Paris war wahnsinnig- wahnsinnig aus Verzweiflung, aus Hunger, aus Scham, aus Krankheit, aus Aufregung. Die hageren Gestalten, die hohlen Wangen, die wilden Augen, denen man überall begegnete, legten beredtes Zeugniß ab über den Geisteszustand der Menschen, und ich werde niemals den traurigen Ein bruck vergessen, den alles dies auf mich machte. Niemand sal ruhig und gefaßt aus, ausgenommen die Führer und vielleicht einige von uns weniger leidenschaftlichen Angelsachsen( Engländern). Die Polen , die herbeigeströmt waren, um sich an einer Sache zu betheiligen, die sie mit ihrer eigenen zerbrochenen Nationalität eins erachteten, fügten das Fieber ihrer politischen Verzweiflung zu dem Feuer, welches das Lebensmark der Pariser verzehrte. Die Italiener gossen Del ins Feuer durch ihren glühenden Haß gegen die Priester, für sie die Verkörperung der Tyrannei, des Verraths, der Volksverdummung, der Verfolgungswuth. Die Republikaner aller Nationen sammelten sich in Paris , jeder mit seinen besonderen Planen zur Erlösung der Menschheit, zur Besiegung des Feindes; Jeder auch mit seinem besonderen ,, Steckenpferde"; überall fieberhafte Aufregung, überall der Widerstreit von Furcht und Hoffnung, hohem Streben und tiefer Verzweiflung, während es von Tag zu Tag klarer wurde, daß die Sache von Paris und mit ihr die Sache Europas , der civilisirten Welt -die Sache des Rechts und der besseren Organisation der Arbeit, für den Augenblick verloren und nur die Hoffnung auf die Zukunft geblieben war. Die Stadt fand sich einer erbrückenden Uebermacht gegenüber. Die Freiheit war zum Tode verurtheilt. Es war nur eine Frage der Zeit: die Commune mußte erliegen, und sie beschloß, sich nicht zu ergeben und kämpfend zu sterben.
Von allen Mitgliedern der Commune waren es Flourens.
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und Delescluze, die Josua amt meisten liebte, weil er sie am meisten achtete. Nach der Ermordung des Ersteren durch die Versailler Henkersknechte, schloß er sich um so enger an Delescluze an. Und Niemand war auch geeigneter, in einem jungen Mann Sein schwärmerische Zuneigung zu erwecken als Delescluze. heroischer Geist, sein Märtyrerleben, sein unbeugsamer Muth, sein unauslöschlicher Glaube, seine ruhige Trauer, die der Trauer eines Propheten glich, Alles, was er war und was er früher gewesen, umgab seine Persönlichkeit mit einem Zauber, dem Keiner, der ihm nahte, widerstehen konnte. Wir waren beide- Josua und ich in der Sißung anwesend, wo er als Antwort auf eine Schmähung, die gleich einer Bombe unter die Mitglieder geschleudert worden, den Schwur leistete, die Commune nicht überleben zu wollen. Die Wirkung war elektrisch, die hehrsten Erinnerungen des Alterthums tauchten vor uns auf und nahmen Fleisch und Blut an. Und als dieser edle, ehrfurchtgebietende Greis so ernst- feierlich sich erhob, ohne theatralische Schaustellung, ohne eine Spur von Aufregung, und mit fester Hand das Gelübde niederschrieb, welches er nachher so großherzig, mit wahrhaft antikem Muthe erfüllte, da war es, als wenn eine Fadel in jedem Herzen, in jeder Seele das Feuer opferfreudiger, todverachtender Begeisterung entzündet hätte. Alle wußten, was seine Worte bedeuteten, und wir, die wir eingeweiht waren in seine geheimen Gedanken und Gefühle, wir wußten es vielleicht besser als die
Anderen.
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Oh, eine Gesellschaft, die solcher Schlachtopfer wie eines Delescluze bedarf, um ihr Dasein zu fristen, in ihrer Fäulniß fortvegetiren zu können, hat kein Recht mehr, zu bestehen, hat tausendmal den Untergang verdient! ( Fortseßung folgt.)
Sozialdemokratie und Arbeiterleben in der Thierwelt.
