27-

Georg Büchner  .

Nöllner( in seiner Aftenmäßigen Darlegung 2c.") hat noch einige andere Aussagen des Mitangeklagten, von dem die bereits erwähnten Angaben herrühren, über Büchner   und seine Flugschrift veröffentlicht; dieselben sind für den Charakter der damaligen Bewegung sowohl, als auch für Büchner's politische Ansichten und Richtung zu bezeichnend, als daß wir sie mit Stillschweigen über gehen könnten. ,, Den Landboten   betreffend," erzählt der Betreffende, ,, sei es mir erlaubt, den Verfasser desselben, Georg Büchner  , in seinen eigenen Worten, deren ich mich noch ziemlich genau erinnere, hier für mich reben zu lassen. Die Versuche, welche man bis jetzt gemacht hat, die Verhältnisse Deutschlands   umzustoßen, sagte er, beruhen auf einer durchaus knabenhaften Berechnung, in­dem man, wenn es wirklich zu einem Kampf, auf den man doch gefaßt sein mußte, gekommen wäre, den deutschen Regierungen und ihren zahlreichen Armeen nichts hätte entgegenstellen können, als eine handvoll undisciplinirte Liberale. Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art ausgeführt werden, so kann und darf das blos durch die große Masse des Volkes geschehen, durch deren Ueberzahl und Gewicht die Soldaten gleichsam erbrückt werden müssen. Es handelt sich also darum, diese große Masse zu ge­winnen, was vorderhand nur durch Flugschriften geschehen kann. ,, Die früheren, zu diesem Zweck erschienenen Flugschriften entsprachen demselben nicht; es war darin die Rede vom Wiener Congreß, Preßfreiheit, Bundesordonnanzen und dergleichen, lauter Dingen, um welche sich die Bauern( denn an diese, meinte Büchner  , müsse man sich vorzüglich wenden) nicht füm mern, so lange sie noch mit ihrer materiellen Noth beschäftigt sind; denn diese Leute haben aus sehr nahe liegenden Ursachen durchaus keinen Sinn für die Ehre" und" Freiheit" ihrer Nation, feinen Begriff von den Rechten des Menschen u. s. w., sie sind gegen all das gleichgültig, und in dieser Gleichgültigkeit beruht ihre angebliche Treue" gegen die Fürsten   und ihre Theil­nahmlosigkeit an dem liberalen Treiben der Zeit; gleichwohl scheinen sie unzufrieden zu sein, und sie haben Ursache dazu, weil man den dürftigen Gewinn, welchen sie aus ihrer sauren Arbeit ziehen, und der ihnen zur Verbesserung ihrer Lage so nothwendig wäre, als Steuer von ihnen in Anspruch nimmt. So ist es gekommen, daß man bei aller parteiischen Vorliebe für sie doch sagen muß, daß sie eine ziemlich niederträchtige Gesinnung an­genommen haben, und daß sie, es ist traurig genug, fast an feiner Seite mehr zugänglich sind, als gerade am Geldsack; dies muß man benützen, wenn man sie aus ihrer Erniedrigung her­vorziehen will; man muß ihnen vorrechnen, welche Lasten sie tragen, während Andere den Vortheil davon beziehen;.... daß die Gesetze, welche über ihr Leben und Eigenthum verfügen, in den Händen des Adels, der Reichen und der Staatsdiener sich befinden, u. s. w. Dieses Mittel muß man benutzen, so lange es noch Zeit ist. Sollte es den Fürsten   einfallen, den materiellen Zustand des Volkes zu verbessern, sollten sie ihren Hofstaat, die kostspieligen stehenden Heere vermindern, den künstlichen und des­wegen theuren Organismus der Staatsmaschine auf einfachere Prinzipien zurückführen, dann ist die Sache der Revolution, wenn sich der Himmel nicht erbarmt, in Deutschland   auf immer ver­loren. Seht die Oesterreicher, sie sind wohlgenährt und zufrieden! ( 1834 geschrieben!) Fürst Metternich, der geschickteste unter Allen, hat allen revolutionären Geist für immer(?) in ihrem eigenen Fett erstickt." So sind die eigenen Worte Büchner's   gewesen.

11

Die Flugschrift( ,, der Hessische Landbote  ") hatte hiernach den Zweck, die materiellen Interessen des Volkes mit denen der Revolution zu vereinigen, als den einzig möglichen Weg, die letztere zu bewerkstelligen.-Solche Mittel, die Revolution herbeizuführen, hielt Büchner   für ebenso erlaubt und ehrbar, als alle anderen. Wenigstens sagte er oft, der materielle Druck, unter dem ein großer Theil Deutschlands   liege, sei ebenso traurig und

III.

schimpflich, als der geistige, und es sei in seinen Augen bei weitem nicht so betrübt, daß dieser oder jener Liberale seine Gedanken nicht drucken lassen dürfe, als daß viele tausend Familien nicht im Stande wären, ihre Kartoffeln zu schmelzen u. s. w.

