Lebengestaltender Sozialismus.
Ebenso wie bei de Man ist auch bei Korn die Vorstellung des Menschen als reinen Exponenten feiner Klaffenlage überwunden. Er erweitert die außerhalb des Klaffentampfes stehende individuelle, Nach dem Aufschwung der Weimartage und der gärenden Anfänge der jungsozialistischen Bewegung, Ereignisse, die zum ersten Borhandensein fest, und fragt nach den Möglichkeiten der Gemein man möchte faft fagen private Sphäre des einzelnen bzw. stellt ihr mal die volle Bedeutung des empfindenden und handelnden Menschaft. Wenn auch Korn zweifellos recht hat mit der Behauptung, [ chen für die Verwirklichung des Sozialismus ins Licht stellten, daß die Gruppen der Arbeiterjugend ihre Gemeinschaft sozusagen Jchien es die letzten Jahre um diese Fragen wieder recht still geworden zu sein. Die drückende Erwerbslosennot erzwang tyrannisch seits deren Bedeutung als Ausstrahlungs- und Kristallisationspunkt nur außerhalb der Gesellschaft erleben" tönnen, so ist doch anderers cine Rückkehr auf die alteingefahrenen Geleise der Maßgeblichkeit des Werdenden nicht zu unterschätzen. Es ist zu begrüßen, daß der ökonomischen Berhältnisse", denen sich der einzelne Jugendliche Korn das Recht der Individualität, die verschiedenen Motive und ja auch hilflos genug preisgegeben fühlte. Manchen Ideologen" weltanschaulichen Hintergründe des Sozialismus und die Grenzen unter uns mag die allmähliche grollende Unterwerfung unter den felbft einer sozialistischen Menschheitsgemeinschaft aufzeigt und an3wang der Verhältnisse" bitter genug geworden sein; aber sie war und ist nun einmal eine Tatsache. Ebenso wie es eine Tatsache ist, durchdachten Gemeinschaftsbegriff hat man bei Korn Peffimismus" erfennt. In dieser feicht skeptischen Einstellung zu dem vielfach un daß der ideelle Aufschwung der unmittelbaren Nachkriegsjahre urfächlich zusammenhing mit den wesentlich besseren Arbeitszeit- und ausklingt in dem Gedanken, daß zum erstenmal im Sozialismus erblicken wollen, während doch sein Büchlein durchaus optimistisch Lohnverhältnissen dieser Jahre. der Weg gezeigt wird, wie das Ideal verwirklicht werden kann". Bücher, wie die beiden erwähnten, find kennzeichnend für die bedingungslos an das nach der Wandlung der„ Berhältnisse prophe. neue Phase der sozialistischen Bewegung: man glaubt nicht mehr tisch vorausgesagte tommende Reich; man fängt an, fich real um dessen menschliche Träger und ihre Beschaffenheit ertennend und erzieherisch zu bemühen. Hedwig Schwarz erzieherisch zu bemühen.
Sind aber die damals neugewonnenen Erkenntnisse und Lebenswerte ungültig, weil wir sie nur unter gewissen Voraussetzungen erobern konnten, und führen sie nicht ihr objektives Dasein weiter, auch wenn wir uns in der Zeit von ihnen getrennt haben? Ihr Dasein als solches ableugnen, hieße aber das Vorhandensein einer Bflanze überhaupt bestreiten, die sich nur nicht auf dem Boden und unter dem Klima, die wir ihr nicht anders bieten tönnen, entfalien tann. Daß trog Ungunst der äußeren Lage die einmal aufgeworfenen Fragen unter der Oberfläche weiterleben, bewies das Erscheinen des Buches von de Man und die sich daran fnüpfenden leidenschaftlich geführten Diskussionen. Ohne die Einwirkungen des Lebensraumes, in den der Mensch gestellt ist, und zu welchem außer den Wirtschaftsverhältnissen auch sehr stark die Tradition gehört, zu leugnen, stellte de Man den fühlenden, denken den, handelnden Menschen als Gestalter der Verhältnisse wieder in den Mittelpunkt. Um das Wesen des Menschen zu ergründen. wie es bisher geworden ist, und wie es in seinem weiteren Werden zu beeinflussen ist, dazu fann uns nicht so sehr die Nationalökonomie els Lehre von der Wirtschaft, sondern die in den letzten Jahrzehnten gewaltig fortgeschrittene Binchologie als Lehre vom Menschen die nötigen Dienste leisten.
