bemerkenswerth, auch das Zwitschern der minderbegabten ist nicht ohne Anmuth und Poesie. Achten wir nur auf die Worte, die das Volk in seinem täglichen Verkehr mit der munteren Vogel­welt ihrem Liede unterlegt. Ihm klingt das schwache ,, Siet, siet" des Goldammers nicht einfach, es sieht auch hierin den Ausdruck des höchsten Gefühls, wenn es seinen Sang deutet: ,, Wie, wie hab' ich dich lieb!" Es würde sich gewiß der Mühe verlohnen, alle Wörter und Säße zu sammeln, die der Volksmund der Sprache der Vögel unterlegt. Leider muß ich mich hier mit dieser Andeutung begnügen, doch geht daraus hervor, was ich schon oben ausgesprochen: das Lied unserer Vögel ist nicht eine zufällige Reihenfolge von hohen und tiefen Tönen, es ist eine Sprache, es ist der unmittelbare Ausdruck see lischer Empfindungen. Wie rührend und innig klingt das heiße Werben des Männchens um die Gunst des Weibchens im Frühling, selbst unserm Ohre verständlich; eins sucht das andere zu übertreffen. Wie ganz anders klingt aber das Lied des Siegers,

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den die Spröde vor Allen ausgezeichnet. Solch ein Sänger vermag selbst unser Herz mit fortzureißen in seinen Jubeltönen. Und wieder anders klingen die Töne der Furcht, des Erschreckens und Staunens; eine andere Sprache ist es, wenn besorgte Eltern­liebe die junge Nachkommenschaft vor nahender Gefahr warnt. Und wahrlich, es ist Wehmuth, was aus dem langgezogenen Zwitschern der fortziehenden Schwalben klingt, aber ebenso gewiß ist es auch ein Freudengeschrei, wenn sie bei des Frühlings Wiederkehr wohlerhalten das alte, liebe Nest erblicken. Es gibt nicht ein Gefühl, das der Vogel nicht in seinem Liede auszu­drücken vermöchte. Wenn wir dies alles erwägen, wird unser Herz unwillkürlich mit immer größerer Liebe zur Natur erfüllt, und der freundliche Leser folgt mir wohl gern ein Stündchen in's Freie, um unsere hauptsächlichsten Sänger in ihrem Thun und Treiben zu betrachten, um ihrem Liede zu lauschen. Ich bin gewiß, nicht unbefriedigt werden wir heimkehren, sondern gestärkt an Herz und Gemüth. ( Schluß folgt.)

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Danton .

Episode aus dem Jahre 1792. Frei nach dem Französischen von D... P... ( Fortsetzung.)

Marie war allein in dem Palaste der Rue St. Honoré zurückgeblieben, nachdem ihr Vater, Bruder und Friedrich fort gestürmt waren, und flehte in inbrünstigem Gebete zu Gott, daß er diese Stürme besänftigen möge, die ihr Herz zu brechen drohten. Zuerst bat sie für ihren alten Vater, dessen greises Haupt der Wuth der Aufrührer blosgestellt war; dann gedachte sie seiner Verwünschungen gegen Friedrich und schloß ihr Gebet mit den Worten: Mein Gott, erhöre ihn nicht!"

Betäubt von dem Getöse der Sturmglocke, schloß sie das Fenster, senkte das Haupt in beide Hände und weinte lange, bis sie, von Ermattung besiegt, in Schlaf sank und ein Traum ihr das verlorne Glück zurückbrachte. Der Name Friedrich's schwebte auf ihren Lippen und ein himmlischer Ausdruck von Unschuld und Liebe übergoß ihre Züge; es waren die letzten glücklichen Augenblicke des armen Kindes.

Aber bald erweckte sie eine furchtbare Gewehrsalve und rief fie erbarmungslos in die Wirklichkeit zurück. Eine zweite Salve folgte der ersten und bald häuften sie sich ohne Unterbrechung. Der Gesang der Marseillaise drang dazwischen bis zu ihren Ohren und der Kanonendonner mischte seine gewaltige Stimme in dieses furchtbare Concert. Marie bebte in namenloser Qual, denn auf welche Seite auch der Sieg sich neigen mochte, ihr fonnte er nur Schmerzen bringen, er konnte sie zur Waise oder zur Wittwe machen und vielleicht zu beidem. Die Stunden ver­flossen ihr unsäglich langsam und sie begann fast, ein Unglück zu wünschen, nur um sich aus dieser qualvollen Ungewißheit er löst zu sehen. Endlich stieg sie in den Hof des Palastes herab. Alle Diener waren fort-nur den alten Portier fand sie weh­flagend auf seinem Posten.

