Athens so viele Sottisen sagen lassen, und nun erlebst du es noch, etwa 2300 Jahre nach deinem unzweifelhaft seligen Tode, daß ein deutschöstreichischer Poet dich wie eine Wiener Grabennymphe schildert, die man sich ohne Chignon, Schnürleib und falschen Sitzsockel gar nicht vorstellen kann. Gute Frau, daß du in zweiter Ehe den Schafhändler Lysikles genommen, haben dir schon manche Schafe verdacht, die sich einen demokratischen Volksmann, der ein ehrlich Handwerk treibt, nur ,, roh und brutal" im Gegensatz zum Kapitalisten Perikles denken können, aber daß dich diese zweite Ehe nicht verhindert hat, deinen Sohn aus der ersten, den jüngeren Periklee, zu einem tüchtigen Manne, einem Feldherrn des Arginusen- Sieges zu erziehen, das hat doch zuerst Hamerling mit Befliffenheit ignorirt, indem er diesen Sohn nicht nur wegläßt, sondern ganz naiv sagt, daß die Söhne des Perikles nicht Aspasiens Sprößlinge waren, kam es dem Eheglücke des Perikles nicht ebenfalls zu Gute? Er brauchte die Liebe Aspasiens nicht mit diesen zu theilen." Wo diese Aesthetik der The herstammt, ist zwar unschwer zu errathen: Aus Sacher Masoch's " Don Juan von Kolomea"; aber etwas bedenklich ist doch, daß z. B. Goethe ziemlich entgegen gesetzter Ansicht war und der alte Schwede soll doch auch gewußt haben, was schön und beglückend ist. Er sagt:
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,, Liebe, menschlich zu beglücken, Nähert sie ein edles Zwei, Doch zu göttlichem Entzücken Bildet sie ein köstlich Drei."
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wobei es klar ist, daß das„ göttlich" nur ein hohes ,, menschlich" bedeuten soll. Oder was soll man dazu sagen, wenn Aspasia noch vor des Perikles Scheidung von seiner ersten Frau sich über diese, die einen Pfau geschlachtet hat, gegen Perikles so ausläßt:„ Ein Weib, das fähig war, einen Pfau zu schlachten verdient mit Ruthen aus Hellas hinausgepeitscht zu werden." Daß solche Worte in solcher Lage an Perikles nie gerichtet sind, läßt sich historisch- kritisch freilich nicht beweisen, wohl aber steht fest, daß Perikles ein intimſter Freund der hellenischen Muse war, und daß jeder Mann, der solche Worte, von seiner Buhlerin über die Mutter seiner Kinder gesprochen, ruhig hinnimmt, für die Blume hellenischer Schönheit grade soviel Verständniß hat wie ein Mastschwein für Austern und Sekt.
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Armer Perikles , arme Aspasia, ihr müßt euch gleichwohl darein finden, daß mein Hauptbedauern nicht euch zu Theil wird denn, wenn wir es recht erwägen, so seid ihr ja lange gestorben und nach dem, was Hamerling und ich und Hinz und Kunz über euch denken, thut euch kein Finger mehr weh. Aber zu bedauern ist, lebhaft zu bedauern, daß der Einfluß eines Hamerling'schen Romans in Thätigkeit gesetzt wird, um die Borstellung des Volks von dem was griechische Schönheit und griechischer Schönheitsdienst ist, zu fälschen. Nicht im Namen der Sittlichkeit, im Namen der geschändeten hellenischen Schönheit protestire ich gegen diese
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Darstellung. Es ist nicht eine gleichgiltige Sache, um die es fich handelt. Nicht für den müssigen Zinsenverzehrer, den einseitigen, fachgelehrten, den gewerbsmäßigen Aesthetiker und Künstler ist es vor allen Dingen wichtig, sich an die Wahrnehmung dieser Schönheit zu gewöhnen. Vor allen Dingen nöthig ist das für Jeden, der in der ,, neuen Welt" ganz heimisch werden will denn darin werden wir nicht um eine Wiederbelebung des perifleischen Staatsgedankens herumkommen das Schöne wird im neuen Reich" in dem, das wir meinen da als Zwingendes auftreten müssen, wo Zwang hingehört und wo im alten Reich die brutale Gewalt thront. Tarum aber ist es kein leichter Schade, wenn dieser Schönheit Urbild dem Volke von sinnverwirrten Hierophanten in entstellender Beleuchtung gezeigt wird. Ich weiß nur ein Gegenmittel: die täuschende Erscheinung recht scharf zu fixiren und sich unter Befragung des eigenen unverdorbenen Schönheitsfinnes Zug für Zug zu fragen: Was wird hier für eine antike Schönheit ausgegeben und ist im Grunde nur eine moderne Häßlichkeit? Als Hülfsmittel zur Sicherstellung des Urtheils benutze man womöglich die alten Tragiker und alles, was in Gypsabgüssen und Photographieen von Werken des Pheidias , Polyklet, Prariteles und Skopas zu haben ist( nur nicht zu verwechseln mit den Venussen der römischen Kaiserzeit, die schon besser zu Hamerling's Antike passen) mindestens den Homer nur nicht in den schrecklich entstellenden Bearbeitungen von Schwab oder gar von Beder. Eine solche eigene kritische Verarbeitung des Hamerling'schen Buches ist viel empfehlenswerther als ein Ignoriren desselben, denn theils wird man in Zukunft keines Warners vor ähnlichen Irrführern bedürfen, theils wird man einen positiven Gewinn, einen Schatz von bewußten Schönheitseindrücken davontragen, der ein dauernder Freudenquell ist fürs Leben.
