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selbe begann damit, in schuimeisterlichem Ton den Abgeordneten Kardorff wegen einiger heftigen Ausfälle gegen die dominirende Wirthschaftspolitik zurechtweisen zu wollen. Dann folgte ein warmes Lob der konstitutionellen" Ausführungen des Finanz­ministers, die eine Verständigung möglich machten". Ganz nationalliberal! Dem entsprechend waren auch die weiteren Ausführungen Laster's   in der Hauptsache rein formaler Natur. Erst gegen den Schluß seiner Rede erhob er sich zu einer schar­fen Polemit gegen die Abgg. v. Minnigerode und v. Kardorff, welche die liberale Partei für die jetzige Krisis verantwortlich ge­macht hatten.

Bei dem Schluß der Laster'schen Rede war es ein Viertel auf Fünf geworden. Abgeordneter Bebel erneuerte den Antrag auf Vertagung, der Antrag wurde abermals abgelehnt.

Es folgt eine kurze nihtssagende Replik des weimarischen Bundeskommissars gegen den Abgeordneten Richter, die, wenn sie die vom Finanzminister Camphausen erbetene Hülfe aus dem Bundesrath vorstellen sollte, schwerlich dem gehegten Wunsche entsprochen haben dürfte.

Bundeskommiffar Michaelis hielt es für nothwendig, trot der späten Stunde noch einmal das Wort zu ergreifen, um die Regierung gegen die Angriffe des Abgeordneten Richter zu ver­theidigen, aber er predigte tauben Ohren. Mit der Länge seiner Rede nahm die Unruhe und Unaufmerksamkeit im Hause in jeder Minute zu, so daß er schließlich nur für die Stenographen sprach. Es erfolgt ein erneuter Vertagungsantrag des Abg. Bebel und von Denzin. Das Burean erklärt nach langer Berathung, daß für den Antrag nur die Minorität stimmt. Der Antrag des bekannten Schlußantragstellers, Abg. Valentin, fand dagegen die Majorität, und so wurde abermals, nachdem Redner aller Par­teien des Hauses, zum Theil in mehrfacher Vertretung, zum Wort gelangt waren, dem socialistischen Redner, Abg. Liebknecht, das Wort abgeschnitten.

stehende höhere Biersteuer zu acceptiren, wenn dafür die Baye­ rische   Gesetzgebung und Praxis für das Bierbrauen überall ein­geführt werde.

Abg. Lucius, der Intimus des Fürsten Bismarck, verthei­digt in fließendem Vortrage die Einführung der indirekten Steuern, die er nicht blos im Reich, sondern als Haupteinnahmequelle im Einzelstaat und den Communen eingeführt zu werden wünscht. In dieser Beziehung sieht er gleich dem Fürsten Bismarck in Frankreich   sein Jdeal, dessen Steuererträgnisse zu einem unver­hältnißmäßig großen Theil aus den indirekten Steuern resultire.

Es läßt sich nicht verkennen, daß unser heutiges Staats­system und die riesenhaften Anforderungen, die es stellt, die Bour­geoisie wegen Aufbringung der nöthigen Mittel in die äußerste Verlegenheit bringt. Die Ansprüche werden täglich größer, selbst mag sie nicht die Lasten übernehmen, in direkter Weise die Massen noch mehr zu belasten, ist äußerst gefährlich, so verfällt sie auf das echte Auskunftsmittel, die Erhöhung der indirekten Steuern. Doch an der wachsenden Einsicht der Massen wird auch diese Absicht scheitern.

Bundeskommissar Camphausen stellt eine Reihe von Miß verständnissen klar und verwahrt sich dagegen, als habe er die neuen Steuervorlagen selbst fallen gelassen.