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,, Ach, Germain," sagte sie zu dem alten, treuen Diener ,,, was mag da draußen Schreckliches geschehen? Aber, nicht wahr, es wird vorübergehen und Alles wird wieder gut werden?" Doch ihre zitternde Stimme und ihre verstörten Mienen straften ihre Worte Lügen.

Germain schwieg.

,, Aber warum sind Alle fort, Germain?"

,, Sie sind nicht mit leeren Händen gegangen; der Palast ist geplündert worden," sprach der Alte traurig.

Marie bemerkte erst jetzt, daß Scherben und Trümmer im Hause zerstreut lagen, und fagte erregt:

Mein Vater wird die Frechen streng bestrafen!"

Ihr Herr Vater, gnädiges Fräulein? Ach, er mag für sich selbst zittern. Pieron, den er gestern fortgejagt, hat geschworen, daß er sich rächen werde an dem Herrn Marquis. Ach, und wissen Sie, gnädiges Fräulein, was mir die Leute antworteten,

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als ich versuchte, sie zu ihrer Pflicht zurückzurufen? ,,,, Alle Menschen sind einander gleich!""

,, Ja, selbst die, welche sich an Andere verkaufen!" sagte das junge Mädchen mit Bitterkeit.

,, Ach, liebes gnädiges Fräulein," fuhr der alte Portier fort, zürnen Sie nicht über das, was ich sagen werde. Sehen Sie, Sie sind ja so gut, aber der Herr Marquis war immer sehr streng gegen seine Leute, und da denke ich immer, wenn sie sich nur nicht rächen wollen- zu begreifen wär's schon."

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,, Sid rächen? an uns?" flüsterte Marie schaudernd, in­dem sie nach ihrem Zimmer ging., Gott, beschütze uns vor dieser elenden Bedientenrasse! Das Volk mag sich seine Freiheit erobern- aber diese Menschen werden sie sich nur stehlen!"

Sie fühlte jetzt, wenn sie es auch noch nicht zu begreifen vermochte, daß sich ein Umsturz aller Verhältnisse vollziehe, und ihr schwindelte bei dem Gedanken, wie dies enden solle.

Endlich, nach vier qualvoll verbrachten Stunden, hörte Marie nur noch einzelne Flintenschüsse, die immer seltner wurden, bis zuletzt Alles in tiefem Stillschweigen erstarb. Der Kampf war also beendet, aber welche Partei hatte gesiegt? Das fragte sie sich mit unsäglicher Angst, und ihr Herz wäre gebrochen, wenn die Ungewißheit länger gedauert hätte. Doch kaum waren die letzten Schüsse verhallt, als Paul mit entblößtem Degen, mit zerrissenen, blutbefleckten Kleidern in ihr Zimmer stürzte.

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,, Paul!" schrie sie auf. Um Gotteswillen, wessen Blut ist auf deinen Kleidern? auf deinen Kleidern? Warum kommst du allein zurück?" Es lag auf dem Grunde dieser Frage eine zweite, entsetzliche, die sie nicht zu thun wagte. Paul antwortete nicht, sondern be­wegte nur, den Kopf lauschend vorgebeugt, wie abwehrend, die Hand. Plötzlich ergriff er den ihm zunächst stehenden Stuhl, und bereitete sich vor, die Thüre zu verbarrikadiren; aber ehe er bis zu dieser gelangte, stand Friedrich vor ihm.

Ha! so wagst du es, mich sogar bis hierher zu verfolgen!" schrie Paul, seinen Degen gegen ihn zückend. ,, Aber sieh' dich vor, ich werde mein Leben theuer verkaufen."

3st es nicht genug an einem Opfer in der Familie?" sagte Friedrich traurig, indem er die Spitze des Degens mit dem Kolben seines Pistols abwehrte. Dieser Kampf hat schon zu viel Blut gekostet!"

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,, Ein Opfer ein Opfer?" wiederholte Marie mit starrem Auge, als finne sie einem Gedanken nach, den sie nicht zu fassen vermöge. Paul ließ seinen Degen fallen, näherte sich seiner Schwester und sprach mit tonloser Stimme: Ja, Marie, wir sind Waisen. Ersten fallen."

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Ich sah ihn unter den