wickelt, ja bei der Mauerschwalbe nur stumpfartig,

alle Gaben hat die Natur in die Flügel gelegt. Zehn Meilen soll die Schwalbe auch in der Stunde zurücklegen können, ja Michelet  gibt sogar die Schnelligkeit der Mauerschwalbe auf 40 Meilen

in der Stunde an.

Dies Alles hat die Schwalbe nicht nur zur Beherrscherin unsers Hauses, sondern auch zur Freundin unsers Herzens ge= macht. Zwar sucht man sie neuerdings aus dieser Gunst zu

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verdrängen, indem man sie des Bienenraubes anklagt, aber sobald wird es nicht gelingen, diefen Freund in den Augen des Volks herabzusetzen. Man wird der Schwalbe gern die Ecke im Fenster überlassen und sie auch gegen ihre Feinde zu schützen suchen. Bezeugt sie doch

Durch ihr geliebtes Mauerwerk, Daß hier des Himmels Hauch erfreuend weht." ( Shakespeare.)

Danton  .

Episode aus dem Jahre 1792. Frei nach dem Französischen von D... P...

( Fortsetzung.)

Hören Sie, lieber Vater?" sagte Marie mit sanfter Stimme. ,, Mein Herr! Soeben unterließ ich nur, Ihnen zu sagen, ,, Nun wohlan," sprach der alte Herr ,,, wenn es so steht, will daß es etwas Höheres gibt, als den König, ein Etwas, das ich bleiben. Aber morgen werde ich mich in die Tuilerien be- man Frankreich   nennt!" geben, damit, wenn die Gefahr sich erneuert, sie mich an der Seite meines Königs trifft; wie glücklich wäre ich, wenn ich für ihn sterben dürfte."

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Friedrich schwieg und der Marquis fuhr nach einer Weile fort: ,, Aber ich will dich nicht allein zurücklassen, meine Tochter, ich will dir eine Stüße geben. Friedrich! Dein Vater war mein bester Freund und ein treuer Unterthan seines Königs..." Immer nur der König und nichts weiter als der König!" murmelte der junge Mann bitter.

Friedrich!" flüsterte Marie bittend und vorwurfsvoll. Ich hoffe, Friedrich," sprach der Marquis weiter ,,, daß die Philosophen dir den Kopf noch nicht verdreht haben; ich weiß, du liebst meine Tochter hier hast du ihre Hand."

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Für einen Augenblick vergaß Friedrich alles Andere; er be­deckte die zitternde Hand der Geliebten mit Küssen und dankte dem Marquis aus vollem Herzen.

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Morgen" nahm dieser wieder das Wort ,,, morgen wirst du mich in die Tuilerien begleiten; ich werde Marien Seiner Majestät als deine Braut vorstellen, und an dem Tage, an dem der König feine Feinde besiegt haben wird, werdet ihr eure Ver­mählung feiern."

Friedrich, den diese Worte aus seinem Liebesrausche zur trüben Wirklichkeit erweckt hatten, schwieg betreten, und Marie, deren Blicke ängstlich auf ihm ruhten, begriff zum ersten Male mit dem Instinkt des liebenden Weibes, daß es auch im Salon ihres Vaters zwei feindliche Parteien gab.

Der Marquis hatte sich in einen Lehnsessel niedergelassen, und Friedrich stand unschlüssig, was er thun, was er sagen solle; er hielt Mariens Hand trampshaft in der seinen fest und hatte den Blick finster zu Boden gesenkt.

Plötzlich wurde die Thüre des Salons heftig aufgerissen und ein junger Mann trat rasch ein.

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,, Mein Sohn!"" Mein Bruder!" riefen der Marquis und Marie, ihm entgegen eilend. Die zwei jungen Männer aber maßen sich mit einem Blick so tödtlichen Hasses, daß Marie sich instinktiv zwischen sie warf.

Was habt ihr? was soll das heißen?" frug der Marquis erstaunt.

,, Mein Vater!" rief Paul von Carville erbittert, statt aller Antwort; weisen Sie diesem Verräther die Thüre!"