Abgeordneter Windthorst- Meppen ist der Ansicht, daß zwar die Finanzen des Reiches in feinem guten Zustande seien, glaubt aber, daß sich dem nicht durch neue Steuern, sondern durch Er­sparungen abhelfen lasse. Großes Unbehagen bei der Majorität riefen Windthorst's Aeußerungen über den Nothstand hervor. Die Majorität leugnet diesen Nothstand, wie das aus den Aeuße rungen verschiedener Redner hervorging. Dann aber kam der reaktionäre Pferdefuß zum Vorschein. Herr Windthorst verlangte eine Revision des Freizügigkeits- und Gewerbegesetzes im zünft­lerischen Sinn. lerischen Sinn. Im Ganzen waren die Auseinandersetzungen des Abgeordneten für Meppen   matt, die Rede war ein Ümber­irren auf den verschiedensten Gebieten. Eins war indeß in den Aeußerungen Windthorst's für die Stellung des Centrums von entscheidender Bedeutung, Herr Windthorst erklärte sich ebenfalls für das indirekte Steuersystem, das er namentlich deshalb befür­wortete man höre und staune weil ein gerechtes Ein­Nächste Sigung Montag, 12 Uhr. Tagesordnung: Die kommensteuer- System undurchführbar sei. Darnach kann neuen Steuern. man bemessen, was den Klagen über den bestehenden Nothstand und der Arbeiterfreundlichkeit des Centrums für ein Werth bei­zulegen ist. Alle Parteien im Reichstage, mit Ausnahme der Socialisten, sind einig darin, hauptsächlich auf die arbeitende Klaffe die Steuerlaſt abzuwälzen.

Wir fügen dieser Thatsache kein Wort hinzu, der Parla­mentarismus richtet sich selbst.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen wurde das Budget in seinen Haupttheilen vor eine Kommission verwiesen.

Schluß der Situng 4

Uhr.

Sigung vom 22. November.

Die getreuen Reichsboten sahen der Eröffnung der heutigen Sigung in besonders feierlicher Stimmung entgegen. Der Hei­lige von Varzin   hatte endlich seine Einsiedelei verlassen und sollte, einem verbürgten Gerüchte zufolge, in der Sigung erscheinen, um die neuen Steuervorlagen zu vertheidigen, die nach dem Gang der Verhandlungen vom Freitag zum Sonnabend so gut als ab= gethan zu betrachten waren.

Die Tagesordnung bildet die Berathung der Gesetz- Ent­würfe für Aufnahme einer Anleihe zu Zwecken der Telegraphen­Verwaltung, die Brausteuer und die Börsensteuer.

Während der verschiedenen kleineren Mittheilungen, welche der Präsident bei Beginn der Sigung macht, tritt Fürst Bis­mard in das Haus und wird schweigend empfangen.

Der erste Gegenstaud der Tagesordnung, betreffend die An­leihe für Telegraphenzwecke wird rasch erledigt. Der Oberpost­leiter Dr. Stephan begründet die Vorlage. Abg. Schmidt- Stet­tin hat allerlei Wünsche für seine Freunde in der Bourgeoisie, Abg. Grumbrecht- Harburg ist von den Ausführungen des Herrn Oberpostleiters wenig erbaut und sieht auch in der Telegraphen­verwaltung ein sich rasch steigerndes Defizit, das namentlich durch die Menge der kleinen Stationen, die ihre Kosten nicht trügen, herbeigeführt würde.

Nach einer Entgegnung Seitens des Oberpostleiters Dr. Stephan wird die erste Lesung des Gefeßentwurfs geschlossen und derselbe an die Budgetkommission verwiesen.

Die Debatte über den zweiten Punkt der Tagesordnung ( Brausteuer) wird durch eine Rede des Reichskanzlers eröffnet. Fürst Bismarck   ergeht sich zunächst in Entschuldigungen über sein bisheriges Ausbleiben und giebt dieses hauptsächlich den Angriffen des Abg. Eugen Richter   Schuld, der durch seine Angriffe ganz wesentlich dazu beigetragen, wenn seine Gesundheit nicht die beste sei. Nach dem Abg. Richter erhielt die Presse einige derbe Hiebe, weil sie über das Fernbleiben des Kanzlers sich aufgehalten. Es scheint darnach, daß der Eifer in der Unterzeichnung von Straf­anträgen nicht ausreicht, die Nerven des Kanzlers vor jeder An­regung zu bewahren, und da erklärt sich das Bedürfniß nach neuen Strafverschärfungen von selbst.

