in dem Wahne befangen ist, durch die Kraft der bloßen Theorie, der reinen Lehre, Menschen erziehen zu können, ein Wahn, der doch durch die Resultate von Jahrtausenden eigentlich bei überlegenden Menschen schon vernichtet sein müßte.

Sie werden sich also, Madame, ob Sie wollen oder nicht, schon in den grausamen Gedanken hineinleben müssen, daß Sie ganz und gar das Lügen den Kindern nicht werden abgewöhnen können, denn Sie haben kein Mittel in der Hand, zu verhüten, daß das Kind, auch wenn nicht bei Ihnen, so doch bei Ihrem Manne oder beim nächsten Nachbar oder im sonstigen Verkehr das Lügen erlernt. Was Sie höchstens thun können, und thun müssen, ist, zu verhüten, daß das Kind gegen Sie unwahr sei. Und hierzu gibt es ein sehr probates, höchst einfaches Mittel: Sie dürfen einem Kinde tein Geständniß erpressen. Ertappen Sie das Kind in flagranti bei einem Unrecht, oder halten Sie es sonst eines Vergehens für überführt, so dürfen Sie es strafen. In jedem andern Falle aber d. h. so lange das Vergehen nicht erwiesen zu Tage liegt genießt das Kind wie ein Erwachsener den Schutz des gemeinen Rechts, nach welchem der Nichtüberführte als nichtschuldig anzusehen ist. Ebensowenig wie der Richter dem Angeklagten, dürfen Sie dem Kinde zu­

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muthen, sich selber anzuklagen, seine Schande einzugestehen und seine Bestrafung herbeiführen zu helfen. Das ist etwas durch­aus Unnatürliches; das Kind ist auch Mensch. Indem Sie dem Kinde etwas zumuthen, was gegen die menschliche Natur ist, zwingen Sie es zur Lüge. Davor haben Sie sich strengstens zu hüten! Sie dürfen streng sein, Sie dürfen strafen, aber Sie dürfen das Kind nicht entehren, denn eine Entehrung ist es, wenn Jemand und sei es ein Kind durch moralische oder gar materielle Zwangsmittel( Drohungen, Einsperrungen, Körper­strafen) zum Bekenntniß seiner Schande angehalten wird. Was man nach der gemeinen Hauspädagogik in dieser Beziehung als tugendlos"," eigensinnig"," halsstarrig"," widerspenstig" 2c. be­zeichnet, wenn ein Kind sich nicht zum Bekenntniß seiner Ver­gehen bewegen läßt, das halte ich grade für natürlich und darum richtig. Alles hat seine Grenzen, auch die Pietät gegen die Eltern und die Gewalt derselben über die Kinder. Das Kind ist zunächst seinetwegen und nicht der Eltern wegen auf der Erde; ihm zumuthen, seinen Willen absolut in den Willen der Eltern aufgehen zu lassen, ist ein ethisches und logisches Hierüber und über das zweckmäßigste Straf Monstrum. system gegen Kinder in meinem nächsten Briefe.

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Bibliothrk

der Friedrich- Ent- rung

Aus der alten und der neuen Welt.

schnittlich 3 Briefe jährlich. In Großbritannien   entfallen 29 Brief­postsendungen auf den Kopf; dort wurden im legten Jahre 800 Mill. Briefe und ca. 80 Mill. Postkarten gewechselt. Auf England folgt die Schweiz   mit 20 Briefen pro Kopf. Dann das deutsche   Postgebiet mit 14 und dann Frankreich   und Belgien   je mit 12 Briefen. Nimmt man für Deutschland   die Fahrpost mit hinzu, welche die westlichen Staaten nicht besigen, so ergeben sich pro Kopf 23 Postsendungen. In Desterreich- Ungarn   entfielen 4-5 Briefe auf den Kopf der Bevölkerung,

in Rußland   0,6.

Täglich schreibt jeder 46. Bewohner Europas   einen Brief. Das Gewicht der 33 Milliarden Briefe des Weltpostverkehrs beträgt, den Brief zu 10 Gramm gerechnet, 33 Millionen Kilogramm oder 2/3 Mill. Centner; das Papier würde ausgebreitet eine Fläche von 8 Quadrat­

