reizen uns zu ihrer Bezwingung. Doch manch einem unter uns wird wohi erst jetzt»eben der Schönheit der Berge die Gefährlich- teil ihrer Besteigung so recht bewuht. Weiter geht es über G'röll, über Ichneebedechte Felsen in immer größere Höhen. Hoch über uns. aus dem Kamm des Gebirges, winkt eine rote Fahne. Schle- fische Arbeiterjugend. Burschen und Mädel mit vollem Gepäck, haben von der anderen Seite her den Dachstein bestiegen. Oben ein kr äs- tigesFreundschaft", kurze Rast, und weiter geht es bergauf, berq- ab zum Tuttenberg-Haus. Hier beginnen wir den Abstieg, der sich nicht weniger mühevoll gestaltet, und am späten Nachmittag erreichen wir wieder unser Quartier. Ein erfrischendes Bäd. ein kräftiger Imbiß, ein paar fröhlich« Lieder, und bald findet unser Heulager seine müden Gäste. Ein anstrengender Tag. doch überaus reich an unvergeßlichen Erlebnilsen. Bischhosshosen. Unser letztes Quartier auf österreichischem Ge­biet. Zwei Genossen hatten vorher für Unterkunst und Verpflegung gesorgt. Ankunft im Gasthaus. Begrüßung als Arbeiterjugend und Reichsdeutsche durch die Bevölkerung gleich herzlich Plötzlich geht ein Aushorchen durch unsere Reihen. Aus einem Klavier er- tönt es:Es braust ein Ruf«ne Donnerhall..." Was ist das? Gilt diese Hymne uns? Einige Genossen erkundigen sich. Es stellt sich heraus: ein ebenso anschluh. wie musikl egeisterter Bürger wollte die Deutschen   mitihrem" Liode begrüßen. Als man ihm bedeutete. daß diese Art der Begrüßung durchaus nicht am Platze sei, sindet er nicht endenwollende Worte der Entschuldigung. Unsere Fahrt neigt sich ihrem Ende zu. Am nächsten Morgen bringt uns die Eisenbahn nach Salzburg  , dem Treffpunkt vieler Berliner   Gruppen für die Heimreise. Zwei- hundert Genossen finden sich ein. Die Formalitäten für die Bahn- fahrt sind bald erledigt. Der Fahrdienstleiter hat für genügerod Platz gesorgt. Doch eine Schwierigkeit stellt sich heraus. Die Fahrt geht zunächst nur bis München  , und in Salzburg   erreicht uns der Bescheid, daß Quartiere für die Nacht vom Sonnabend zum Sonn- tag i» München   nicht zur Bersüqung sieben. Der Grund wird uns erst später bekannt: In München   ist Reichskriegertag des Kyff- häuser-Bundes. Doch wir liehen uns durch diese bittere Tatfache nicht weiter verdrießen. München  . In geschlossenem Zuge ging es vom Hauptbahnhof zum Gewerkschaftshaus. Trotzig hallten unsere Kampflieder in den Straßen wider und ließen die bestürzten Vertreter einer überlebten Zeit aushorchen. In einem Saal in der Nähe des Gewerkschatts- Hauses fanden wir zunächst Unterkunft. Verhandlungen mit der Reichsbahn stellten uns in Aussicht, einen Teil unserer Genossen noch am Abend mit dem D-Zug nach Berlin   zu schassen. Wir waren gerade damit beschäftigt, die hierfür in Frage kommenden Genossen zusammenzustellen, als man uns zum Bewußtsein brachte, daß es in München   auch eine Hobe Obriakeit gibt, die sich um uns tümmert: Kriminalpolizei  !"Sie haben die Bannmeile überschritten! Sie haben gesungen, ohne vorher die Genehmigung dazu einzu- holen!" Diese und ähnliche Worte drangen an unsere Ohren. Es gelang uns schließlich, dem Mann klarzumachen, daß wir nicht die Absicht haben, die Räterepublik erneut in München   zu proklamieren, fondern daß wir auf dem schnellsten Wege nach Berlin   wollen. Wir baten Ihn sogar, uns dabei behilflich zu fein. Hier sah der gestrenge Hüter der bayerischen Ordnung eine Möglichkeit, unslästige Aus- länder" loszuwerden. Unter Berufung auf das hohe Münchener  Pottzeipräfidiüm wurde es uns dann ermöglicht, daß 116 Genossen noch am Abend mit dem D-Zug die Heimreise antraten. Der Rest mußte wohl oder übel die Nacht