156
Aus der alten und der neuen Welt.
Ostermorgenträumereien.
Am blauen Himmelsgezelt erhebt sich die Sonne Freude verkündend,
Und bestrahlet die Straßen der Stadt,
Und beleuchtet die Dächer und blinkt durch die Scheiben Und erweckfet die schlummernden Menschen;
In reiner bläulicher Morgenluft Schwingen sich auf zwitschernde Vöglein
Und jauchzen empor zur goldenen Sonne; Ernst- feierlich tönt durch die Stille
Und ruft zum Gebete die Menschen.
Die Menschen, sie hören die ernsten Klänge
Und lauschen und folgen ihnen;
Zur Kirche wallet
Der Menschenstrom, der buntgeschmückte,
Und Alle sind fröhlich und heiter; nur ich allein Wandle traurig und ernst im Menschengewoge: Schmerzen durchziehen die Brust
Und zermartern die Seele.
Nicht lindert die Qualen der Vögel Gezwitscher, Nicht lindert die Qualen der Glocken Geläut. Einsam wandle ich unter den fröhlichen Menschen Und schreite weiter und weiter,
Bis vor die Thore der Stadt.
Und der erwachenden Natur an die wogende Brust Werfe ich mich träume von glücklichen Tagen Vergangener Zeit.-
-
Doch wieder durchzucht es mich schmerzvoll:
Denn wieder erblick' ich die tückischen Menschen,
Die Treue gelobt und dann schmählich gebrochen.
Heftig, entrüftunggeschwellt pocht mir mein Herze
Als wollt es zersprengen die Fessel, die auferlegt ihm die Brust. Und ich hör den Gesang der munteren Vögel,
Wie auch der Baumwipfel leises Geflüster;
Und ich schaue des See's klarblauen Spiegel,
Vom milden Sonnenlicht freundlich bestrahlt;
Ich sehe: des See's Eis hat der Frühling gebrochen,
Die Bäume hat er mit neuem Grüne bekleidet:
Doch in meiner Brust erblüht keine liebliche Blume
Und des Herzens Eisrinde sprenget der Frühling nicht!
Ob auch die Natur im Blüthenkranz strahle,
Db jubilirende Vöglein
Im blauen Aether munter sich wiegen,
Ob fröhlich murmelnd und plätschernd der Bach
Vom Felsen sich stürzt,
Ob nicht der See mehr trägt eisige Fesseln:
Noch immer seufzet und klaget das Volk
Unter den ehernen Ketten;
-
Noch ist nicht erwacht der Frühling der Völker- Und bis er erwacht, muß trauern ich noch und klagen! Doch die Zeit, sie wird kommen, da Alle sind Brüder, Und Freiheit nur herrscht auf dem Erdenrund; Wenn Haß und Zwietracht uns nicht mehr entzweien; Wenn Mars*) ist verbannt und des Goldes Gott , Mammon, Vom Throne gestürzt ist, wenn ein einendes Band
Der Liebe die Herzen der Menschen umschlingt. Ja, sie wird kommen, die Zeit! Doch wehe dann Dem, Der tollkühn zu widerstreben ihr wagt!
Sie kommi! Ja, schon seh' ich die Lerche,
Die den Völkerfrühling uns kündet, mit frohem Gezwitscher
Zum azurnen Himmelsgezelte sich schwingen,
Und hell erglänzen seh' ich die Sonne
Ihre belebenden Strahlen dringen
Mir in's Herz,
Und die eisige Rinde, sie schmilzt,
Freudig erbebt mir die Brust, wenn des Tages ich denke, An dem auch mir wieder
Wahrhaft glückliche Menschen
Sich nah'n.
Ich stimme mit ein in den Jubelgesang der Vögel,
Und der Frieden zieht in die Seele.
Ich kehre zurück in die Stadt,
Mit neuer Hoffnung auf bessere Zukunft,
Die die Menschen zu Menschen macht!
*) Gott des Krieges.
Ch. D.