Diesem Gedanken des psychologischen Sozialismus wollen auch die beiden neuerschienenen Schriften des ArbeiterjugendVerlags: Der Sozialismus als Kulturbewegung von Hendrik de Man und Die Weltanschauung des Sozialismus" von Karl Korn dienen. Sie sind start angegriffen worden, weil sie nicht mit der herkömmlichen Terminologie der wirtschaftlichen Zwangs läufigkeit arbeiten; sie verlangen eine unvoreingenommene Aufnahme und Prüfung. Beide untersuchen die seelischen Borausfegungen des Sozialismus im Einzelmenschen und in der Gemeinschaft; beide erbliken im Sozialismus nicht das Erzeugnis einer engbegrenzten Zeit- und Klaffenlage, sondern einen altersgrauen Menschheitsgedanken"( Korn), deffen gesinnungsmäßige Träger Angehörige aller Gesellschaftsflaffen fein fönnen, wie es ja auch das Beispiel der bürgerlich- intellektuellen Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus beweist.
"
Bildungsprobleme unserer Jugend.
Schon in den Anfängen der Arbeiterbewegung, in den fiebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, tönte aus allen Orten der Ruf nach Bildung und Wissen. Millionenfach verstärkt erklingt er heute nach 60 Jahren. Damals fam er aus den Reihen der erwachsenen Proletarier, die ihre junge Bewegung fördern, die sich befreien wollten aus der Feffel der bürgerlichen Arbeiterbildungsvereine". Wenige waren es vorerft, die sich aufrichteten und noch nicht zermürbt waren durch das immer drückender werdende Joch des Rapitalismus. Ihr Hauptinteresse tonzentrierte fich auf die Nationalökonomie und die an diese grenzenden Gebiete. Das er lärt sich aus dem ungeheuren Aufschwung, den Industrie und Ber fehr in der letzten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in Deutsch land nahmen. Hinzu kamen die durch den Deutsch - Französischen Krieg von 1870/71 nach Deutschland gebrachten Kriegsentschädigungen, die eine Flut von industriellen Neugründungen aller Art zur Folge hatten.
Man spricht von dieser Zeit mit Recht als von den Gründer. jahren, denen bald die Zusammenbrüche folgten. Darunter hatte am stärksten wieder die Arbeiterschaft zu leiden, und es drängte sich ihr die Frage auf: warum tommt das alles gerade so, nach welchen Gesetzen bewegt sich die Wirtschaft? Eine Antwort darauf ließ sich nicht aus dem Stegreif geben, dazu gehörte die gnaue Kenntnis der Vorgänge in der Wirtschaft. Anleitung zur Beantwortung dieser Fragen gaben die Werte von Karl Marx und Friedrich Engels , die damals ihren Weg durch die deutsche Arbeiterschaft fanden. Sie zeigten, daß eine Befreiung der Arbeiterschaft von bürgerlicher Seite nicht möglich ist, sondern daß das Proletariat sich felbft befreien muß. Das war eine Bewußtmachung der großen Aufgaben, zu gleich aber eine Verpflichtung, an sich selbst zu arbeiten im Interesse aller. Doch ich will hier feinen Abriß der Geschichte der Arbeiter. bewegung geben, sondern nur zeigen, wie dieses ökonomische Denken bedingt war durch die wirtschaftlichen Verhältnisse.
In de Mans Büchlein wird nach einer Bestimmung der Kultur als Gestaltung des äußeren Lebens und Schaffung einer ethischen Norm für die Gemeinschaft, der Egoismus und die llnwahrhaftigfeit der bürgerlichen Kultur gekennzeichnet und ihr das sozialistische Kulturideal des Gemeinschaftsdienstes entgegengestellt. Im angeblich nur vom Intereffe" diftierten Klassenfampf hat das Proletariat bewußt die schwersten Opfer gebracht. Allerdings streiten sich in der Seele des sozialistischen Arbeiters die Nachahmungs- und Anpaffungs triebe( gegenüber der kapitalistischen Umwelt) mit dem fittlichen Gefühl der Auflehnung. Heute, wo der aus seiner Heldenzeit" herausgetretene Sozialismus eine Massenbewegung geworden ist und naheliegende wirtschaftliche Vorteile erzielt, ist die Gefahr wirt schaftlich der Anpaffung und kulturell der Verspießung afut geftem Kampf gegen den herrschenden Staat und seine Organe. Der worden. In voller Erkenntnis dessen, daß für die große Masse erit die Befriedigung der förperlichen Bedürfnisse möglich fein muß, ehe fie fulturfähig wird, muß es doch auch heute schon eine Minderheit folcher Menschen, zumal solcher junger Menschen geben, die mit dem feurigen Willen zur sozialistischen Kultur befeelt, und in ihrer Lebensführung ein lebendiges Beispiel darstellend, den anderen vorafschreiten, unabhängig von irgendeiner„ Reife" irgendwelcher Verhältnisse". Denn die neuen Verhältnisse fönnen nur das Berk von neuen Menschen sein. Der Kapitalismus und die bürgerliche Kultur fönnen nur überwunden werden, wenn wir sie auch und zunächst in uns selber überwinden."