Nach einer langen Einleitung gelangte der Kanzler endlich zur Vertheidigung der Steuervorlagen. Der Vortrag des Redners war häufig stockend und unsicher. Er betonte die Nothwendigkeit neuer Steuern im Interesse der Kleinstaaten, welche den an sie gestellten Anforderungen auf dem Wege der Matrikularumlagen nicht mehr genügen könnten. Herr von Bismarck   betrachtet die neuen Steuern als Kitt für die einzelnen Theile des Reichs, das nach seiner Ansicht noch nicht die Sicherheit der Dauer in sich habe, wie die Einzelstaaten. Er sei für die indirekten Steuern, als die zweckmäßigsten Steuern, bei den direkten Steuern sei er nur für eine Steuer, die Einkommensteuer, die er aber nicht als Finanzsteuer, sondern als Anstandssteuer" betrachtet wissen wolle, und die erst bei dem größeren Einkommen zu beginnen habe. Mit anderen Worten: Die Masse soll die Lasten tragen, die Einkommensteuer für die Reichen soll eben nur als Feigen­blatt dienen, womit man den indirekten Steuerndruck auf die Massen zu beschönigen und zu verdecken sucht.

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Die Rede des Reichskanzlers war in der Hauptsache ein Panegyrikus auf die indirekten Steuern, wobei er Ansichten zu Tage förderte, die Niemand mehr als der Social- Demokratie zu Statten kommen werden. Sicher ist die Bourgeoisie mit sei­nen finanz- ökonomischen Ansichten vollkommen einverstanden, das zeigte sich, als er davon sprach, daß man die Zölle auf so viele Gegenstände, die wenig einbrachten, aufhebe, dagegen auf 10 bis 15 der von den Massen konsumirten Gegenstände zu werfen habe, um hohe Einnahmen zu erzielen. Diese Ansicht fand den leb­haftesten Beifall im Hause. Aber sicher war es der Bourgeoisie nicht angenehm, daß er diese und ähnliche Ansichten in so un­verfrorner Weise aussprach und damit ihren Feinden in die Hände arbeitete.

Es wird Pflicht der socialdemokratischen Presse sein, die Bismard'sche Rede einer näheren Beleuchtung zu unterziehen, sie verdient diese Aufmerksamkeit in vollem Maße.

Abg. Löwe wendet sich in höchst schwächlicher Weise gegen die Ausführungen des Reichskanzlers und ergeht sich dann in lan­gen medicinisch technischen Auseiandersetzungen über die Art des Bierbrauens, seine Wirkung auf den Organismus und die beste Art Der Besteuerung. Er verlangt, daß, wenn man die Brausteuer erhöhen wolle, man zunächst feststelle, welcher Art das Bier sein müsse, für welches Steuern erhoben werden. Im Grunde ge­nommen geht Redner noch über die Bundesvorlage hinaus, in­bem er nicht abgeneigt ist, unter Umständen die in Bayern   be=

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Endlich gelangt der Abg. Liebknecht zum Wort. Die Zeit war bereits auf 24 Uhr vorgerückt.

Redner beginnt, an die Schlußworte des Vorredners über die Nothwendigkeit der Ministerverantwortlichkeit anknüpfend, daß diese Frage mehr als jede andere eine Machtfrage sei. Der Reichstag   habe aber mehr als jede andere Bolksvertretung sich der Macht, die er gehabt, freiwillig begeben. Redner beleuchtet nun in einer Rede, die nahezu eine Stunde währt, das gesammte politische und sociale System, das im heutigen Reiche besteht. Er wurde dabei mehrfach von der Majorität unterbrochen und auch vom Präsidenten der allen Vorrednern den weitesten Spielraum zu ihren Ausführungen gelassen mehrfach in un­gerechtfertigter Weise zur Sache verwiesen. Der Hinweis des Redners auf das System, das in Personen, wie Stieber und Wagner seinen Ausdruck findet, welch' letterer an den Rock­schößen des Fürsten Bismarck hänge, rief stürmisches Gelächter hervor, war aber zweifellos der Mehrheit und insbesondere dem anwesenden Reichskanzler, der in das Gelächter mit einstimmte, höchst unangenehm.