Am tyrannischsten benimmt sich unter den sklavenmachenden Arten die berüchtigte Amazone( Formica rufescens), welche ebenfalls zuerst von Huber genauer beobachtet worden ist. Sie beträgt sich ganz so, wie dieses in der Regel die menschlichen Herrscher zu thun pflegen, d. h. sie arbeitet gar nicht, sondern läßt Alles von ihren Sklaven besorgen. Ja, sie frißt nicht ein mal allein, sondern läßt sich von ihren Sklaven füttern, macht es also ungefähr wie der Dalai Lama in Tibet , welchem, wenn ich nicht irre, ebenfalls die Speisen von seinen Dienern in den Mund gestopft werden. Sie hat freilich dafür eine weit bessere Entschuldigung, als die menschlichen Herrscher. Sie kann näm lich nicht arbeiten und auch nicht allein fressen wegen ihrer langen, schmalen und starken Kiefern oder Zangen, welche wohl ausgezeichnet als Waffen oder Bekämpfungsmittel dienen, aber das Alleinfressen und das Arbeiten unmöglich machen. Daher das Leben und die Fortpflanzung der Amazone nur mit Hülfe ihrer Sklaven möglich sind; ohne dieselbe müßte sie verhungern, und die Kolonie müßte zu Grunde gehn. Huber brachte eine Anzahl Amazonen mit ihren Larven und ein wenig Erde in eine Schachtel und legte ihnen genügende Nahrung vor. Aber die Thierchen, welche sich durchaus nicht zu helfen wußten, würden nach Ablauf einiger Zeit verhungert sein, wenn nicht Huber einige Sklaven hinzugebracht hätte, welche sofort die Amazonen und ihre Larven fütterten, eine Wohnung zu bauen anfingen und Alles, so weit möglich in Ordnung brachten. Eine ähnliche BeobachEine ähnliche Beobach tung machte Lespès, welcher einige Stücke angefeuchteten Zuders vor ein Nest der Amazonen legte. Einzelne Sklaven kamen her aus und machten sich über den Zucker her. Andere folgten ihnen und thaten desgleichen. Nach einiger Zeit folgten ihnen aber auch ihre Herren, welche, als sie sahen, was vorging, anfingen, ihre
Sklaven bei den Hinterbeinen zu ziehen und sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie auch bedient sein wollten. Darauf begann die Fütterung derselben durch die Sklaven, und alle Theile schienen befriedigt.
Es gibt in Europa noch eine weitere sklavenmachende Art ( Strongylognathus), welche der Amazone insofern ähnelt, daß sie, ebenfalls ihrer langen Kiefern wegen, zwar allein fressen fann, aber nur mit Mühe und Anstrengung. Auch passen ihre Mundtheile bei gewöhnlicher Körperhaltung schlecht zu denen ihrer Sklaven. Sie hat daher die Gewohnheit, ihre Sklaven, wenn sie gefüttert sein will, auf den Rücken zu legen und sich in dieser Stellung, wo die Mundtheile gut auf einander passen, ihre Nahrung verabreichen zu lassen. Diese Art verläßt das Nest übrigens nie bei Tag und vollführt daher ihre Raubzüge wahrschein lich bei Nacht. Die zahlreichsten Sklaven hat übrigens die Amozone, weil sie deren weit mehr bedarf, als z. B. die For
mica sanguinea oder blutrothe Ameise, welche mit ihren zumeist aus der Gattung der Formica fusca oder schwarzgrauen Ameise genommenen Sklaven gemeinsam arbeitet. Stört man ein Nest der Amazonen auf, so machen sich die Herren so schnell als möglich davon, während die aufopfernden und pflichtgetreuen Sklaven die Larven und Puppen ihrer Herren zu retten suchen.
Die Raubzüge der sklavenmachenden Arten zur Gewinnung ihrer Sklaven, welche mit großer Kühnheit und Wildheit ausgeführt werden, und die erbarmungslose Plünderung der angegriffenen Nester sind von verschiedenen Beobachtern in äußerst interessanter Weise beschrieben worden; ebenso die mörderischen Schlachten, welche bisweilen in ganz regelrechter Weise und geordneter Schlachtlinie zwischen einzelnen Ameisen- Kolonien geführt werden, und wobei die Sieger in der Regel die Nester der