Jugend- Vorwärts
Nr. 9
Beilage zum Vorwärts
29. September 1926
Unser Machtruf heißt: Organisation!
In langen Zügen marschierte das gewaltige Heer der Arbeit zu den großen Kundgebungen der freien Gewerk schaften anläßlich der Internationalen Gewerkschaftswerbewoche auf. Zahlreich folgte die arbeitende Jugend den Zeichen ihrer Organisationen. Aber unzählige Mädchen und Burschen stehen heute noch außerhalb der Reihen des kämpfenden Proletariats. Sie begnügen sich mit oberflächlicher Zerstreuung in einer für das schaffende Bolt bitterernsten Zeit. Sie bereiten sich nicht vor auf die ernsthaften Auseinandersetzungen über die schwierigen Fragen ihrer eigenen sozialen Lage und der heutigen Arbeit. Politik und Kultur bleiben ihnen unbekannte Begriffe. Häufig verhindert aber auch der Zwang der Eltern oder das Unverständnis furzsichtiger Erzieher den jungen Menschen, ernsthaft fich den Kämpfen und Zielen der Arbeiterbewegung zuzuwenden.
Trotzdem lassen die Arbeiterorganisationen und unter diesen besonders die freien Gewerkschaften unermüdlich ihren werbenden Ruf an die heranwachsende Jugend ergehen. Immer wieder versuchen sie durch geeignete Taten das Vertrauen der arbeitenden Jugend zu gewinnen; denn sie sind und sollen nicht nur sein ein Bollwert für den erwachsenen Arbeitnehmer, sie wollen auch alt und jung erfassen und zu zähen Widerstand gegen die Mächte der Finsternis befähigen.
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Die Arbeiterjugendbewegung fie findet ihren gesellschaftlichen Ausdruck durch den heutigen Verband der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands ist durchaus als eine Barallelerscheinung zur Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung zu betrachten. Erst allmählich setzte sich die junge Bewegung gegen über den Erwachsenen und der Gesellschaft durch und schuf sich jene Anerkennung, die ihr heute freiwillig und sebstverständlich von vielen entgegengebracht wird. Während in der Anfangszeit neben der Bildungsarbeit auch eine Reihe rein gewerkschaftlicher Forderungen von der Jugendorganisation aufgestellt und propagiert wurden, betrachten heute die freien Gewerkschaften diese Jugendforderungen als durchaus berechtigt und wichtige Aufgabe. So war die aufblühende Arbeiterjugendbewegung für die Gewerkschaften gleichzeitig eine fräftige Mahnung, die arg vernachlässigten Jugendschuhforderungen sich zu eigen zu machen und mit erhöhtem Eifer ihre Berwirklichung zu verfolgen.
Beachtliche Erfolge fonnten so mit der Zeit schon erreicht werden. Aber nicht nur die Mahnung, sondern auch die Erkenntnis brach sich Bahn, daß die Werbung der heranwachsenden Jugend für die gewerkschaftliche Organisation notwendig sei und heute prägt sich das Maß der Bemühungen um die arbeitende Jugend im Stand der Entwicklung freigewerkschaftlicher Jugendarbeit aus. So haben die meisten Verbände ihre Jugendgruppen, Einrichtungen mit dem besonderen Zweck, die Jugend des Berufes für die verschiedensten gewerkschaftlichen Fragen zu interessieren und ihrer beruflichen Bildung dienlich zu sein. Darüber hinaus bestehen örtliche 3u sammenfassungen, deren Aufgabengebiet mehr allgemein bildender Art sind und den 3wed verfolgen, die arbeitende Jugend für die gewerkschaftlichen Kämpfe zu interessieren und sie baldmöglichst einzureihen in die Gliederungen der kämpfenden Organisationen. Also unverkennbar das Bemühen, auf direktem Wege junge und frische Kräfte in die Gewerkschaftsbewegung einzuführen. Daneben besteht noch an einigen Orten der Versuch, den Beispielen eines natürlich gewordenen Vorbildes folgend, eine freigewerkschaftliche Jugendbewegung zu schaffen, deren Aeußeres fich feineswegs von der Sozialistischen Arbeiterjugend unterscheidet und sich zum Hauptziel wirtschaftspolitische Schulungs- und Erziehungsarbeit gesezt hat. Die Arbeiterjugendbewegung hat vieles mit der Arbeiterbewegung gemeinsam. So sind die wirtschaftliche Lage, Ausbeutung und geistige Knebelung ohne weiteres Grundlagen eines gemeinfamen Kampfes. In der Gründerzeit der proletarischen Jugendbewegung erkennen wir überall das Bestreben, durch eigenen Kampf, sei es auf politischem oder wirtschaftlichem Gebiet, dem
Gegner, Handwerksmeister oder sonstigem Unternehmer die Zähne zu zeigen. Auf die Dauer war dieser Zustand, der sich notwendig in Forderung und Verneinung erschöpfen mußte, für eine gedeihliche Entwicklung der Jugendbewegung unmöglich. Das Wesen der sozialistischen Idee, durch Planmäßigkeit und wirkliche Ordnung den schaffenden Kräften ein richtiges Arbeitsfeld zu überweisen, führte dann auch allmählich eine gewisse Umstellung und Vervollfommnung der Tätigkeit der Jugendorganisation mit fich. Aeußerer politischer 3wang trug das übrige bei, um diese Entwicklung zu fördern. Organische Verbindungen zu den Organisationen der Arbeiterbewegung, Partei und Gewerkschaft entstanden und eine vernünftige Arbeitsteilung erfolgte.
