Nr. 65.
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Berliner Volksblatt.
15. Jahrg.
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Xernsprecher: Rmt I, Mr. 1508. Telegramm Adresse: Bozialdemokrat Berlin".
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Freitag, den 18. März 1898.
Bum 18. März 1848-1898.
Und abermals die Todten an die Lebenden.
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Die Kugel miffen in der Brust, die Stirne breit gespalten, So habt ihr uns auf bluf'gem Brett hoch in die Tuft gehalten! So farben für die Freiheit wir, in jenem großen Wagen, In Sturmbewegter Märzenzeit, im Bölkerfrühlingskagen! Das war ein langer, langer Bug vorbei am düstern Schloffe, Und stolz trug seine Flinte noch manch' braver Kampfgenosse! Ja, Bolk, mit deinem ganzen Stolz begrubst du deine Krieger, Denn damals warst du souverän, damals warst du der Sieger! Der König wankte selbst herab, zu grüßen deine Todken, Der Gruß der Achtung war noch nicht dir offiziell verboken! Du riefst befehlend:„ Müke ab!" Bwar klang es wild und schrille, Doch damals warßt Du souverän und so geschah dein Wille!
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Ein halb Jahrhundert rauschte hin seit jenen Todeswunden, D, Freiheit, Himmelskönigin, welch' Toos hast Du gefunden! Dein Wille! Bolk! Das große Wort, uns Todte macht's erschauern, Derwest, im Grabe müssen wir euch Tebende betrauern.
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Im Winkel draußen vor der Stadt, an abgeleg'ner Stätte, Dort frauern wir um dich, du Volk, im stillen Todtenbette. Mur die uns fuchen, finden uns, uns suchen nicht die Großen, Wir, das Gefindel, find für sie geächtet und verftohen. Hier sollen wir vergessen sein, wir die Rebellenbande, Versteckt im Busch im Friedrichshain , verborgen wie die Schande! Du Dolk der Arbeit suchtest uns; an deinen Feiertagen Hast du so manchen grünen Kranz zu uns hinausgetragen. Du fuchtest deine Todten auf, die Deinen ohne Scheuen, mit jedem Jahr zur Märzenzeit dein Hoffen zu erneuen! In fillem Bug zogft Du vorbei, ein rechter Codkenreigen Der Frühling nur sein Sturmlied fang in den enklaubten Bweigen Und dir im Blick lag stets ein Grimm, wenn du, zu Gräbern wallend, Durch Polizistenketten gingft, voll Born die Hände ballend!
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Ja, dir lebt noch der rechte Grimm, du wirst uns einst beerben, Hmsonst war nicht die blut'ge Saat, umsonst nicht unser Sterben. Die heißen Kämpfe uns'rer Beit, sie brachten doch in's Rollen Das Steinchen, das lawinengleich sets wächst mit deinem Wollen! mit jedem neuen Frühlingssturm, mit jedem neuen Märzen Klafft jede alte Wunde neu, nur wilder sind die Schmerzen! Dur schwerer, biffrer ist die Moth, und wie in alten Tagen Man uns befrog, betrügt man dich, um Schuld auf Schuld zu fragen.
Der achtzehnke März,
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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3:
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Die fattgefog'ne Reaktion in alfer Frechheit büffelt, Und an das Recht, das dir noch blieb, wird höhnisch, dreift gerüffelt. Grad' fünfzig Jahre sind vorbei, da wandert, o Berhängnik! Der treue Kamerad von uns noch einmal in's Gefängniß! Dein Veteran, dein General, muß hinter Kerkermauern, Wie wir, die Schaffen jener Beit, dich armes Polk befrauern! Treu blieb er sich, treu blieb er dir, und stolz in weißen Haaren Wird er, der uns einst sterben sah, auch uns die Treue wahren! Und so wie er, wirst du, o Dolk, uns ohne Denkstein Und wenn Dir die Erlösung fagt, uns Ehrenkränze winden! wir Todten müssen lachen! Um diesen Denkstein ftritten sie, Wir Codken! Solchen Wih kann nur die Weltgeschichte machen! Heut scheint der Demokratengeift, der Bürgerstolz vor Kronen Micht mehr im magistratspalast, im rothen Haus zu wohnen. Den liberalen Wadelstrumpf läßt schon ein Wink erziffern Und Patriofennafen sind von jeher fein im Wiltern;
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So manchen, der in alter Beit gehört zu den Rebellen, Schmückt heut, denn anders weht die Tuff, an Drdensband drei Ellen! Ein ganzer Klüngel schimpft dazu, das ist der Chor der Streber, Befudelnd uns Begrabene, die summen, sillen Gräber:
Ein Denkmal diesem Mordgezücht, den Fremden, Juden, Polen ? In uns'rer schönen Kaiserstadt? Der Teufel soll sie holen!"
