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erklärte mir Herr Grand, daß ich einsehen müßte, er sei nach dem Gesetze Gottes gerechtfertigt. Als ich ihn ungestüm, ja vielleicht etwas grob aufforderte, mir dies zu beweisen denn ich war nur ein unerzogner Handwerker und er ein wissenschaftlich gebildeter Mann- lachte er mich aus: ,, er streite nicht mit Zimmergesellen"; und als ich dies nicht ruhig einsteckte,
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wies er mich aus dem Hause, bemerkend, ich sei ein ebenso verdorbener Bursche wie mein Freund. Worauf ich, im Weggehen, erwiderte, daß ich glaube, die Verdorbenheit sei nicht in Josua. So endete diese Begegnung; statt zu nüßen, hatte sie das Uebel nur verschlimmert. ( Fortsetzung folgt.)
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So wurde die erste Hälfte des Jahres 1834 zu einem der bedeutungsvollsten Zeitabschnitte in Büchner's Leben. Es war zu der selben Zeit, wo ein neues, geistiges Leben das gebildete Deutschland zu durchzucken begann; wo Wienbarg das„ Junge Deutschland" stiftete( zu dem Büchner später in nähere Beziehung gebracht wurde), und wo durch eine Revolution der Geister eine neue Ordnung in die politischen, religiösen und gesellschaftlichen Verhältnisse von Europa eingeführt werden sollte. Während man in Deutschland ,, die Emanzipation des Fleisches" predigte, versuchten die praktischeren Republikaner Frankreichs einen Aufstand in Paris ( 13. April 1834), der blutig niedergeschlagen wurde. Diese Dinge konnten nicht ohne die stärkste Rückwirkung auf die Geister, und namentlich auf die studirende Jugend Deutschlands bleiben, um so mehr, als man damals noch gewöhnt war, die Universitäten als den Angelpunkt anzusehen, um den sich das geistige Leben der Nation drehen sollte; und da nun alle Wege zu einer öffentlichen Disfussion und Behandlung des politischen und sozialen Fortschritts verschlossen waren, so ergoß sich die Bewegung in die unterirdischen Gänge. Wir theilen einen Brief Büchner's aus damaliger Zeit mit. Er schrieb im Februar 1834 aus Gießen :
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Ich verachte Niemanden, am wenigsten wegen seines Verstandes oder seiner Bildung, weil es in Niemandes Gewalt liegt, kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden, weil wir durch gleiche Umstände wohl Alle gleich würden, und weil die Umstände außer uns liegen. Der Verstand nun gar ist nur eine sehr geringe Seite unsers geistigen Wesens und die Bildung nur eine sehr zufällige Form desselben. Wer mir eine solche Verachtung vorwirft, behauptet, daß ich einen Menschen mit Füßen träte, weil er einen schlechten Rock anhätte. Es heißt dies, eine Rohheit, die man Einem im Körperlichen nimmer zutrauen würde, ins Geistige übertragen, wo sie noch gemeiner ist. Ich kann Jemanden einen Dummkopf nennen, ohne ihn deshalb zu verachten; die Dummheit gehört zu den allgemeinen Eigenschaffen der menschlichen Dinge; für ihre Existenz kann ich nichts, es fann mir aber Niemand wehren, Alles, was eristirt, bei seinem Namen zu nennen und dem, was mir unangenehm ist, aus dem Wege zu gehn. Jemanden kränken, ist eine Grausamkeit, ihn aber zu suchen oder zu meiden, bleibt meinem Gutdünken überlassen. Daher erklärt sich mein Betragen gegen alte Bekannte; ich kränkte Keinen und sparte mir viel Langeweile; halten sie mich für hochmüthig, wenn ich an ihren Vergnügungen oder Beschäftigungen keinen Geschmack finde, so ist es eine Ungerechtigkeit; mir würde es nie einfallen, einem Andern aus dem nämlichen Grunde einen ähnlichen Vorwurf zu machen. Man nennt mich einen Spötter. Es ist wahr, ich lache oft, aber ich lache nicht darüber, wie Jemand ein Mensch, sondern nur darüber, daß er ein Mensch ist, wofür er ohnehin nichts kann, und lache dabei über mich selbst, der ich sein Schicksal theile. Die Leute nennen das Spott, fie vertragen es nicht, daß man sich als Narr produzirt und sie dust; sie sind Verächter, Spötter und Hochmüthige, weil sie die Narrheit nur außer sich suchen. Ich habe freilich noch eine Art von Spott, es ist aber nicht der der Verachtung, sondern der des Hasses. Der Haß ist so gut erlaubt als die Liebe, und ich hege ihn im vollsten Maße gegen die, welche verachten. Es ist deren eine große Zahl, die im Besize einer lächerlichen Aeußerlichkeit, die man Bildung, oder eines
