Für die arbeitende Jugend, mögen es nun Lehrlinge oderjunge Arbeiterinnen und Arbeiter sein, ergibt sich unter demzwingenden Druck der wirtschaftlichen und politischen Verhältnissedie Pflicht, sich cinznreihcn und mit den Gesinnungsgenossen demgleichen Ziele zuzustreben. Aus der großartigen Entwicklung derArbeiterbewegung und erst jüngst aus den wuchtigen Aufmärschen derfreien Gewerkschaften muß die heranwachsende Jugend lernen.Wenn sie will, wird der sozialistische Gedanke wieder«in mächtigesStück gefördert werden. Vereinter Kraft bleibt zuletzt der Sieg.Und die Sozialistische Arbeiterjugend ruft die Jugend zu diesemWolle« auf. Mit uns soll die arbeitende Jugend im Sinne desDichterwortes einem besseren Dasein zustreben:Den Trotz an den Pflug! Und Tod der Fron!Unser Machtruf heißt: Organisation!Faustcins, so zwingen wir's schon...Ludwig Diederich.W großer Iahrt.Wenn nian in dem Trubel der Großstadt steht, wenn man um-brandet ist von dem Lärm der Maschinensäle und dann einmal dieFessel fallen läßl, hinausstürmt und auf„große Fahrt" geht, dannprägt sich tief ein, was man, trunken die Natur durchwandernd,gesehen und erlebt hat.So erging es auch uns, als wir, Berliner Großstadtjugend,in die Sächsische Schweiz zogen. Schön waren die Tage, nur allzukurz. Und in ihrem Taumel flog der Staub des Alltags vonunseren Seelen, wie wenn der Wind die Spreu von d«n Getreide-körnern fegt.*Schön ist e-, wogende Felder zu sehen. Zu stehen auf desBerges Kuppe und weit, weit in das Land schauen zu können. Bisan die Stelle, wo Himmel und Erde sich treffen. Wie wohlgeord-netcs Spielzeug liegt alles zu unseren Füßen. Die Felder gleicheneiner gemusterten Decke. Scharf hebt sich das Roggenfeld von denso schön blühenden Lupinen ab. Und saftige Wiesen wechseln mitden Feldern der ins Kraut schießenden Kartoffel. SchnurgeradeBaumalleen teilen das Land, laufen den Dörfern zu, deren roteZiegeldächer feingeschachtelt daliegen. Zwischen ihnen taucht aufdas schöne Wasser der Elbe. Breit und glänzend durchstößt sie dasLand. Ruderboote schaukeln auf den Wellen, und ein Eisenbahnzugkriecht am Ufer wie ein Wurm dahin. Und über dem allen standenwir, thronten über all der Pracht, die feingegliedert dort unten lag.Als unser Blick nach oben schweifte, sahen wir die Sonne.—Die stand noch höher als wir.5*Als die rauschenden Wasserfälle hinter uns lagen mit ihremweißen Gischt und ihrem kristallenen Wasser, in das die SonneRegenbogen matte, stiegen wir in den leichten, schwankenden Kahn,und nach einigen Stößen fuhren wir sanft zwischen der Felsenhohen Wände hindurch. Wenige Meter voneinander entfernt, rag-ten sie steil empor, ohne jeden Vorsprung, glatt und unersteigbar.Nur einige Fichten hatten sich hier festgefressen: hatten hier ihreersten Wurzeln geschlagen in das Moos und die Algen, die zwischenihnin, wie ein grüner Teppich, große Flächen des Felsens bedeck-ten, seine Härte und Schroffheit verbergend. Gedrückt und krüppel-hast ragten ihre Aeste über den nassen Abgrund. Und doch wohntein ihrem unschönen Geäst eine zähe Kraft. Ihre Zahl war klein,und die oberen Teile der Wände ragten starr und majestätisch indie Höhe, als wollten sie kein Leben auf ihren Rücken mehr dulden,als wollten sie uns einhämmern unsere Unwichtigkeit, unsere Klein-heit. Die wir schon wieder zu Staub geworden sind, bevor diesesSchicksal dem Felsen einen Zoll genaht ist.*Ganz oerschont von dem Treiben der Welt liegt tief in desTales Kessel die Mühle. Schroffe Felsenwände hegen ihre Einsam-keit. Liegen als versteinte Wächter in der Abendsonne Glanz.Rauschende Wasser stürzen durchs Tal. Tönend klingt ihr Springenüber des Mühlenrades Schaufeln. Schaut man vom anderen Uferdie Mühle, dann liegt sie vor einem, geduckt und versteckt, unbedingtzum Tale gehörend. Als ob ohne sie die Harmonie nicht vollständigwäre.Abendwind setzt ein. Leise rauschen der Bäume Wipfel, Gräserbeugen sich zitternd vor dem kommenden Tau, und Blumen schließendemütig die leuchtenden Kelche.-- Gespenstisch ragen die FelsenIn schwarze Nacht. Die hellen Farben des Tales sind verschwunden.Aus der Tiefe klingt der einsame Ruf des Nachtvogels, rauscht desWindes schwarze Melodie.