Bum Teufel, ja, brüllt nur Hurrah! Wir, die wir längst begraben, Wir werden euch zum Troke noch ein ew'ges Leben haben! Wir Todten der Vergangenheit, wir werden ewig leben, Du, Dolk der Arbeit, wirst uns off, noch in die Tüfte heben! Als eine Mahnung, stumm und ernst, nicht davon abzulassen, Wie wir in jener großen Beit die Tyrannei zu haffen! Denn dir ist ja der Grimm von einst, der rothe noch geblieben, Die Knechtschaft, die du täglich fühlst, lehrt dich die Freiheit lieben. D, pflege diese Liebe treu und ordne die Armeen
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Der Arbeit! Eines Tags wird Holy Dein Flammenbanner wehen! Thürm' himmelhoch das freie Wort zu Geistesbarrikaden, Wir Geister der Erschlagenen woll'n uns zu Gaste laden Bei jedem neuen Geisteskampf für deine Menschenrechte Des Sieges Sonne leuchtet nur dem streifbaren Geschlechte! Glück auf zum Kampf! Glück auf zum Sieg! Dah endlich diese Erde, In die man uns gebettet hat, durch euch die freie werde! Dann legen wir uns noch einmal zurecht zum ew'gen Schlafen, Den schönsten Denkstein über uns:„ Die Freiheit fonder Sklaven".
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Hermann Schmidt.
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König fich zum Nachgeben: im amtlichen Blatt wurde außer[ Jm Nu war die Szene verändert. Dem Jubelruf der sofortigen Einberufung des Vereinigten Landtages folgten Schreie der Wuth und der Rache. Wir die Aufhebung der Zensur angekündigt und eine sind verrathen! Zu den Waffen! Barrikaden!" Und Neugestaltung des deutschen Bundes, die nun war kein Halten mehr. Die Lawine war losgelöst, sie dieser Tag, vom internationalen Proletariat dem Andenken eine tonstitutionelle Verfassung in allen donnerte hernieder auf das alte Preußen. seiner Vortämpfer und all' derer, die für die Sache des deutschen Ländern nothwendig mache". Das war Man hat gesagt, die zwei Gewehre, deren Kugeln übrigens arbeitenden Boltes und der Menschheit ihr Leben gaben, ge- nichts, schien aber etwas, und das Volk in seiner wunder- niemand verwundeten, seien von selbst losgegangen", alles sei widmet, hat heuer für das deutsche Proletariat eine außer baren Bescheidenheit und Naivetät wurde von so brennender ein Mißverständniß" gewesen. Ein tombinirter Angewöhnliche, eine erhöhte Bedeutung. Denn heuer am acht Freude erfüllt, daß es nachmittags gegen 22 Uhr vor das griff, wie der feige Ueberfall des 18. März war, mußte in zehnten März begehen wir das Jubelfest der deutschen Schloß zog, um dem König zu danken. Und der König sonnte jedem Falle vorher verabredet gewesen sein. Noch kindischer Märzrevolution, die vor fünfzig Jahren die Faust erhob sich auf dem Balkon seines Schlosses in den warmen ist das Gerede, der Ausbruch des Volkszornes sei das Werk zum entscheidenden Schlag gegen die Feinde, welche das lange Strahlen der Volksthümlichkeit. einer Verschwörung" gewesen, und zwar nach der gefuechtete Bolt frech herausgefordert hatten. Tas war die erste Hälfte des 18. März. Hätte die gewöhnlichsten Lesart, das Werk polnischer, jüdischer und Am 13. März 1848 brach das Desterreich Metternich's zweite ihr entsprochen, wir feierten hente nicht das Jubelfest französischer Verschwörer. Das ist so blödsinnig, daß es eine zusammen. An demselben Tage kam es in Berlin zu dem der Märzrevolution. Die Wasser der Bewegung wären ruhig Beleidigung des Lesers wäre, den Aberwizz nachweisen zu ersten blutigen Zusammenstoß. Das' reaktionäre Junkerthum verlaufen, und sobald die Ueberschwemmung vorüber, hätte die wollen. Verschwörer", so weit von„ Verschwörung" die Nede in den Offizierstellen hetzte die Truppen auf und ging gewalt Reaktion das Bolt wieder in den alten Stall eingesperrt. sein kann, sind die gewesen, welche den feigen Ueberfall verthätig gegen die Versammlungen der Bürger vor. Es erscholl Zum Glück ist das vermieden worden; und wiederum hat es anstaltet haben. der Ruf nach Barrikaden. Die Truppen wurden zurück- fich hier gezeigt, daß die Feinde des Volkes die Urheber der beordert, der König versprach die Einberufung des Vereinigten Revolution sind. Landtages. Aber das konnte nicht genügen und die Unruhe nahm immer mehr zu.
Während das Volk dem König zujubelt, rückt plöglich im Sturmschritt Militär aus dem Schloßhofe und reiten im selben Endlich am 18. März, der verschiedene Bürgerdeputationen Moment von der Seite Dragoner heran und in die Menge bei dem König sah, namentlich eine aus dem Rheinland , die hinein, die entsetzt auseinanderstiebt, und zugleich fallen zwei den Ernst der Lage eindrucksvoll schilderte, entschloß der Schüsse. Das war kurz nach 2 Uhr.
Binnen einer Stunde war die Stadt mit Barrikaden bes deckt; um 1/24 Uhr ungefähr griff das Militär zuerst an, nachdem mehrere Vermittlungsversuche mißlungen waren. Es wurde erbittert gekämpft. Das kämpfende Volt, meist Arbeiter, dar unter auch Bürger, ersetzte durch Begeisterung und Todesmuth die Mangelhaftigkeit der Bewaffnung. Die Soldaten, von den Barrikaden aus beschossen, von den Dächern und aus den