Während der aftive politische und wirtschaftliche Kampf von berufener Seite durchgeführt wird, bildet sich die Arbeiterjugendbewegung immer stärfer zur Erziehungsgemeinschaft der arbeitenden Jugend schlechthin aus. Zum anderen aber übernimmt sie in immer stärkerem Maße gegenüber den Arbeiterorganisationen die Rolle einer Hochschule des Proletariats. Die jungen ungeschulten Köpfe lernen aus den Erfahrungen früherer Kämpfe und bereiten sich vor auf die tätige Mitarbeit am gemeinsamen Wert. Das Ziel der Erziehungsarbeit der Sozialistischen Arbeilerjugend fann nicht sein, einen einseitig eingestellten Menschen zu schaffen, es fommt im Gegenteil darauf an, schlummernde Fähigkeiten im jungen Menschen zu wecken und denkende Köpfe zu erziehen. Fürwahr eine mühfelige und verantwortungsvolle Arbeit. Aber schon reifen die ersten Früchte zum Nutzen unserer Sache. In diesem Sinne bleibt die Sozialistische Arbeiterjugend die Kampforganisation der arbeitenden Jugend. Sie revolutioniert die jungen Köpfe, fie zeigt ihnen die neue Zeit mit all ihren Schwierigkeiten und ihrer Bedeutung. Ber allem trägt sie mit dazu bei, die Aufgabe zu vollenden, die Lassalle als wichtig vor allem für die Arbeiterbewegung schilderte. Nämlich aus gesundem Lebensgefühl heraus die arbeitende Jugend mit einer neuen Lebenshaltung zu erfüllen und sie vor der Indifferenz zu bewahren, die gleichbedeutend ist mit den Lastern der Unterdrückten, den müßigen zerstreuungen der Gedankenlosigkeit und dem harmlosen Leichtsinn der Unbedeutenden.
Die Arbeit freigewerkschaftlicher Jugendgruppen wird durch die Bestrebungen des SAJ. nicht überflüssig. Im Gegenteil, sie stellt eine notwendige Ergänzung dar. Während auf der einen Seite die Gruppen der SAJ. durch ihre Arbeit die arbeitende Jugend überhaupt das erstemal allgemein mit sozialistischen Gedankengangen bekannt macht und den ersten Grund einer neuen, fünftig sozialistischen Lebenshaltung legt, feht sich die Tätigkeit gewertschaftlicher Jugendgruppen zum Ziel die Ausbildung aktiver Mitarbeiter im Gewerkschaftsleben. Zweifellos spielt sich das Nebeneinanderarbeiten nicht in allen Fällen so ohne weiteres glatt und reibungslos ab. Es entstehen und bestehen Spannungen, an deren Ausgleich ständig gearbeitet werden muß. Das Ziel proletarischer Jugendarbeit muß darüber hinaus jedenfalls fein: Zusammen fassung und planmäßige Verteilung der Kräfte.
Eine sorgfältige Durchführung dieser Arbeit ist um so mehr notwendig, als die freien Gewerkschaften in mehr als einer Kampfhandlung bewiesen haben, daß sie der deutschen Arbeiterbewegung unentbehrliche Waffen sind. Sie sammeln und schulen gleich der Sozialdemokratischen Partei die breiten Massen des werttätigen Bolkes. Und für jeden politischen Erfolg stellen sie eine bedeutende Voraussetzung dar. Sie verleihen der politischen Bewegung jene Kraft und jenen Nachdruck, der notwendig ist, um im Sinne unseres sozialistischen Zieles wirksam tätig zu sein. Mancher Abwehrkampf wurde zugunsten der Arbeiterbewegung entschieden durch das um fichtige und sinnvolle Eingreifen der wirtschaftlichen Kampforganifation. Und die deutsche Republik verdankt nicht zuletzt ihr Dasein dem Zusammenwirten von Sozialdemokratischer Partei und freien Gewerkschaften.