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Die Rede wird, sobald sie gedruckt vorliegt, in der socia­listischen Presse zum Abdruck kommen.

Nach dem Abg. Liebknecht nahm noch einer der kleinstaat­lichen Bundeskommissare das Wort, worauf der Schluß der De­batte ausgesprochen und die Biersteuer an die Budgetfommission verwiesen wurde.

Kaum begonnen, wird die Debatte über die Börsensteuer auf Antrag des Abg. Valentin geschlossen. Auch diese Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen.

Schluß der Sigung gegen 45 Uhr.

Sigung der Hülfskassen- Kommission am 20. Nov., Abends 8 Uhr.

Nach Eröffnung der Sigung durch den Vorsitzenden, Abg. Bamberger  , beantragt der Abg. Oppenheim einen Zusak zu§ 4, demnach über die eingetragenen Kaffen von den Behörden ein Register geführt werden soll, damit beispielsweise fremden Arbei­tern auf der Polizei nachgewiesen werden könne, welche Kaffen empfehlenswerth seien.( Der Antrag wird abgelehnt.)

Sodann entspinnt sich eine längere Debatte über den ersten Absatz des§ 5 hinsichtlich des Ausdrucks juristische Person. Die Abgeordneten Parisius und Jacobi erklären, daß der Begriff durchaus nicht festgestellt und es daher besser sei, diese mystische Berson fortzulassen, zumal die Pflichten der zur juristischen Per­fon erhobenen Kassen sich nicht wie beim Genossenschaftsgesetz auf die Haftbarkeit der einzelnen Mitglieder beziehen soll. Es wird beschlossen, den beregten Ausdruck, juristische Person, beizubehal­ten, mit der Erläuterung: daß für alle Verbindlichkeiten nur die Kasse haftet und die Mitglieder zu keiner andern Pflicht, als zur Zahlung ihres Beitrages angehalten werden können.

Der erste Absatz des§ 6 wird, wie folgt, abgeändert: ,, Der Beitritt der Mitglieder mittelst schriftlicher Erklärung, durch Unter­zeichnung des Statuts, oder durch eine Erklärung vor dem Vor­stand ist erforderlich."

Die Erklärung vor dem Vorstande glaubte man deshalb ein­schalten zu müssen, weil angenommen wurde, daß es noch eine ziemliche Anzahl Arbeiter gebe, welche des Schreibens nicht fundig.

Der zweite Absatz des§ 6, der eigentliche Schwerpunkt der ganzen Gefeßvorlage, der sogenannte Socialisten- und Ge­werkschaftsmörder, rief selbstverständlich eine lange und leb­hafte Debatte hervor; es waren zu diesem Al. 2 des§ 6 zwei Anträge eingebracht, der erste, vom Abg. Grumbrecht gestellte, lautete:

,, Den Mitgliedern dürfen keine Bedingungen zu bestimmten Zwecken und Voraussetzungen auferlegt werden, welche mit dem Zwecke der Krankenkasse nicht in Verbindung stehen."

Der zweite Antrag, vom Abg. Oppenheim  , wollte bezwecken, im§ 6 al. 2 die Worte: die Betheiligung an anderen Gesell­schaften oder Vereinen nicht zur Bedingung stellt, sowie", zu streichen.

Ein dritter Antrag wurde noch während der Debatte vom Abg. Hänel eingebracht, dahingehend, daß die Mitgliedschaft und deren Rechte nicht von der Betheiligung an besonderen Vereini­gungen oder Verabredungen abhängig gemacht werden dürfe, gegen die nach§ 152 der Gewerbeordnung weder Klage noch Beschwerde vor Gericht anhängig gemacht werden könne. So weit die Anträge.

