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( Schluß.)
So geschickt, wie als Goldarbeiter, waren die Peruaner in vielen anderen Gewerbsarten. Sie erzeugten metallene, steinerne und irdene Gefäße von geschmackvollen Formen, gewöhnlich Menschen oder Thiergestalten darstellend. Die Zeuge, welche hauptsächlich von den Frauen aus selbstgesponnenem Gain gewebt wurden, verstanden sie schön zu färben; auch waren häufig Figuren eingewirkt. Für die Inkas gab es Prachtgewänder mit Goldund Perlenstickereien. In der Malerei wurde gleichfalls Hervorragendes geleistet.
Die Landwirthschaft der Peruaner suchte ihres Gleichen. Man baute Mais, Reis, Kartoffeln und mancherlei sonstige Nährpflanzen, darunter die Coca, einen Strauch, dessen Nahrungsstoff enthaltende Blätter dem Kautabak ähnlich verbraucht wurden. Neben der Baumwollstaude pflegte man zahlreiche Obstbäume und trieb Blumenkultur. Aus Mais wurde Bier gebraut. Auch Arzneipflanzen kannte man. So ist z. B. die nunmehr weltberühmte Chinarinde peruanischen Ursprungs. Die Viehzucht war eigenthümlich, weil in ganz Amerika vor dem Auftreten der Europäer unsere Hausthiere, wie Pferde, Rinder 2c. unbekannt waren. Einen ungenügenden Ersatz dafür boten die Vicunas, Alpacas und Lamas kleinere Thierarten, die mehr ihrer Wolle als ihrer Brauchbarkeit halber zum Lasten- Fortbewegen, von Werth waren. Rechnet man nun noch die Unbekanntschaft mit eisernen Werkzeugen hinzu, so begreift man kaum, wie trotzdem der Ackerbau zu so hoher Blüthe gelangen konnte. Wo es an Wasser mangelte, sorgte der Staat für praktisch durchgeführte künstliche Bewässerung. Auf irgend einem Berge wurde ein Reservoir angelegt, in dem sich Gebirgsbäche ansammeln konnten; von da zogen sich weitverzweigte Kanäle thalwärts.
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Statt des in ungenügender Menge vorhandenen natürlichen Düngers wendeten die Peruaner Guano an. Auf Inseln in der Nähe der peruanischen Küste nisteten einstmals unzählige Vögel, die Berge von Dünger anhäuften. Es war streng verboten, sich zur Brutzeit diesen Inseln zu nähern, damit die Thiere nicht verscheucht würden, und daher war Guano stets ausreichend vorhanden. Jetzt wird damit in den Tag hineingewirthschaftet, und rückt der Augenblick immer näher, wo der letzte Spatenstich von der Guanomasse ausgehoben sein wird.
Die Organisation des altperuauischen Gemeinwesens war eine nahezu militärische. Je 10, 100 und 1000 Einwohner hatten ihre Vorstände; über jeder Provinz herrschte außerdem ein Statthalter; an der Spitze des Ganzen stand der regierende Inka , dem göttliche Verehrung gezollt wurde.
Die Gesetze waren einfach und wurden selten übertreten. Das Strafgesetzbuch kannte eigentlich nur fünf Paragraphen, deren Inhalt etwa folgender war:
1) Du sollst nicht müßiggehen! 2) Du sollst nicht lügen! 3) Du sollst nicht stehlen! 4) Du sollst nicht ehebrechen! 5) Du sollst nicht tödten!
Als Richter fungirten die höheren Regierungsbeamten, welche freilich nur nach Gutdünken Recht sprachen. Wurde Jemand zum Tode verurtheilt, so stürzte man ihn in eine Felsenschlucht. Sonst fam Zwangsarbeit in Anwendung.
Eine Buchstabenschrift war den Peruanern nicht bekannt. Gleichwohl existirte ein Mittel zum Markiren von Worten und Zahlen; dies war auch durchaus originell. Man nahm Schnüre, statt der Buchstaben machte man Knoten. Das Instrument, welches dieser Manipulation diente, hieß Quipus und bestand aus einer 1-20 Fuß langen, ziemlich dicken Schnur, an welcher stärkere und schwächere Fäden von mannichfacher Farbe und Länge wie die Zähne eines Kammes befestigt und zu hundertfältigen Knoten verschlungen waren. Es eristiren heute noch einige solcher sonderbaren Urkunden, welche keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Kunst des Worteknüpfens schwieriger war, als das Schreiben der Neuzeit.
