gescharrten Kapital die Arbeit Anderer auf das Rücksichtsloseste aus, lebt er von der Arbeit fleißiger Hände und vernichtet Menschen, wenn sie nicht mehr auszunutzen sind. Wie Viele, die sich auf gesetzliche Weise nicht mehr zu erhalten wußten, hat er dem Staatsanwalte in die Hände gespielt; die Hilfe des Gerichts ist ihm gesichert gegen seine unglücklichen Schuldner, und mehr als Einen hat er schon zum Selbstmord getrieben. Wir aber arbeiten uns schon seit zwei Jahren fast zu Tode, um einer Schuld willen, die unser unerfahrener Franz für einen verzweifelnden, innigst geliebten Freund zu verbürgen sich gedrungen fühlte. Er dachte nicht daran, daß beim unglücklichen Ausgang wir, Vater, Mutter und Geschwister ihn nicht rettungslos sinken lassen würden, daß wir demzufolge die eigentlichen Opfer wären. Und so find wir's seit zwei Jahren bis daher, und noch ist's nicht zu Ende."
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,, Aber so wollen wir doch endlich aufhören," rief der Jüngdie Schuld ist doch mehr als reichlich bezahlt, wer kann mehr verlangen? Die Schwester verbringt ihre Jugend, die Mutter ihre legten Lebenstage, du selbst, armer Vater, den letzten Rest deiner Kraft, von mir soll nicht die Rede sein."
,, Du denkst nicht an den Ehrenschein, Richard, der Ehrenschein ist noch nicht eingelöst," bemerkte der Vater vorwurfsvoll. ,, Der Ehrenschein, der Ehrenschein, er spricht von einer Schuld, die ehrenvoll bereits bezahlt ist."
,, Nach unserem Urtheile wohl, nicht nach der Ansicht des Offiziercorps und des Kriegsministeriums."
" Möchte doch Franz den Abschied nehmen immerhin." ,, D, hätte er ihn doch schon längst genommen, er hat Kenntniffe genug."
Die Ehre, Offizier zu sein, ist, mein ich, solcher. Opfer gar nicht werth," zürnte der Student.
,, In meinen Augen auch schon längst nicht mehr, auch nicht in Franzens Augen mehr. Aber doch hängt sein Lebensglück
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davon ab. Muß er seinen Dienst unter solchem Verhältniß quittiren, verliert er alle Hoffnung auf Jessy's Hand." ,, Und das wäre dann doch kein Unglück."
,, Es wäre sein Tod," rief der ernste Vater und erhob sich. Der Jüngling wurde ernster, meinte aber dann doch:„ Wie lange hat uns diese Aussicht schon hingefristet. Sie ist reich), sehr reich, für sie ist Alles, was uns so schwere Sorgen und Mühen verursacht, eine Kleinigkeit. Wenn sie ihn wahrhaft liebt, wie leicht kann sie ihn erlösen."
,, Sie kann nicht, Richard, es geht nicht. Es ist ein ganz eigenes Ding, es scheint dir leicht, und es ist doch so schwer, merkwürdig schwer, bald unmöglich. Der Gatte kann von der Gattin Alles verlangen, ein armer Bräutigam von der reichen Braut ehrenhalber nichts, das ist die Convenienz, die landläufig geltende Ansicht vom Anstand. Und diese ist auch etwas, was wie ein Verhängniß erscheint und wirkt. Wenn nicht vor reichlich einem halben Jahre die Badereise das Fräulein auf Verlangen und Wunsch der Mutter entführte, läge wahrscheinlich die Hochzeit jetzt schon hinter uns und mit ihr unsere Sorgen. Nun, wir haben auch das überstanden, nahe ist auch jetzt wieder das Ende unserer Pein. Nun möge es mir nur diesmal noch gelingen, unsern Peiniger zu beschwichtigen, dann haben wir das schwere Ziel erreicht, unser theures Kind trotz aller Gefahren in den Hafen seines Glückes zu lootsen. Dieser Gedanke wird mich morgen aufrecht erhalten, wenn ich den schweren Gang gehe. Nun aber, meine Lieben, laßt endlich eure müden Hände ruhen, was ihr jetzt noch schaffen könntet, wäre weder so gut, noch so viel, als ihr nach einem erquickenden Schlummer leisten könnt. Gute Nacht!"
,, Gute Nacht und besseres Glück im Neuen Jahr!" rief auch die Mutter, und Alle suchten bereitwillig das Lager auf, auf dem sich der beste Freund des fleißigen Arbeiters, der Schlaf, nicht | lange erwarten ließ. ( Fortsetzung folgt.)
Aus der alten und der neuen Welt.
