wie der Sanftmuth, der Nache wie der Leidenschaft; er war wunderbar häßlich und doch von einer erhabenen Schönheit. Es war der Mann der Revolution, der Freund des Volkes, es war Danton , jener cherne Koloß, den der Aufstand gegen den Thron schleuderte, daß dieser zusammenbrach.
Er ließ seine gebietenden Blicke über die Menge schweifen, den Bekannten freundlich zulächelnd, die Fremden mit forschendem Auge durchbohrend; ein tiefes Schweigen, der Vorbote des Sturmes, lagerte über dieser Menge; jedes Antlitz lauschte gespannt, jebe Hand umkrampfte die Waffe, als Danton zu sprechen begann:
,, Hören wir auf, Bürger, uns auf die Gesetze und die Gesetz geber zu berufen. Die Gesetze haben nicht vermocht, unzählige Greuelthaten zu verhindern, und die Gesetzgeber waren zum größten Theil Theilnehmer derselben. Heute soll sich die Oberherrschaft des Volkes unter Bliß und Donner verkünden und die Macht, die das Volk ergreifen wird, wird es auch zu bewahren wissen. Vorwärts! vorwärts! damit wir der Schande entgehen, das Joch der Fremdherrschaft ertragen zu müssen. An den Grenzen des Vaterlandes wird der Kampf minder schrecklich, minder entscheidend sein, als die Schlacht, die wir hier liefern müssen. Auf! Zu den Waffen! Zu den Waffen!"
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und die Aufregung außerhalb des Hauses ein Echo im Innern desselben gefunden hatten; die sonst so strenge Etiquette war entflohen, er fand keinen einzigen Diener, um sich anmelden zu lassen, er begegnete Niemandem in den Vorzimmern, und gelangte endlich unbemerkt in den Salon, in dem sich soeben eine sonderbare Scene abspielte.
Der Marquis von Carville war früher Rittmeister in einem Kavallerie- Regimente gewesen, bald aber war er seines Dienstes überdrüssig geworden, hatte seine Charge verkauft, um sich einen Kammerherrnschlüssel dafür zu kaufen und hatte nur einen ganz harmlosen Degen, eine Gala- Uniform und zwei jungfräuliche, nie vom Pulverdampf der Kanonen geschwärzte Epauletten als Andenken seiner militärischen Laufbahn zurückbehalten. Als Vollblutaristokrat hatte der alte Marquis die Deputirten des Adels bitter getadelt, die im Jahre der Gnade 1789 in die Ständeversammlung eingetreten waren, und schmollend hatte er sich in sein Hotel in der Straße St. Honoré zurückgezogen. Er emigrirte nicht, weil das Alter sein Blut abgekühlt hatte, und weil er an seinen häuslichen Gewohnheiten und an seiner Stellung als Kammerherr hing; aber er schickte seinen Sohn zu dem Heere der Prinzen und wartete dann in aller Ruhe, bis der Herzog von Braun schweig kommen werde, um den empörten Pöbel zur Raison zu bringen und den König zu befreien.
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Dieser arme Marquis liebte es, das Wort Ludwigs des Vierzehnten zu citiren: Der Staat bin ich!", und hatte keine Ahnung davon, daß das Volk dieses Wort ausgelöscht und an feiner Statt zu Häupten einer Konstitution geschrieben hatte: Der Staat sind wir!"
Dieser letzte Zuruf wurde von der Menge wiederholt, ein brausendes Hurrahgeschrei folgte ihm, und diese wogende Menschenmasse erhob sich wie die empörten Wellen bei dem Tosen des Sturmes. Sie drängte nach den Sektionen, nach dem Klub der Cordeliers, und vor der Thür des alten Palastes blieb nur Danton zurück, der sich erschöpft den Schweiß von der Stirn trocknete, und ein junger, elegant gekleideter Mann, der, ehrerbietig sein Haupt vor dem Volkstribun entblößend, zu ihm mit beschlagen hörte, flingelte er einem Diener, um zu erfahren, was wegter Stimme sagte:
,, Danton , Sie sind um einen Soldaten reicher geworden!" , Sie hier!" rief der Tribun ,,, Sie, Friedrich von Blainval? Ich glaubte, Sie seien in Koblenz ?"*)
,, Glauben Sie denn," entgegnete der junge Mann bitter, ,, daß das Herz eines Kavallerie- Offiziers nicht ebenso heiß für das Vaterland und die Freiheit schlagen kann, als das Herz eines Advokaten aus Arcis- sur- Aube? Sie verkennen mich, Danton . Aber wenn es eines Beweises bedarf, um Sie meiner Gesinnungen zu versichern, so soll er Ihnen seiner Zeit nicht fehlen. In der Stunde der Gefahr werde ich an Ihrer Seite sein, aber für jetzt muß ich in dieses Haus."