■*H o h n st c i n. Grauer Himmel. Ein Schleier sprühendenRegens hindert die Fernsicht. Wir standen vor dem Burgtor undwarteten, ob sich das Wetter nicht ausklären wollte. Zwar galt esnicht eine schön« Fahrt in die Berge, doch was wir erwarteten,war nicht minder reizvoll. Es war das Schützenfest der Stadt Hohn-stein. Und der Himmel ließ sich erbarmen. Die letzten Regenfahnenoerschwanden in den Schluchten der Berge, und die Strahlen derSonne zeugzea dampfende Erde. Der Parademarsch der Schützen-gilde fand auf dem Marktplatz statt, der in ansteigender Linie vorder Jugendburg liegt, an deren Toren wandernde Jugend stand,gespannt aus die kommenden Dinge wartend. Da geschah es: derGeneral dieser Braven trat aus dem Hauptquartier, über dessen Türin großen Lettern die Worte„Zum großen Schoppen" prangten.Sporenklirrend überquerte er den Paradeplatz, verschwand in einerSeitengasse und kam bald, hoch zu Roß, stolz wieder hervor an derSpitze seiner Kompagnie, die auf dem Marktplatz aufmarschierte.In der Zusammensetzung der Uniformen herrschte größte Buntheit.Die Hauptleute trugen gezückte Säbel und die einfachen Schützenden frisch geputzten Hinterlader über der Schulter. Mit hoheits-voller Miene nahm der General die Parade ab. Eine Deputation,nach der Zahl der an die Brust gehefteten Ehrenzeichen zu schließenhohe Würdenträger, holte im Gleichschritt die Fahne aus dem Wirts-Haus, und dann trat er selbst, der König der Schützen, heraus. Mansalutierte das Gewehr, und mit klingendem Spiel zog Generalund Gemeiner durch die Pfützen des Marktplatzes aus Umwegendem„Hauptquartier" zu.»Als die blechernen Trompeten verhallten, sahen wir einanderan und jeder las in den Augen des anderen mitleidiges Lächeln obsolcher Zoten. Der Tag neigte sich dem Abend zu. Wir saßen aufeiner Felsklippe und schauten ins Tal, aus dem Wassernebel stiegenund die Tiese als ein brodelndes Meer erscheinen ließen. Aus derFerne klang das rasselnde Geräusch der Schützenmusik. Die Nebelaber schoben eine Wand zwischen sie und uns.*Gemeinsames Erleben schmiedete uns— wandernde Jugend—innig zusammen. Und neben der Vertiefung unseres Gemüts durchall die Eindrücke lernten wir Rücksicht auseinander nehmen, Soli-darität üben. So wuchsen wir zu einer Gemeinschaft, in der stnt:des„Ich" das„Wir" herrschte und der einzelne seine kleinen Wünschegern und freudig hinter den Bedürfnissen der Allgemeinheit zurück-stellte. Das ist Arbeiterjugend auf großer Fahrt!Unser Singen.Nicht vom mehrstimmigen, vom Chorgesang soll hier gesprochenwerden,— darüber ist von berufenerer Seite schon genug gesagtworden:— wir wollen einmal das einfach«, einstimmige Lieder-singen, das wir auf Gruppenabenden, Wanderungen und Umzügenpflegen, kritisch betrachten. Dieses Liedersingen, in das wir alleunsere Gefühle,— unseren Trotz, unsere Hoffnung, unsere Sehnsuchtund unsere Freude hineinströmen lassen, dos uns, je nach derStimmung, hart oder weich werden läßt, aber immer unser Ge-fühlsleben bereichern wird.Hat doch wohl jeder von uns schon empfunden, wie zwanglosihm, meist wenn er freudig bewegt und seelisch ausgeglichen war,irgendeine Weise in den Kopf und in die Kehle fuhr, daß er selbstverwundert aufhorchte, was da mit einem Male aus ihm heraus-klang. Und welche Innigkeit legt man mitunter in ein solch'«in-faches, schlichtes Lied, wenn es unserer Stimmung entspricht.So weit, so gut. Aber wie ändert das alles sofort sein Gesicht,wenn gemeinsam gesungen wird. Schon, daß die Geschmacks-richtungen der einzelnen so weit auseinandergehen, ist ein ersterHemmschuh. Aber im Grunde ist das ja nicht so sehr schlimm, dawir in unseren Liedersammlungen genug gute und sangbareLieder haben und zudem in gemeinschaftlich betriebenen Dingender einzelne immer ein wenig zurückstehen muß. Schlimmer, vielschlimmer ist die Art. wie in Gemeinschaft gesungen wird. Eshat beinahe den Anschein, als wenn in Gemeinschaft nur„ge-schmettert", nicht gesungen werden kann. Ein Gegenstück zu derTatsache, daß der einzelne selten vor Fremden, z. B. auf der Straß«oder in der Bahn singen wird. Pfeifen, ja, das hört man oft, abersingen vor fremden Ohren, dos tut man selten. Selbst der doch al»so beherzt verschriene Schusterjunge macht meines Wissens davonkeine Ausnahm«.Doch zurück zum gemeinschaftlichen Singen! Ist es unangebrach-ter Ehrgeiz oder unbewußte Kraftsteigerung, die Tatsache besteht,daß der einzelne unbedingt..seine Stimme" heraushören muß. Daherkommt es auch, daß der Gesang meist alles ander« denn ein Gesangwird. Und doch habe ich schon vereinzelt gemeinschaftlichen Gesanggehört, der weniger„machtvoll" war als der übliche, dafür aber umso ausdrucksvoller: weniger„schön laut", dafür aber viel, viel„schöner" als jener klang. Ein Zeichen, daß es auch anders geht.Vielleicht schafft wiederholter Hinweis daraus doch einmal Wandel.Eine andere üble Erscheinung ist das gedankenlos« Singen.Gedankenlos in der Hinsicht, daß man im Tempo und in der Be-tonung gar keine Rücksicht aus den Charakter des Liedes nimmt:Marschlieder wie Begräbnis-, oder feierliche wie lustige Lieder singt.Und dazu kommt, daß alle möglichen Lieder bunt durcheinander und