Marat , der Volksfreund"( hierzu das Bild S. 21), dieser best-| gehaßte und, wenn wir die Hebertisten ausnehmen, bestverleumdete Borkämpfer des revolutionären Frankreich , wurde bekanntlich am 13. Juli 1793 von Charlotte Corday erstochen. Das Messer drang tief in den rechten Lungenflügel ein und durchschnitt die Schlagadern, so daß der Tod fast augenblicklich erfolgte. Auf Befehl des Convents und der Commune fertigte der Bildhauer Bonvallet die Todtenmaske des Ermordeten an, während der Maler David den im blutigen Bade liegenden Leichnam malte. Nach der Todtenmaske wurde das Medaillon hergestellt, dessen Abbildung*) wir bringen. Die nächste Nummer der„ Neuen Welt" wird ein Facsimile( Autograph- Handschrift) Marat's enthalten. *) Ein Blick auf dieselbe zeigt, wie mangelhaft die gewöhnlichen Portraits des großen Volkstribuns sind.
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Der einzige Freund.( S. d. Bild S. 20.) Einsam sigt Conrad, der alte Jäger, in seiner Waldhütte. Die Frau schlummert seit drei Jahren auf dem Friedhof des Dörfchens dort unten. Sie war immer ferngesund gewesen, da kam der heilige Krieg", und das einzige Kind, der Wilhelm, der sich vor Kurzem als Tischlermeister im benachbarten Städtchen etablirt hatte der Stolz und die Hoffnung der Eltern wurde in Königs Rock" gesteckt und mußte mitziehen über den Rhein . Wie krampfte das Mutterherz sich zusammen bei der Nachricht von den ersten glorreichen Schlachten"! Doch der Wilhelm hatte Glück feine Kugel traf ihn, und er schrieb alle Wochen mindestens einmal. Als nun auch Sedan glücklich überstanden war, athmete die Mutter wieder auf. Jegt hatten wir ja Frieden! Die Mordarbeit war zu Ende! Grausame Täuschung. Der Krieg fing erst recht an, der Krieg gegen das fran zösische Volk. Und im Winter und was für ein falter, unbarmherziger Winter es war, fast so unbarmherzig wie die Menschen, die einander auf Commando todtschießen blieben die Briefe plöglich aus. Das Gemezel an der Loire und vor Paris war gerade im besten Zuge. Eine Woche verging ohne Brief. Die zweite Woche. Endlich die dritte brachte einen Brief, nein eine einfache Postkarte: die Mutter, welche den Briefboten von weitem gesehen hatte, eilte ihm entgegen, riß ihm die Karte, die er mitleidigen Blickes ihr hinhielt, aus der Hand und brach mit einem Schrei ohumächtig zusammen. Ihr Mann war noch schnell genug herbeigesprungen, um sie aufzufangen. In der Hand hielt
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sie die Unglückskarte:" Ihr Sohn Wilhelm wurde im Gefecht vor 14 Tagen schwer verwundet und ist heut im Hospital gestorben." Die Mutter erholte sich nicht mehr nach anderthalb Jahren folgte sie dem Sohne nach. Der alte Conrad aber steht einsam in der Welt, ein entlaubter Stamm"; er ist menschenschen geworden, sein einziger Freund" und Gesellschafter ist der Hund, den Wilhelm ihm großgezogen. Und wenn er dem Caro in die treuen Augen blickt, wie unser Bild es uns zeigt eine Wunde an der Hand hat den gebrechlich werdenden Mann ans Zimmer gebannt dann denkt er oft: Welche Thoren die Menschen doch sind! Heutzutag ist der Mensch des Menschen Feind. Kein Thier ist dem Menschen so feind als der Mensch. Wann wird die Zeit kommen, wo die heiligen Kriege" aufhören und der Mensch des Menschen Freund ist?-
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Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von F. I.
( Italienisch.)
Bisogno, che' l povero mantegna il ricco. Erhalten hat bis heut den Reichen Der Arme, meinend, daß es nöthig sei; Doch diese Meinung seh' ich weichen, Bald ist's mit dem Erhalten auch vorbei!
I pastori per rubar le pecore, si mettono nome: orsi, lupi e sassi.
Gar manches Schaf, das gestohlen wird, Das stiehlt im Namen des Wolfs der Hirt. Biasimare Principe, è pericolo; lodarlo è bugia. Gefährlich ist es, einen Fürsten schelten; Und wer ihn lobet, will als Lügner gelten. Ove non è egualità, mai perfetto amor sarà. Wo Gleichheit fehlet, niemals man Vollkommne Liebe finden kann. ( Wird fortgesetzt.)