Der Herr Regierungs- Kommissar vertheidigte den Satz,

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welcher den Gewerkschaften und Vereinen verbietet, den Mitglie­dern der Krankenkassen zugleich die Mitgliedschaft eines Gewerks oder sonstigen Vereins zur Pflicht aufzuerlegen, damit, daß er anführte, es werde heu zu Tage eine Tyrannei von Seiten der Gewerkschaften auf die Mitglieder ausgeübt und durch die Dro­hung, daß die sich nicht fügende Minorität ihre wohlerworbenen Rechtsansprüche in der Krankenkasse verlieren würden, wenn sie aus der Gewerkschaft ausgestoßen, würden oftmals Arbeiter zur Theilnahme an einem Strife getrieben, woran sie sonst nie ge­dacht hätten.

Als Beispiel wurden einzelne Paragraphen aus dem Statut des Mar Hirsch'schen Gewerkvereins, der Baugewerfarbeiter und aus dem Statut des social- demokratischen( ist der Ausdruck des Herrn Regierungskommissars) Buchdrucker- Verbandes ange= führt, welche die Möglichkeit eines 3wanges in sich schließen könnten.

Der Vertreter der Regierung erklärte ferner, die Regierung wolle den Krankenkassen volle Freiheit lassen, dieselben sollten fich aber mit nichts Anderem befassen, im Interesse des Bestehens der Kaffen sei es, wenn der jegt in ihnen herrschende sogenannte gemüthliche Ton aufhöre und die Kassen nur reine Versicherungs­gesellschaften würden; es sei ihm ferner nirgends der Beweis ge­bracht, daß Vereinigungen, welche gesunde Zwecke verfolgten, durch diese Bestimmungen geschädigt würden.

Die Abgg. Schmidt( Hamburg  ) und Duncker beantragten Streichung des Alinea 2 der Regierungs- Vorlage ohne weiteren Ersatz an dessen Stelle. Der Abg. Schmidt führte aus, daß diese Bestimmung gegen die social- demokratischen Vereine erlassen sei, daß jedoch nicht diese, sondern eine ganze Menge anderer Vereinigungen dadurch betroffen würden.

Duncker hielt die Bestimmungen der Regierung, welche die Tyrannisirung der Gewerkschaften unmöglich machen soll, deshalb für überflüssig, weil, wenn ein derartiger Fall einträte, durch die Arbeiter, welche nicht mit den Bestimmungen der Gewerkschaft zufrieden, ein Regulativ geschaffen würde, wie dies jetzt bei den Buchdruckern der Fall sei, wo diejenigen, welche gewillt, unter ( d. h. zu einem niedrigeren Saße, als der Tarif bestimmt) zu arbeiten, sich ebenfalls vereinigt hätten.

Ferner müsse einer Bereinigung von Leuten das Recht ver­bleiben, daß, wenn einzelne Personen aus der Vereinigung aus­treten, die Gesammtheit nicht verpflichtet sei, diese Leute noch in der Krankenkasse zu behalten.

Es wurde weiter vom Redner ausgeführt, wie unangenehm es einem Fabrikanten sein müsse, wenn Arbeiter, welche ihrer Arbeit entlassen, noch späterhin Mitglieder der Fabrik- Krankenkasse sein könnten.( Glauben's schon, es ginge dadurch ein gutes Drohmittel für die Herren verloren.)

Der Abgeordnete Gumbrecht will, daß es bestimmten Ver­einen freistehe, sich Kassen zu gründen.

Abgeordneter Hänel hebt hervor: Es sei hier die Frage zu stellen, wenn es gewisse Vereine gebe, denen das hier in Rede stehende Recht abgeschnitten werden soll, so komme deren politische oder religiöse Tendenz hier nicht in Betracht; wenn ein Verein zugelassen werde, müssen alle zugelassen werden. Die Lösung der bezüglichen Vereine liege nicht hier, sondern im Vereins- Gefeß.

Derselben Ansicht schließt sich der Regierungs- Kommissar an, welcher ebenfalls die Lösung der strikten Frage bis zur Revidi­rung des Vereins- Gesetzes aufzusparen gedenkt.( Wir Social­Demokraten können uns also im Voraus auf das neue Vereins­Gesetz gefaßt machen.)

Die Abstimmung über die verschiedenen Anträge ergiebt Folgendes: Für den Antrag Hänel stimmen 8, dagegen 5.

