Gegenstand:"..... Ich würde Dir das nicht sagen, wenn ich im Entferntesten jetzt an die Möglichkeit einer politischen Umwälzung glauben könnte. Ich habe mich seit einem halben Jahre vollkommen überzeugt, daß Nichts zu thun ist, und daß Jeder, der im Augenblicke sich aufopfert, seine Haut wie ein Narr zu Markte trägt. Ich kann Dir nichts Näheres sagen, aber ich kenne die Verhältnisse, ich weiß, wie schwach, wie un­bedeutend, wie zerstückelt die liberale Partei ist, ich weiß, daß

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ein zweckmäßiges, übereinstimmendes Handeln unmöglich ist, und daß jeder Versuch auch nicht zum geringsten Resultate führt." An einer andern Stelle: Eine genaue Bekanntschaft mit dem Treiben der deutschen Revolutionärs im Auslande hat mich über­zeugt, daß auch von dieser Seite nicht das Geringste zu hoffen ist. Es herrscht unter ihnen eine babylonische Verwirrung, die nie gelöst werden wird. Hoffen wir auf die Zeit!" ( Fortsetzung folgt.)

Verlassen in in der Fremde!*)

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Nach einer wahren Begebenheit erzählt von Emil Roßbach.

Ein kleines Bild ist es, nur zwei Figuren enthält es, und|( ich war bald ihr täglicher Gast) bei einer Pfeife gemüthlich ge­doch hat es mich wunderbar ergriffen.

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Wie viele solch armer Kinder schweifen in der Welt umher, ohne zu wissen, was der morgige Tag bringen wird, froh in dem Bewußtsein, einen Groschen oder einige gesammelt zu haben, die mit dem übrigen schon Ersparten oder Abgedarbten dem Elend daheim abhelfen sollen so denkt's wenigstens der kleine Wan­derer. Gibt es doch viele Gauen, die alljährlich ihre Sendlinge hinausschicken in die reiche bunte Welt, einen Sonnenblick zu er­haschen von dem Glück, das da draußen blüht. Arme Wan­derer! Kalt ist diese Welt trotz des lachendsten Sonnen­scheins. Fremd stößt sie euch zurück, voll Mißtrauen bewacht sie eure Schritte; voll Verachtung, ja mit Efel wendet sie euch den Rücken. Die Kehrseite ihres Glücks grinst aus euch sie an mit stummen, aber vorwurfsvollen Blicken. Sie kann diese Sprache nicht ertragen. Ja, aus Süd und Nord, aus Ost und West kommen alljährlich solche Wanderer zu uns, beladen mit einem Pack Leinwand, mit Küchen- und Hausgeräth, dieses feilbietend oder nur ihre Arbeitskraft zu Markte tragend. Manche dieser armen Gesellen sind selbst beim, niedern Volk" übel beleumdet. Vor allen Andern sind es die Razzi- Fazzi", wie sie in meiner Vaterstadt Hamburg   der Volksmund benamset, die Mausefallen­und Bürstenhändler aus den österreichischen Landen an der Adria  , die eines bösen Leumunds genießen und über deren Begriffe des Mein" und Dein" meine Landsleute ihre eigene Meinung haben. Und nicht sie allein. Ist es doch kein Geringerer als Schiller, der auf die Worte des Kroatengenerals Isolani: Ich sehe ja,

Es ist noch lang' nicht alles Gold gemünzt." den kaiserlichen Gesandten von Questenberg   antworten läßt: Gottlob! Noch etwas Weniges hat man Geflüchtet vor den Fingern der Kroaten."**) Damit ist zugleich ein allgemeines Vorurtheil ausgesprochen. Anders traten diese umherwandernden, gemiedenen Bursche allerdings auf, als sie in des ,, Kaisers Rock" 1864 beim Durch zuge nach Schleswig- Holstein   zur Befreiung des verlassenen Bruderstammes von dem Joche der Dänen" bei uns Quartiere bezogen. Manches Mädchen verlor ihr Herz an einen der kühnen ,, Kaisersoldaten" und hat nimmer wieder Ruhe gefunden.

plaudert, ein Stündchen oder mehr. Stefano trug einen Ver­lobungsring. Unter den Soldaten, die ich damals sah, war er der schönste. Kindlich fast war sein Lachen, wenn die Andern Possen rissen; doch sah ich ihn meistens ernst, wenn er nicht, in Gedanken verloren, vor sich hinlächelte. Zuweilen war er heiter, wenn ein baldiges Ende des Krieges prophezeit wurde; doch lagerte sich bald wieder eine stille Wehmuth über die freundlichen Züge. Ich hatte schnell herausgebracht, daß er nach seiner Heim­tehr die geliebte Danila heimzuführen hoffen konnte. glücklich gewesen.