,, Ob ich mich gleich hier meistens der Worte Büchner's   be= dient habe, so dürfte es doch schwer sein, sich einen Begriff von der Lebhaftigkeit, mit welcher er seine Meinungen vortrug, zu machen.

,, Büchner   imponirte Allen von uns, ohne daß sie es vielleicht sich selber gestehen mochten, sowohl durch die Neuheit seiner Ideen, als durch den Scharfsinn, mit welchem er sie vortrug." An einer anderen Stelle:

,, Büchner  , der bei seinem mehrjährigen Aufenthalt in Frank­ reich   das deutsche   Volk wenig kannte, wollte, wie er mir oft ge­sagt hat, sich durch diese Flugschrift überzeugen, inwieweit das deutsche Volf geneigt sei, an einer Revolution Antheil zu nehmen. Er sah indessen ein, daß das gemeine Volk eine Auseinander­setzung seiner Verhältnisse zum deutschen Bunde nicht verstehen und einem Aufrufe, seine angeborenen Rechte zu erkämpfen, kein Gehör geben werde; im Gegentheile glaubte er, daß es nur dann bewogen werden könne, seine gegenwärtige Lage zu verändern, wenn man ihm seine naheliegenden Interessen vor Augen lege. Dies hat Büchner   in der Flugschrift gethan. Er hatte dabei durchaus keinen ausschließlichen Haß gegen die großherzoglich hessische Regierung; er meinte im Gegentheile, daß sie eine der besten sei. Er haßte weder die Fürsten  , noch die Staatsdiener, sondern nur das monarchische Prinzip, welches er für die Ursache alles Elends hielt. Mit seiner Flugschrift er für die Ursache alles Elends hielt. wollte er vor der Hand nur die Stimmung des Volks und der deutschen Revolutionäre erforschen. Als er später hörte, daß die Bauern die meisten gefundenen Flugschriften auf die Polizei ab­geliefert hätten, als er vernahm, daß sich auch die Patrioten gegen seine Flugschrift ausgesprochen, gab er alle seine politischen Hoffnungen in Bezug auf ein Anderswerden auf. Er glaubte nicht, daß durch die constitutionelle landständische Opposition ein wahrhaft freier Zustand in Deutschland   herbeigeführt werden könne. Sollte es diesen Leuten( den Liberalen) gelingen,"" sagte er oft ,,,,, die deutschen Regierungen zu stürzen und eine allgemeine Monarchie oder auch Republik   einzu­führen, so bekommen wir hier einen Geldaristokratismus, wie in Frankreich  , und lieber soll es bleiben, wie es jetzt ist."" ,, Dieser Büchner," so erklärte reiter noch der oft citirte - ,, war mein Freund, der mich lange Mitangeklagte im Verhör, Zeit zum einzigen Vertrauten seiner theuersten Angelegenheiten machte, von welchen er weder seiner Familie, noch einem seiner Freunde Etwas gesagt hatte. Ein solches Vertrauen mußte ihm mein Herz gewinnen; seine liebenswürtige Persönlichkeit, seine ausgezeichneten Fähigkeiten, von welchen ich hier freilich keinen Begriff geben kann, mußten mich unbedingt für ihn einnehmen bis zur Verblendung. Die Grundlage feines Patriotismus war wirk­lich das reinste Mitleid und ein edler Sinn für alles Schöne und Große. Wenn er sprach und seine Stimme sich erhob, dann ich glaubte es sonst nicht anders- wie glänzte sein Auge, die Wahrheit. Ich habe die von ihm verfaßte Flugschrift ab­geschrieben. Was hätte ich nicht für ihn gethan, wovon hätte er mich nicht überzeugt?!"

-

-

Ferner schreibt Becker noch in einem Brief an Guzzkow: ,, Ich habe den Büchner bei Weidig eingeführt. Er vertrug sich nicht gut mit ihm in politicis. Desto mehr enchantirt war er von seiner Frau, einem überaus herrlich en Geschöpf. Er verlor sein natürliches Ungestüm, wenn sie dazi kam, und ward zahm, wie ein Hirsch, wenn er Musik hört."

Daß der Marburger   Professor Jorban, der 1848 eine so traurige Rolle spielen sollte, den Landboten  " nicht günstig beurtheilte, kann nur für diesen sprechen.