-
Rekruten- Ausloosung in Tirol( siehe das Bild). Herbei ihr Söhne des Gebirgs, die ihr heuer das zwanzigste Jahr überschritten, herbei nach dem Amtshause, wo die Stellvertreter der Stellvertreter Gottes" ihren Sig aufgeschlagen haben. Heute fordert man von euch, angeblich für den Staat, in Wahrheit für den Moloch der Klassenherrschaft, den größten Tribut ein, den ihr zahlen könnt euch selbst. Herein, ihr Bursche da draußen, ruft der Büttel, die Reihe ist an euch, euer Loos aus der Urne zu ziehen! Denn nicht Jedem wird ja das Vergnügen und die Ehre zu Theil, sich für den Landesvater und die gefeßgebenden Klassen todtstechen oder zum Krüppel schießen zu lassen. Erstens muß Jemand, um dieses Genusses theilhaftig zu werden, ferngesund sein. Wer schon ein Krüppel ist, kann feiner mehr werden. Und auch die Gesunden hat man nicht alle nöthig; man loost aber ihrer so biele aus, als man braucht. Der da, der soeben in die Urne greift, welch prächtiges Kanonenfutter! Mit düsterem Sinnen zögert er, die verhängnißvolle Nummer, die er schon zwischen den Fingern halten mag, herauszuziehen. Seine rechte Faust ballt sich krampshaft zusammenund sein Auge scheint nicht durch einen äußeren Gegenstand gefesselt, sondern in's weite Reich der Gedanken hineinzustarren. Was hat er nur? Denkt er vielleicht:
Ja von der Heimath und von Liebchens Herzen Muß ich hinweg und von der Freunde Kreis."
Vielleicht gehen ihm allerlei hochverrätherische Gedanken durch den Kopf. Vielleicht sagt er sich, wie Wilhelm Tell an der Straße von Küßnacht , wo er die friedlichen Wanderer ihren Geschäften nachziehen sieht:
,, Und meines ist der Mord!"
Und das Mütterchen am Stab und das schmucke„ Deandl", wie angstvoll blicken sie auf das tückische Gefäß, aus dem ihnen im nächsten Augenblick die Trennung vom Theuersten, die Noth und vielleicht die Trauer hervorsteigen werden! Theilnahmlos und geschäftsmäßig dagegen, mit gedankenloser Gleichgültigkeit verrichten die Beamten ihre Arbeit des Vorlesens und Einschreibens." Der Kaiser braucht eben so und so viel Mann, und das ist uns auch nicht besser gegangen, als wir flotte Bube waren, und das wird so bleiben, so lange es einen Kaiser gibt im Reich."
Das Bild des Gefreuzigten präsidirt der Ceremonie; hat es nicht auch beim Foltern herhalten müssen, und ist es nicht noch heute ein unentbehrliches Beistück der Hinrichtungen? Die Fahne mit dem Raubthier, die von der Decke herabhängt, paßt freilich besser zur Sache, als der Verkünder der Liebe.
Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von F. I. ( Italienisch.)
La guerra fa i ladri, e la pace gli impicca. Die Räuber, die der Krieg gemacht, Die knüpft der Frieden auf ganz sacht. L'uso serve di tetto a molti abusi. Für manchen Mißbrauch gilt Gebrauch als Schild.
Ogni forza è ragione contra il tiranno. Tyrannen gegenüber halt'
Ich für Vernunft nur die Gewalt.
La vera legge è la natura. Wozu Geseze nur? Alleingesez sei die Natur!
Virtù per succession mai non s' acquista.
Erbkönigthum, du sollst von mir Beifallsverbeugung
Empfah'n, sobald sich Tugend hier Fortpflanzt durch Zeugung.
( Französisch.)
Malheureux est le pays, auquel le diable est en haut prix.
Das Land ist das dümmste
Und nicht das gescheut'st', Wo man vor dem Teufel Sich lang' noch bekreuzt.
Berichtigung. Am Schluß des lezten Absatzes auf S. 96( Nr. 11) findet sich eine leidige Namensverwechselung. Colbert war der Minister Ludwig's des Vier
Wo die meiste positive Religion war, war immer die wenigste zehnten; ber Minister Heinrich's des Bierten war Sully. Offenbar spricht Rasch
Moralität.