,, Aber so erkläre mir doch, mein Sohn..."

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,, Wissen Sie denn von Nichts? Die Tuilerien sind umzingelt, der König hat nur wenige Vertheidiger, die wohl für ihn sterben können, aber nicht genügend sind, ihn zu retten. Und dieser Ab­trünnige da steht auf der Seite unserer Feinde."

,, Sie haben mich also soeben betrogen, mein Herr?" rief der Marquis, zu Friedrich gewandt, und zog seinen Degen.

Marie warf sich abwehrend zwischen ihren Vater und den Verlobten, dieser aber schob sie sanft von sich, kreuzte die Arme und sprach ruhig:

,, Geben Sie Raum!" schrie der Marquis wüthend. Fort, Verräther, mein Platz ist neben dem König!"

,, Gehen Sie," wiederholte Paul ,,, oder ich zwinge Sie dazu." ,, Hüten Sie sich, ich bin bewaffnet!" sagte Friedrich, indem er ein Pistol aus dem Gürtel zog. Verräther nennt Ihr mich? Wahnsinnige! Die wahren Verräther sind im Lager von Koblenz  . Ja," fuhr er zu Paul gewendet fort, ihr seid es, die das Leben des Königs bedrohen, ihr seid es, die ihr eure Väter, eure Schwestern morden werdet, die ihr dem Volke als Geiseln zurück­ließet teiner von euch Beiden wird über diese Schwelle gehen - es gibt Opfer genug ohne euch- und ohne sie," fügte er leiser, mit einem Blide innigfter Liebe auf Marien hinzu, die laut schluchzend in die Knie gesunken war.

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,, Und ich werde dennoch gehen," rief der Marquis ,,, oder du mußt mit mir die Reihe deiner Mordthaten beginnen!"

,, Nein, nicht mit Ihnen, aber mit ibm, wenn es sein muß!" sagte Friedrich kalt und richtete sein Pistol auf Paul. ,, Sie werden das Haus nicht verlassen und sollte ich diese Thüre hüten bis..."

Er verstummte plötzlich; seine Zunge schien an den Gaumen gefesselt;- ein dumpfer Ton, gleich dem Rollen eines fernen Gewitters, war an sein Ohr gedrungen. Er stürzte zum Fenster, riß es auf, horchte in die Nacht hinaus und schrie auf: ,, Es ist die Sturmglocke!-die Sturmglocke!" und wie ein Echo erklangen die Worte Danton's   in seinem Herzen: Willst du, daß man die Bitten Derjenigen erhört, die du liebst, so sei diese Nacht nicht taub für den Ruf der Sturmglocke!"

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Die Stuzuhr auf dem Kamin schlug Mitternacht und der zehnte August erschien auf dem Zifferblatte.

,, Dieser Tag wird in der Geschichte gebrandmarkt werden!" rief der Marquis, aus seiner Erstarrung erwachend, Friedrich zu. ,, Der Monat August wird durch ein großes Verbrechen berüchtigt werden!"

,, Das ist er schon längst durch die Bartholomäusnacht!" schleuderte ihm Friedrich zurück, und einen letzten Blick voll Schmerz und Liebe auf die weinende Marie werfend, stürzte er aus dem Zimmer, die Treppe hinab, öffnete sich selbst die schweren Thore des Palastes und vereinigte sich mit den Truppen der Sektionen, die von allen Seiten herbeieilten und sich unter den Klängen der Marseillaise  , dieser wahren Sturmglocke der Nevo­lution, zu Bataillonen ordneten.

Mit Tagesgrauen war ganz Paris   in Bewegung und von allen Seiten drangen bewaffnete Schaaren auf die Tuilerien   ein. Noch am Abend zuvor hatte die Monarchie gehofft, vielleicht Zeit zu haben, von dem verbündeten Europa   eine schmachvolle Befreiung zu erwarten; sie hatte die Säle des Schlosses mit Schweizergarden angefüllt; sie hatte alle Dolchritter"*) zusammen­*) Les Chevaliers du Poiguard so nannte das Volk die Aristokraten, welche sich zur Vertheidigung der Tuilerien verpflichtet

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