5-

Der Kampf ums Dasein.

Die Worte unserer Ueberschrift gehören zu den Schlag- und Lieblingsworten unserer Zeit. Seit Darwin   sie zuerst gebrauchte, haben sie sich mit Windeseile über die ganze Welt verbreitet. Leider hat mit dieser Schnelligkeit die Kenntniß der Sache, die sie bezeichnen sollen, nicht Schritt halten können. Die wenigsten von Denen, die von einem ,, Kampf ums Dasein" hören, haben eine klare Vorstellung dabei. Es ist dies ganz natürlich und tommt auch auf andern Gebieten vor, aber es ist in diesem Falle doppelt bedauerlich, da es sich um eine wichtige Erkenntniß han­

belt. Soweit uns bekannt ist, hat auch die Schule, die für die Unterrichtsmethode den größten Vortheil daraus ziehen könnte, die Lehre vom ,, Kampf ums Dasein" vollständig unbeachtet gelassen.

Wir hoffen daher, Manchem einen Gefallen zu erweisen, wenn wir versuchen, eine Skizze zu zeichnen von dem großen Kampf­bilde, das Darwin   vor der Welt entrollt hat.

Der Ausdruck ,, Kampf ums Dasein" ist eine Uebersetzung des englischen ,, Struggle for life". Er ist, wie sich beinahe von selbst versteht, zu wenig umfassend für die Sache. Darwin  , sein

Verlassen- in der Fremde.( Siehe Seite 8.)

Urheber, sagt dies selbst. Er will ihn im weitesten Sinne ge­nommen wissen, so etwa, daß man den Begriff Kampf ausdehnt auf jede Thätigkeit, die zur Erhaltung des Einzelwesens( Er­nährung) und der Art( Fortpflanzung) beiträgt. Häckel, Dar­wins Vertreter in Deutschland  , giebt folgende Umschreibung: Die Mitbewerbung um die nothwendigsten Lebensbe­dürfnisse.

Das ist wohl an und für sich deutlicher. Dennoch wird sicher der Darwin  'sche Ausdruck beibehalten bleiben. Er ist kurz und kräftig und in gewissem Sinne sogar poetisch, was Alles von Häckels Fassung nicht gilt.

|

Es ist ein durchgehendes Gesetz, daß alle Thiere und Pflanzen mehr Junge und Samen hervorbringen, als zur Erhaltung ihrer Art nothwendig wäre. Das weiß Jeder aus der Erfahrung. Ein einziges Sperlingspärchen heckt in seinem Leben eine ganze Schaar Junge aus, ohne daß darum die Zahl der Sperlinge an einem Ort zunehmen müßte. Eine Eiche liefert im günstigen Falle mehrere Jahrhunderte lang jährlich ein paar Tausend Samen, während eine Eichel genügte, sie zu ersetzen. Ebenso ist es bei allen Thieren und in meist noch höherem Grade bei den Pflanzen. Dabei ist jedoch die Zahl der erzeugten Keime eine äußerst ver­schiedene. Im Allgemeinen kann man sagen, daß, je höher das Geschöpf, desto geringer die Zahl seiner Jungen oder Samen; je tiefer es steht, desto größer. So ist die Vermehrung der