in München   verbringen und benutzte am Sonntagmorgen den fahrplanmäßigen Personenzug. So fand dann unsere an Erlebnissen so reiche Fahrt einen immerhin nicht uninteressanten Abschluß. Kurt Arnold. Wien   in christlicher Beleuchtung. In derAugsburger Postzeitung", einem sührenden Organ der Bayerifchen Bolkspartei, finden wir»In« sehr ernst« Betrachtung über das Internationale Jugendtreffen in Wien  . Darin wird die vortrefflich« Organisation der sozialistischen   Jugend rückhaltlos an- «rkannt und vergleiche mit katholischen Organisationen angestellt. Wir dürfen heißt es in derAugsdurger Postzeitung" nicht in den Fehler verfallen, achselzuckend an den Geschehen vor- überzugehen, weil wir lernen sollen, was wir für unser« Jugend noch zu tun haben. Wir haben lebensfähig« und kräftige Jugend­organisationen, aber es fehlt noch vieles, was im sozialistischen   Lager schon längst zur Tat geworden ist. Wir sehen, wie ungemein rasch die sozialistische Jugendbewegung wuchs, und der letzte Kongreß in Wien   hat uns gezeigt, daß wir es heut« mit einer Bewegung zu tun haben, die uns zu ernstem Nachdenken zwingt. Die sozialistische Jugend, die in Wien   zusammentrat, sie weiß, was fl« will. Sie will der Partei frisches Blut zuführen und eine Verjüngung durchsetzen. Auf kulturellem Gebiet finden wir Leistungen, die das, was andere Iugendverbände leisten, recht beträchtlich übertreffen. Die sozialistische Jugend ist viel schneller, stoßkräftiger, als die unsere. Was das Iugendherz erfreuen kann, wird gepflegt, und es herrscht Leben und Freude in allen Bewegungen. In letzter Zeit wird durch diese sozialistische Jugendbewegung gerade in unseren Reihen Verwirrung angerichtet, weil oft nicht unsere schlechtesten Jugendlichen Anschluß bei den sozialistischen   Gruppen suchen." Kuri Kläber, ein junger Arbeiierdichier. Kein zweiter Dichter war i» einem so elementaren Sinne der freien böndijchen Jugend Deutschlands   Hoffnung und Ausblick. Wa» Paul Alverdes   den Reichspfadsindern(und darüber hinaus), Walter Flex   dem Wandervogel war, das war und ist Kurt Kl über dem arbeitenden Jungvolk. Seine erste» Gedicht«Neue Zeil" (Jenaer Volksbuchhandlung) lasen wir mit rotbeseuertem Gesicht in den Mittagspausen, auf Fahrt, zwischen Wald und dem schmalen Streifen Himmel, der uns Sonntags für wenige Stunden geschenkt war. Wenn wir oft nach all den schmerzlichen Enttäuschungen des Lebens soft verzweiseln wollten, sangen wir Kläbers schlichics Ge­dicht:Der neue Mensch" vor uns hin: Ich stehe in all den lodernden Flammen, Ein wcineirder Mensch mit getretenem Leib, Es fallen die Welten in mir zusammen, Ich bin ein in Flammen gebärendes Weib! Noch brennen in mir nur rasende Schmerzen, Noch blute ich heiß aus Wunden und Spott, Ich ahn« nur tief In meinem Herzen De» neuen Menschen wie einen Gottl" Es kam dann wieder Mut in uns auf, Glaube, wir ballten die Faust noch fester, Wind flog in unsere Fahnen zum Teufel auch! Wir sind nichts, doch:Lasset uns die Welt gewinnen!" (Barthel.) Heute, wo selbst die Jüngsten unter den Jungen be- dächtiger erscheinen, ist das arbeitende Jungvolk und die Anteilnahme ihren Dichtern gegenüber nicht zukunstsungläubiger, doch u n- romantischer geworden. Das ist kein Vorwurf, im Gegenteil, das Plus ihrer inneren Selbständigkeit und ihres größeren Wirk- lichkeitssinnes adelt das Tun und Lassen dieser Jugend. Wenn sie noch vor wenigen Jahren allen möglichen und unmöglichen Phan- tastereien nachhing, und damit«ine Welt zu verändern glaubte, war das ihr gutes Recht, gutes Recht, solange sie nichts zu verliere» hatte. Der Geist, der sie heute beseelt, ist«in kritischer Geist ge- worden; der