-
Leider bricht das Büchlein de Mans an der Stelle ab, wo inan wenigstens andeutungsweise etwas Näheres über die Beschaffenheit der kommenden sozialistischen Kultur hören möchte. Man hat das gleiche Bedauern wie nach dem Lesen feines großen Wertes: zuviel Betrachtung, zuviel Beschreibung dessen, was war und ist und zu wenig positive Zielfeßung bei jemandem, der gerade immer die Bedeutung des auf positive Ziele gerichteten Willens betont. Hier bleibt de Man entschieden eine Lüde auszufüllen. Ebenfalls sei den optimistischen Erwartungen de Mans bezüglich einer sozialistischen Massenkultur folgende Erwägung gegenübergesetzt: auch im Feudalismus und im Kapitalismus war unter den günstigsten äußeren Bedingungen für die gesamte herrschende Schicht nur ein fleiner Bruchteil wahrhaft kulturerfüllt. Warum sollte es im Sozialismus soviel anders sein? Wir müssen der Tatsache ins Auge fehen können, daß all unser Kampf der großen Masse vielleicht nur die Erlösung vom äußeren Drud bringt, und müssen lernen, auch dieses Ziel des Kampfes wert zu erachten.
nach Bildung inhaltlich erweitert und umfaßt mehr als nur die Heute, nach mehr als einem halben Jahrhundert, ist dieser Ruf ökonomische Seite. Auch das ist bedingt durch die wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen, die sich inzwischen vollzogen haben. Vor 50 Jahren stand die Arbeiterklasse als Organisation in schärf Staat schifanierte auf jede Weise die Arbeiter, warf fie um nichts ins Gefängnis und machte sie durch Ausweisung heimatlos. Nicht einmal Nachtwächter durfte so ein gefährlicher Sozialdemokrat wurden ihre Anhänger als Auswurf der Menschheit behandelt. So werden. Lange Jahre war die Bewegung zur Illegalität verurteilt, ist es kein Wunder, daß das organisatorische Interesse auch für Inhalt und Weg der Bildungsarbeit ausschlaggebend war
Jezt hat sich dies entsprechend der geschichtlichen Entwicklung geändert, die Arbeiterbewegung ist zu einem der stärksten politischen Machtfaktoren geworden. Die Arbeiterschaft ist aus ihrer reinen Oppofition heraus- und zur aktiven Mitarbeit übergegangen. Das hat nun auch zur Folge eine vollständige Umstellung und Erweiterung der Bildungsarbeit. Jegt genügt es nicht mehr, mit agitatorischen Reden wichtige Probleme erledigen" zu wollen, sondern es heißt mit fachlichen Argumenten den Gegner bekämpfen und zugleich positive Aufbauarbeit, Neugestaltung zu leisten in Wirtfchaft und Staat.
Eine starte Jugend, die in Gruppen über das ganze Land ver breitet ist, bildet für die Bewegung den Nachwuchs, den die Partei braucht. Auch die Jugendbewegung hat, ihre Aufgaben für die Zukunft erkennend, neben der Betonung des wirtschaftlichen Kampfes, die Kultur- und Bildungsfragen in ihr Programm aufgenommen. Und mit Recht: wir wollen uns darüber klar sein, was die Zukunft von uns verlangt, und wie wenig uns die bürgerliche Schule mit auf den Weg gegeben hat. Die Jugend von heute ist die Arbeiter schaft von morgen. Da heißt es denn, mit flarem Kopf in den Kampf treten; da heißt es, in der Kommune seinen Mann stehen,