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todten Krams, den man Gelehrsamkeit heißt, die große Masse ihrer Brüder ihrem verachtenden Egoismus opfern. Der Aristofratismus ist die schändlichste Verachtung des heiligen Geistes im Menschen; gegen ihn kehre ich seine eigenen Waffen: Hochmuth gegen Hochmuth, Spott gegen Spott. 3hr würdet euch besser bei meinem Stiefelputer nach mir umſehn; mein Hochmuth und meine Verachtung Geistesarmer und Ungelehrter fände dort wohl ihr bestes Objekt. Ich bitte, fragt ihn einmal.... Die Lächerlichkeit des Herablassens werdet Ihr mir doch wohl nicht zutrauen. Ich hoffe noch immer, daß ich leidenden, gedrückten Gestalten mehr mitleidige Blicke zugeworfen, als kalten, vornehmen Herzen bittere Worte gesagt habe...." Im Jahre 1834 hatte man auch die in Folge der Frank furter Vorfälle Verhafteten wieder freigegeben, und dieselben nahmen sogleich den lebhaftesten Antheil an den nun folgenden Bestrebungen.-Wie bereits angedeutet worden, wollte man jetzt auf die Masse der Bevölkerung wirken, und suchte diesen Zweck durch mündliche Propaganda, namentlich aber durch Flugblätter und Flugschriften zu erreichen. Weidig stand in Oberhessen an der Spitze und betrieb seine Agitationen in Verbindung mit dem in Frankfurt am Main eristirenden ,, Männerbund", der mit der Schweiz und Frankreich Verbindungen hatte und ebenfalls revolutionäre Schriften verbreitete. Beide Hessen , Würtemberg und Baden waren unter den füddeutschen Staaten am stärksten betheiligt. In Gießen sah das Jahr 1834 zwei geheime Gesellschaften entstehen, eine Burschenschaft und eine andere rein politische, an der Studenten und Bürger Theil nahmen, und die sich namentlich das Verbreiten von Flugschriften zum Zwecke gesetzt hatte. Diese Verbindung wurde hauptsächlich durch Büchner gestiftet und erhielt von ihm den Namen„ Gesellschaft der Menschenrechte". Unter ihren Haupttheilnehmern nennen wir: Klemm, Minnigerode, A. Becker, Trapp, Schütz und Andere. Der großherzogl. hessische Criminalrichter Nöllner erzählt( in seiner„ Aftenmäßigen Darlegung des Prozesses gegen 2c. Weidig 2c.", Darmstadt 1844) über die Entstehung jener Gesellschaft:„ Die Ansichten und Grundsätze, welche Büchner während eines zweijährigen Aufenthalts zu Straßburg angenommen zu haben scheint, erfreuten sich des Beifalls der Anderen und veranlaßten deren Zusammentreten in jene Verbindung, welche sich zum Zwecke setzte, Flugschriften zu verbreiten und Gleichgesinnte an andern Orten zu ähnlichen Vereinen zu bestimmen. Die Mitglieder hatten bei Einzelnen von ihnen Zusammenkünfte, in welchen über den politischen Zustand Deutschlands , über die Mittel zu dessen Veränderung, über den nächsten Zweck einer Revolution, sodann im Speziellen über die eigne Thätigkeit und über die Ausdehnung der Gesellschaft gesprochen wurde, welche eine Zeitlang auch den ihr von Büchner beigelegten Namen„ Gesellschaft der Menschenrechte" führte, sowie sich Schütz auch mit dem Entwurf einer Constitution für sie beschäftigt haben soll." Die Idee, die Gesellschaft, abweichend von den andern, eine„ Gesellschaft der Menschenrechte" zu nennen, ist bei Büchner unzweifelhaft durch das damals schon sehr eifrig von ihm betriebene Studium der französischen Revolution angeregt worden. Aus dieser Gesellschaft und aus der Feder Büchner's ging die schärffte der damals erschienenen Flugschriften, der„ Hessische Landbote", hervor, auf den wir zurückkommen werden, und der verbreitet wurde, nachdem
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