Blick ist klarer, das Auge hellsichtiger, die Hand liegt am Steuer. Diese andeutende charakterisierende Betrachtung eines Jugend- alters als Einleitung ist nichts weiter als eine fragmentarische Rand- bemerkung zu dem Werk Kurt Kläbers. Die uns heute vorliegenden Mcher berühren mit Deutlichkeit den Schnittpunkt dieser Umwand- lung, oder besser, dieser Gestaltwerdung(nach einer Zeit des Vagen, Verschwommenen, Unkörperlichen), einer neuen Jugendlichkeit oder wenigstens sehe ich es so. Kläbers Entwicklung ist die einer ganzen Jugend gewesen mit all ihren Irrtümern, romantischem Aberglauben und schiefen Erkenntnissen, die darum schief waren, weil sie einst in den Tätigkeitsprozeß der Gesellschaft organisch eingegliedert waren, sondern zu einem Leben nebenher(in Siedlungen, Werksgemeinschaft, aus der Landstraße) berechtigen sollten. Heute glaubt zum Beispiel kein sechzehnjähriger Ar- beiterjunge mehr, die Welt durch Fabrikatton von Holzleuchtern oder durch das Tragen langen Kopfhaares erlösen zu können. Die Zahl derjenigen, die noch immer aus die kleinen Propheten und Psychopathen hereingefallen ist, ist bedeutend zusammen- geschrumpft und hat sich zugunsten älterer Jahrgänge(Rentiers und Stistsdamen) verschoben. Lächerlich ist aber auch der Gedanke, durch eine Handvoll schöner Worte, die ein Gedicht ausstreut, Brot und Freiheit für alle zu schassen. Was wir Jugendbewegung nannten, war ja ein Teil jener politischen Schwärmer, die von ihren mit Bc- schlag belegten Dichtern gleich« Unkenntnis weltpolitischer und volks- wirlschastlicher Zusammenhäng« verlangte. Dafür Gedichte, die fast alle mitMorgenrot" ausklangen. Man soll mich nicht mißverstehen, ich plädiere keineswegs gegen dasschöne Gedicht", nicht gegen George, Rilke u. a.. ich plädiere lediglich für dasschöne Gedicht" al» Privatvergnügen des einzelnen. Die Zeit und die Not der Zeit geht darüber hinweg. Ich fühle, wie langsam aber unerbittlich sich alles von mir löst, was für diese Erde zu weich war", schrieb Äläber 1921. Er muhte erst ins Bergwerk, 700 Meter unter der Erde, Kohlen schauseln, mit zerrissener Haut und zerbeulten Händen, damit der Wille stählerner, das Wort gezackter, die Antwort auf die Frage: ,LLas ist zu tun?" härter und entschlossener wurde.Wir jungen Menschen leiden alle unter dem Gedanken, daß unsere Arbeit dos Zerbrechende, Trostlos« unseres Lebens ist. Wir sehen in Fabrik, Bureau und ollen anderen Berufen Hemmungen unserer Wirklich- keit, unseres Seins und unserer Freiheit. Junge Menschen, Arbeiter und ihr anderen, wenn wir uns nicht über unsere Arbelt stellen, und sie unter uns zwingen, sie als das Werkzeug und die Tat unserer Kräfte ansehen, können wir auf dieser Erde nicht bewußt und frei leben." Das sind wohl noch Vokabeln der Jugendbewegung, bekunden aber den entschlossensten, tapfersten Teil dieser Bewegung. Der Reifeprozeß dieser Jugend war auch der Reifeprozeß des Dichter» Kurt Kläfccr. Es gab wenig« Werke innerhalb der Arbeiterdichtung der letzten Jahrzehnte, die man so freudig und bekenntnishast begrüßen könnte, wie das Werk Kurt Kläbers(Empor! Empörer!", Verlag der Syn- dikalift, Berlin   O. 34.Barrikaden an der Ruhr", Verlag der Iugendiuternationale, Berlin  ,Revolutionäre  ". Roter-Türmer-Ver- lag, Leipzig  ,Die Passagiere der Dritten Klasse", Roman, Inter  - nationaler Arbeiterverlag, Berlin  ). Wir wissen, daß es ein junger Arbeiter schrieb und das durch Krieg, Revolution, Amerikasahrt in ihrer formalen und gesinnungsgemähen Bedeutung verursacht wurde. Die Diktion dieser Bücher ist nicht neu, wir kennen sie von Zola, Sinclair, Jack London   her; aber seine �orinsicher« Hand überwältigt