den Sozialismus einmal Wirklichkeit werden zu lassen, dazu ist nicht einmal viel Wissen nötig, sondern der Mensch muß ihn außer mit seinem Verstande auch mit dem Gefühl, mit der Seele erfassen. Unsere Idee muß uns Weltanschauung, Religion sein. Die Lücke, die der Zerfall von Kirche und Familie in die Harmonie unserer Seelen gerissen hat, muß durch sie ausgefüllt werden, fie muß der Quell sein, der uns wieder Glauben und Liebe gibt, der den Gott im Menschen erstehen läßt. Erst nach dieser neuen Menschwerdung wird auch die Liebe zum anderen Geschlecht aus dem Niederen und Gemeinen sich emporheben in die Sphäre reinen Erlebens, wird über die Zwei- Gemeinsamkeit hinaus in dem Aufgehen im Dienst an der Allgemeinheit der einzelne zur höchften Bollendung gelangen, das einzelne Ich voll zur Geltung fommen. Um aber so weit zu reifen, dürfen wir unsere Kräfte nicht vollkommen in der Funktionärarbeit aufgehen lassen, sondern müssen Zeit und Ruhe finden für die Arbeit an uns selbst.
Das etwa waren die Ergebnisse der ernsten Arbeit, mit der wir die Stunden des Tages füllten. Daneben aber vergaßen wir nicht die Schönheit der Natur um uns. Ueberall waren die Spuren des schreitenden Frühlings zu sehen. Wärmend und weckend schienen die Strahlen der Sonne auf das scheckige Blau der Stiefmütterchen, lockten der Gräser erste junge Spizen hervor, ließen die geschwolle nen Knospen der alten Linden springen, auf daß die gekräufelten Blattspitzen ihr zartes Grün schimmern lassen konnten. Ueberall neues Werden Ostermorgen der Natur. Wir Jungen aber durchstreiften sie mit der neu bestärkten Gewißheit, daß auch für die Menschheit ein Ostern kommen wird, ein Tag, da aus dem alten leidenden Menschen der neue liebende Mensch aufersteht.