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Es ließen sich noch viele Schwächen, ja direkte Albernheiten an dem Hamerling'schen Buche nachweisen; doch möchte das allzu hemmend in Bezug auf die obige Aufforderung zum Lesen wirken. Nur Eins sei noch erwähnt: das außerordentlich mangelhafte Verständniß für die Beschaffenheit des demokratischen Staatskörpers, der geschildert werden soll. Eine Volksversammlung mit einem halben Dutzend Anträgen schwerster Bedeutung, die sämmtlich in einer Vormittagssigung erledigt werden, und dann einige tumultuarische Scenen sollen uns den freien Volksstaat zeigen! Wie ärmlich! Die regelmäßige Arbeit des Perikles als demokratischen Beamten wird stets als Nebending bei Seite gelassen. Weil er doch fühlt, daß er, etwas thun muß, betreibt er den Krieg gegen Samos , und weil Hamerling ihn, eingestandenermaßen, einmal als Staatsdiener handelnd vorführen will, erzählt er eine von Perikles gewonnene Seeschlacht!!! Das schmeckt doch sehr nach der Aera von Königsgrätz und Sedan und läßt tief blicken auf die geheimen Gründe, weshalb diesem dichterisch so reich begabten Robert Hamerling eine so gründliche Karrikirung des antiken Ideals gelingen konnte: Der ächte Dienst des Schönen gedeiht nur im Reiche der Freiheit.
Aus der alten und der neuen Welt.
Auch ein Erinnerungstag! Der 15. März war für die Stadt Hanau ein Tag wehmüthiger Erinnerung. Am 15. März 1776 war es, daß das erste Bataillon des Hanauischen Regiments am Holzhof ( jezt Eigenthum der Familie Bechtel) eingeschifft wurde. Das Bataillon erreichte Quebeck am 16. Juni desselben Jahres. Diesem Bataillon folgte auf 12 Schiffen am 15. Mai die Hessen - Hanauische ArtillerieCompagnie unter dem Befehl des Obersten Fannoth. Nur wenige dieser beklagenswerthen Opfer fürstlicher Habsucht und Tyrannei sollten ihre Heimath wiedersehen; die meisten schlummern in fremder Erde. Der General und Minister von Schlieffen, fluchwürdigen Angedenkens, war es, der für den fürstlichen Seelenverkäufer, Landgrafen von HessenKassel, im Jahre 1775 den berüchtigten Vertrag abgeschlossen hatte,
kraft dessen 12,800 brave und tapfere leider aber blinde"- den Engländern als Kanonenfutter für ihre Kolonien, namentlich für den Kampf gegen die nordamerikanische Unabhängigkeit verkauft wurden. E. K.
Räthsel.
Ein hohes Schloß mit alten Thürmen, In denen die zwei Ersten schrei'n,
Es troßt der Zeit und ihren Stürmen Mein Ganzes wird sein Name sein. Magst auch mit Flint' und Säbel winken, Du morsch Gemäuer mußt doch sinken!
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C.
Mit vorliegender Nummer schließt das 1. Quartal der Neuen Welt", und ersuchen wir die geehrten Leser, ihre Bestellungen auf das 2. Quartal sofort zu bewirken. Die gute Aufnahme, deren sich das Blatt seither zu erfreuen hatte, berechtigt uns zu der Hoffnung, daß sämmtliche Abonnenten uns nicht nur treu bleiben, sondern auch zur Weiterverbreitung der Neuen Welt“ uns fräftig unterstüßen werden. Was wir vermögen, wird geschehen, um das Blatt immer vollkommener zu gestalten.
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Redaktion und Verlagshandlung.