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ratur. Nicht allein Chroniken gab es, sondern auch eine Menge poetischer Erzeugnisse. Die Balladen und Dramen der Peruaner werden von den Kennern ihrer Sprache der Quichua- Sprache, die man als äußerst klangreich rühmt, mit wahrer Begeisterung besprochen, und man muß gestehen, daß sich dieselben vor der modernen Poesie durchaus nicht zu verstecken brauchen- Auch kannten die Peruaner eine Art von Guitarre, Tinya genannt, ferner Flöten, Trommeln und Castagnetten. Das ganze Volk war ehedem für Musik und Gesang sehr eingenommen. Heute noch hört man die Indianer Perus bei ihren Arbeiten oder Wanderungen singen, nur wiegt die Schwermuth vor, weil ihre Lieder Klagegefänge sind um die vergangene Herrlichkeit.
Die Zeitrechnung der Peruaner glich im Wesentlichen der nnfrigen. Das Jahr war in 12 Monate eingetheilt und nahm mit der Sommersonnenwende, welche in Peru auf den 22. Dezember fällt, seinen Anfang. Die Namen der Monate waren den natürlichen Eigenschaften der betreffenden Zeitabschnitte entsprechend, ähnlich wie beim Kalender der französischen Republik . Wöchentliche Ruhetage scheint es nicht gegeben zu haben, dagegen wurden zu verschiedenen Zeiten des Jahres großartige Festlichkeiten mit vorwiegend religiösem Charakter veranstaltet, an welchen das ganze Volk Antheil nahm. Ebenso waren gewisse Tage zur Vornahme wichtigerer Handlungen bestimmt. So wurden beispielsweise alle Ehen an einem und demselben Tage abgeschlossen. Vor versammeltem Volke erschienen da die Brautpaare bei dem Statthalter und dieser erklärte sie für Ehegatten. Es bestand also eine Art Civilehe.
Die meisten Feste wurden am feierlichsten in der heiligen" Landeshauptstadt Cuzko begangen, woselbst in der Regel ungeheure Volksmassen zusammenströmten. Ueber die peruanische Religion ist nicht viel zu sagen; sie lief hauptsächlich auf einen Cultus der Sonne hinaus, welche man als die gütige Spenderin aller Erdenschätze betrachtete.
Cuzko liegt, gleichsam als wollte diese Stadt auch durch ihre Lage beweisen, daß sie das Centrum des Staates sei, ziemlich mitten im Lande, etwa 11,000 Fuß über dem Meeresspiegel in einem reizenden Hochthale. Die Temperatur ist trotz der Nähe des Aequators eine sehr angenehme. Von Euzko aus führten gute Straßen strahlenförmig nach allen Richtungen bis an die Grenzen des Reiches. Die Pracht der vielen Paläste, Tempel und sonstigen Staatsgebäude wird als jeden Begriff übersteigend geschildert. Dem Mittelpunkt der Stadt schlossen sich regelmäßig gebaute Wohnhäuser, die in geradlinigen Straßen angelegt waren, an. Die Anzahl der Stadtbezirke entsprach der Anzahl der Provinzen, und in jedem Stadtviertel wohnten die Angehörigen einer Provinz. Durch Abzeichen an der Kleidung unterschieden sich die Provinzialen von einander, so daß die Hauptstadt in äußerlich wahrnehmbarer Weise im Kleinen die verschiedenen Stämme des ganzen Reiches repräsentirte. Das Leben gestaltete sich zu einem sehr bunten und bot besonders bei Festlichkeiten ein äußerst malerisches Aussehen.
Die sozialen Zustände, welche damals geherrscht haben, waren jedenfalls in vielen Stücken besser, als in den meisten anderen Ländern des damaligen Zeitalters.
Was gegenwärtig in Peru Ordnung" heißt: die infamste Pfaffenwirthschaft unter republikanischer Firma, steht zweifellos den Verhältnissen des alten Peru nach. Die Einwohnerzahl ist zurückgegangen, da man die Indianer in langjähriger Sklaverei und durch Gewaltakte zu Grunde gerichtet hat. Viele sind in die Wälder entflohen, wo sie ein fümmerliches Dasein führen; nur ein kleiner Bruchtheil bekundet noch gegenwärtig, welch ein intelligenter Menschenschlag diese Rothhäute waren. Die Hoffnung, daß die goldenen Zeiten der Vergangenheit je wiederkehren werden, wie sie von den Indianern gehegt wird, ist allerdings eine eitle, aber gleichwohl wird der Tag kommen, wo die Sonne Perus wieder glückliche Menschen bescheint, der Tag, an dem die Retten aller Knechtschaft fallen werden.