Bei der zweiten Abstimmung über den ganzen Absatz stim­men 7 gegen und es zeigt sich bei der Gegenprobe, daß nicht, wie zuerst angenommen, 13, sondern 14 Kommissions- Mitglieder anwesend sind, indem 7 für die Regierungs- Vorlage stimmen. Der Entwurf ist also mit Stimmengleichheit abgelehnt. Zu bemerken ist jedoch, daß noch 2 Lesungen in der Kom­mission zu erledigen sind und die Zahl der Kommissions- Mitglie­der, welche anwesend, nur betrug. Es steht also in Betreff %, dieses Paragraphen Alles zu erwarten.

Protest

gegen die Entwürfe eines Gesetzes, betreffend die Ab= änderung des Titels VIII der Gewerbeordnung). ( Schluß.)

Gesetz über die gegenseitigen Hülfskaffen. In Betreff der Regierungsvorlage schlagen wir folgende Ver­befferungen vor.**)

Zum ersten Absatz des§ 22 haben wir zwar keine Abände­rung vorgeschlagen, fühlen uns aber doch veranlaßt, unsere Mei­nung über diesen§ auszusprechen; eigenthümlich erscheint es uns, daß die Regierungsvorlage die in Absatz 1 enthaltene Bestim­mung aufgenommen hat, nach dem sie doch im§ 13 bestim­

men will:

zu anderen als den in den§§ 11, 12 bezeichneten Unterstützun­gen und der Deckung der Verwaltungskosten dürfen weder Beiträge von den Mitgliedern erhoben werden, noch Verwendungen aus dem Vermögen der Kasse erfolgen."

Eben weil wir wünschen, daß Vereine, Gewerke, Gesellschaf= ten 2c. für ihre Mitglieder eingetragene Hülfskassen" errichten dürfen, sind wir für Beibehaltung dieses ersten Absatzes des§ 22. Was den weiten Absatz des§ 22 betrifft, so schlagen wir für denselben folgende Fassung vor:

Verfügbare Gelder dürfen seitens des Vorstandes nur in Gemäßheit der Beschlüsse der General- Versammlungen [ außer in öffentlichen Sparkassen und in den durch das Statut be= zeichneten Banken nur ebenso wie die Gelder Bevormundeter. fällt fort] angelegt werden.

Motive.

Die Arbeiter sind als mündige Staatsbürger wohl im Stande, über ihr eigenes Vermögen zu verfügen. Auch ist uns kein Fall be­kannt, daß in der Blüthezeit des Gründerthums auf freier Selbst­verwaltung beruhende Arbeiterkassen ihr Vermögen in seitdem ent­wertheten faulen Eisenbahn Prioritäts- Obligationen und sonstigen Schwindelpapieren angelegt und so die für die Kranken, Wittwen, Waisen und Invaliden bestimmten Gelder leichtsinnig vergeudet hät­ten. Vielmehr könnte manche Kassenverwaltung sich die Arbeiterkassen zum Muster nehmen.

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Statt der§§ 23, 24 und 25 der Regierungsvorlage bean= tragen wir folgende neue Paragraphen:

§ 22. Alljährlich hat die Kaffe eine nach Vorschrift des Reichs­gesundheitsamtes anzufertigende statistische Uebersicht der Einnahmen, Ausgaben und Bestände, sowie der Krankheits- und Sterbefälle dem Reichsdesundheitsamte einzusenden und die Abrechnung, sowie die auf Grund dieser Eingaben erfolgten Gutachten des Reichsgesundheitsamtes jedem Mitgliede mitzutheilen.

§ 23. Wenn nach dem Rechnungsabschlusse des letzten Jahres

*) Dbige Vorlage eines Protestes gegen den Hülfskaffen- Gesetentwurf, welche im Auftrage der Berliner   Kommission der Krankenkassenvorstände ausgearbeitet ist, übergeben wir auf Wunsch der Deffentlichkeit.

**) Gesperrt gedruckte Worte bedeuten Zusätze zur Regierungs­vorlage. Eingeflammerte Worte sind zu streichende Bestimmun gen der Regierungsvorlage.

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