Wohl ihm, daß er's gewesen war!

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Er war

Er hatte einen Handel getrieben, so ausgedehnt, meinte er, wie kein Kaufmann meiner Vaterstadt ihn persönlich hätte aus­führen können. Manchen Berg hatte er überstiegen, manches Thal durchwandert; an der reißenden Donau   hatte er seine Wert­statt unter freiem Himmel aufgeschlagen; der Elbe Lauf war er gefolgt; bis hoch in den Norden, bis in die reiche Hansastadt war er gekommen, hatte in ihren dunklen, schmutzigen Herbergen viele Tage verbracht; aber der Gedanke an sein treues Mädchen hatte ihm geleuchtet in den trübsten Stunden.

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Und nun war er wieder hier, ein anderer Mann, ein Glück­licher und wenn der Schnee verschwunden sei, wenn die Sonne die Erde wieder wach gefüßt, dann wollte er's gründen, sein häusliches Glück.

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In der Kaiserstadt, in Wien  , lebte jetzt seine Danila. Stefano hatte sie dorthin gerettet vor der Wuth seines Vaters, der auf die Dirne einen ordentlichen Haß geworfen hatte. War sie doch die Tochter des Grenzers, der mit scharfem Auge das Treiben von Stefano's Vater verfolgt hatte, der den Vater vor's Gericht gebracht haben würde, wenn er nicht in den Wellen des Isonzo  plötzlich sein Grab gefunden hätte. Stefano's Vater war wohlhabend, wenn auch nicht reich. Wie er das geworden sei, wußte Stefano nicht, er glaubte aber, daß Verbindungen mit Schmugglern und Unterstützung derselben ihm manchen Gulden eingetragen. Stefano hätte auch nicht nöthig gehabt, als Händler das Reich zu durchziehen, wenn er dem Vater gehorcht hätte. Aber Liebe überwindet Alles". Er hatte von dem Mädchen nicht lassen wollen; waren sie doch mit einander aufgewachsen, hatten sie doch zusammen so oft der Sonne nachgeschaut, wenn sie am Abhang der Heerde   warteten und nun von einander? Nein! Lieber wollte er davonlaufen.

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Eines Tages befahl ihn der Vater aus der Wirthsstube

zu sich.

,, Es ist nun Zeit, Stefano, daß du dem Unwesen mit der Danila ein Ende machst. Die Tochter des Krakosch könnte sonst scheel sehen."

Mir gegenüber lagen ihrer Elfe im Quartier, hohe prächtige Bursche vom Regimente Khevenhüller. Die gutherzige Tischlers­frau sorgte für ihre zehn Mann mit dem Unteroffizier", wie nur eine Familienmutter für ihre Angehörigen sorgen kann. Es waren aber auch gute Jungen, besonders der Eine von ihnen, der Stefano, aus einem Dörfchen am Isonzo  , und man sah ihnen ihr früheres ,, Bagabundenteben" nicht an. Kameradschaftlich unter einander, wie man's im neudeutschen Reiche wohl kaum noch findet, waren sie ihrer Mutter", so nannten sie bald die Frau Richter, die erwähnte Tischlersfrau, freundschaftlich ergeben und zugänglich für Jedermann. Besonders die Kinder unserer engen Gasse waren bald gut Freund mit ihnen, und auch mir wurde ,, Das wird wohl nicht geschehen, Vater; denn ich hab' die es nicht schwer, in Verkehr mit ihnen zu treten. Abends um Danila lieb, und wenn ich freie, so muß es die Danila sein. 6 Uhr war der Dienst gewöhnlich beendet, und es wurde dann| Mit der Elja Krakosch aber kann ich kaum gute Freundschaft halten."

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,, Vater, ich hab' mit der Tochter des Krakosch nichts vor." ,, Red' mir nicht drein. Ich hab's dem Krakosch versprochen: du und seine Tochter werden ein Paar."

*) Siehe das Bild in Nr. 1.**) Schiller  , Die Piccolomini", I, 2.