In dieses Haus? Wissen Sie nicht, daß es einem gewissen Marquis von Carville gehört, dessen Sohn früher in Ihrem Regimente diente und jetzt im Auslande weilt? Der Marquis selbst ist ein ergebener Diener des Tyrannen; dieses Haus ist mit einem rothen Kreuze gezeichnet."
,, Danton ! Der Marquis ist ein Greis, der Niemandem mehr schaden kann, und seine Tochter ist noch ein Kind, das überall nur Opfer, aber nirgends Feinde sieht."
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Hat denn die Liebe zu einem Weibe Platz neben der Liebe zum Vaterlande?" sagte Danton ernst. Eine muß die andere erstiden. Hören Sie mich, Friedrich! Das Volk ist aufs äußerste erbittert, es wird erbarmungslos nach seinem Siege sein; wollen Sie, daß man die Bitten des jungen Mädchens erhört, das Sie lieben, so seien Sie heute Nacht nicht taub für den Ruf der Sturmglocke.-Auf Wiedersehen!"
,, Auf Wiedersehen!" wiederholte der junge Mann, indem er die Hand des Tribuns drückte.
Danton entfernte sich mit langsamen Schritten, und Friedrich zog heftig die Klingel an der Thür des Palastes. Ein alter Portier wechselte durch das Fenster der Loge einige Worte mit dem Er- Rittmeister, ehe er ihn einließ, und verschloß dann eilig die Thüre hinter ihm. Friedrich bemerkte sogleich, daß der Lärm
*) In Koblenz war das Hauptquartier der französischen Emigranten, die in ihr Vaterland einfallen wollten, oder richtiger, schon eingefallen waren, denn das berüchtigte Braunschweiger Manifest war wenige Tage vor dem Zeitpunkt, in welchem diese Geschichte spielt, er lassen worden. Der Tuileriensturm war die Antwort des französischen
Volks.
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Als er an diesem Abende zu seinem Erstaunen den Rappel
es gäbe. Der Diener hatte dem Herrn Marquis berichtet, daß das Volk gegen die Tuilerien marschire, und Herr von Carville, der auf dem Gesichte seines Lakaien eine unverschämte Freude zu. lesen glaubte, nannte ihn einen Schurken und jagte ihn fort. Der Schurke" ging und murmelte eine Drohung zwischen den Zähnen.
Durch diesen Akt der Selbstherrlichkeit höchlichst befriedigt, legte der Marquis seine Rittmeister- Uniform an, nahm den Degen zur Hand und erklärte, daß er an der Seite seines Königs sterben wolle.
Aber seine Tochter Marie, eine zarte, liebliche Blume, flehte ihn an, für sie zu leben und sie nicht zu verlassen; und in dem Augenblicke, wo sie, aufgelöst in Thränen, zu den Füßen des unerbittlichen Rittmeisters lag, erschien Friedrich von Blainval auf der Schwelle.
" Friedrich!" rief das junge Mädchen, Friedrich, kommen Sie, helfen Sie mir meinen Vater zurückhalten, der im Schlosse seinen Tod suchen will."
,, Das Schloß ist noch gar nicht angegriffen," antwortete Friedrich ruhig.
,, Und außerdem", sagte der alte Marquis beschwichtigend zu seiner Tochter ,,, werden die Schweizer leicht mit jenem Pöbel fertig werden, der nicht einmal einen Anführer hat."
,, Sie irren sich, Herr Marquis!" rief Friedrich mit blitzenden Augen; das Volk gehorcht dem besten General der Neuzeit." ,, Das wäre?... Wie heißt der Mann?"
,, Wie? dieser Kannibalengesang... dieser..." stammelte der alte Mann ingrimmig.
Friedrich sah mitleidig auf ihn. Er begriff, daß Alles, was er sagen könnte, nur die Aufregung des Greises vermehren müsse; Marie sah ihn mit flehenden Blicken an draußen war Alles still geworden, kein Laut drang mehr von der Straße heraufso ergriff er den Ausweg einer Nothlüge.
,, Bleiben Sie, Herr Marquis," sagte er, zu diesem gewandt, der sich zum Gehen rüstete ,,, es ist keine Gefahr für den König vorhanden. Der Aufruhr war freilich in vollem Gange, aber der General Mandat hat ihn gänzlich niedergeworfen; die Straße ist übrigens durch Nationalgarden vom Bataillon St. Thomas besetzt, die Ordre haben, Niemand durchzulassen."
( Fortsetzung folgt.)