Die Ge­

Nicolaj Gawrilowitsch Tschernyschewsky( j. Seite 93) gehört zu den lautersten Charakteren und talentvollsten Schriftstellern, welche Seine die russische   Literatur der legten Dezennien aufzuweisen hat. leider so kurze Thätigkeit auf dem Gebiete der philosophischen, national ökonomischen und literarischen Kritik, sowie sein politisches Wirken waren von bedeutsamstem Einflusse auf die Entwickelung freiheitlicher Ideen und wissenschaftlich- kritischer Anschauungen in der russischen Gesellschaft. Die Leiden und infamen Verfolgungen, denen er wegen seiner Thätig­feit ausgesetzt war und noch ist, sind aber derart, daß sie nur um so wärmere Sympathie für ihn, zugleich mit dem tiefsten Abscheu gegen seine Verfolger in der Brust eines Jeden, dem die Freiheit und Wahrheit kein leerer Schall sind, zu wecken im Stande sind. Indem wir uns eine ausführliche Lebensschilderung Tschernyschewsky's, die in Arbeit ist, vor­behalten, wollen wir heute nur ein furzes curriculum vitae( Lebens- meilen bedecken: die Ausdehnung des Fürstenthums Lippe. abriß) bringen. Tschernyschewsky ist der Sohn eines ziemlich bemittelen, aber durchaus biederen Popen( russischer Pfaffe) und wurde 1829 in Saratow   a. d. Wolga   geboren. Wie alle Popensöhne genoß er seine erste Bildung in dem geistlichen Seminare seiner Baterstadt Saratow  . Später fam er nach Petersburg auf die Universität, studirte Philologie, befaßte sich auch mit Sozialökonomie und Philosophie, und war nach Absolvirung seines Studiums zuerst als Gymnasiallehrer in Saratow  , dann nach furzer Zeit als Professor an einer Militärschule in Peters­ burg   thätig. Seine literarische Thätigkeit beginnt im Jahre 1853, wo er in die Redaktion der radikalen Zeitung Sowremjenit"( Beitgenoffe) eintrat. Das Blatt kam durch ihn zu einem Aufschwung, wie kein anderes in Rußland   weder vorher noch seitdem. Mit eisernem Fleiße, feltener Klarheit, Schärfe und Logik veröffentlichte er jegt eine Reihe von Arbeiten über Sozialismus, politische Dekonomie, Philosophie, Politik und Literatur. Dieses Wirken brachte ihm die erbittertsten Ver­folgungen der Regierung und aller von ihm rücksichtslos in ihrer Hohl­heit aufgedeckten Halben, denen er längst ein Dorn im Auge war, ein. Aber auch Alles, was nach Besserem strebte, schaarte sich begeistert um ihm. Im Jahre 1862 wurde er plöglich, nachdem man ihm vergebens auf gefeßlichem Wege beizukommen versuchte, ohne jeden Vorwand ver­haftet und ins Gefängniß geworfen. Zwei lange Jahre schmachtete er in Untersuchungshaft", bis er endlich am 1/13. Juni 1864 zu sieben Jahren schwerer Zuchthausarbeit in den sibirischen Berg­werken verurtheilt wurde. Sein Prozeß ist eine Monstrosität, die sich denen der mittelalterlichen Inquisition und der römischen Christen­verfolgungen würdig anreiht. Tschernyschewsky hat jetzt seine Zucht hausstrafe längst beendet und troßdem wird er von der russischen Re­gierung nicht aus den Händen gelassen und fristet ein elendes Leben in einem der entlegensten Winkel Sibiriens   ein lebendig Be­

sammt- Einnahme der europäischen   Postverwaltungen beträgt circa 125 Mill. Thaler jährlich; die Gesammt- Ausgabe 100 Millionen, so daß ein Ueberschuß von 25 Millionen verbleibt. Den Hauptantheil beziehen England und Frankreich  , weil sie die kostspielige Fahr( Packet-) post nicht besigen und weil Frankreich   für Briefe eine fast doppelt so hohe, England für Zeitungen eine fast 5 bis 6 mal so hohe Posttare hat als Deutschland  . Die Brutto- Einnahme der deutschen   Reichspost beträgt gegen 32 Millionen Thaler; der Ueberschuß beläuft sich auf ca. 3 Mil. Thaler.

grabener.

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Weltpostverkehr.( Nach Angaben des General- Post- Direktors Stephan.) Auf der ganzen Erde werden jährlich ca. 3300 Millionen Briefe mit der Post expedirt, das macht pro Tag 91%, Millionen oder in jeder Sekunde 100 Stüd. Europa   ist bei dem Weltpostverkehr mit 2355 Millionen betheiligt; auf Amerika   dürften 750 Millionen, auf Asien   150 Millionen, auf Afrika   25 Millionen und auf Australien  20 Millionen kommen. Rechnet man die Bevölkerung des Erdballs rund zu 1300 Millionen Menschen, so ergeben sich pro Kopf durch­

Die Zahl der Postanstalten in Europa   beträgt 43,000; davon kommen auf Großbritannien   12,000, 7500 auf Deutschland  , 5500 auf Frankreich  , 4900 auf Desterreich, 2600 auf Italien  , und fast ebenso viel je auf die Schweiz  , auf Spanien   und auf Rußland  . An den Schaltern sämmtlicher deutschen   Postbureaus verfehren täglich über 800,000 Personen.

Das Postpersonal in Europa   ist auf 180,000 Köpfe anzu­nehmen, davon kommen 33,000 auf Großbritannien  , 27,000 auf Frankreich  und 60,000 auf Deutschland  , welches des Fahrpostwesens halber eines größeren Personals bedarf. Unter 660 Deutschen   befindet sich hiernach immer ein Angehöriger der Postverwaltung, und rechnet man die Frauen und Kinder ab, so ergibt sich, daß jeder 300. Mann in Deutsch­ land   zur Postverwaltung gehört. Von jenen 60,000 Personen gehören allein zur Reichspostverwaltung, also Bayern   und Würtemberg aus geschlossen, 51,000. Von diesen sind über Zweidrittel verheirathet; sie waren am Schlusse des Jahres 1874 mit 107,000 Kindern gesegnet.

Von den 3300 Millionen Briefpostsendungen des Weltpostverkehrs fallen ungefähr 490 Millionen auf den internationalen Austausch.

Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von T. I.

( Italienisch.)

Se gli ucceli in gabbia

Non cantan per amore, cantan per rabbia. Singvögel, die wir bringen

In eines Käfigs Hut:

Wenn sie aus Lust nicht singen, So singen sie aus Wuth.

E. K.