vielmehr in denselben Sälen, oft auf denselben Matratzen. Die Leichen blieben oft mehrere Stunden neben den Sterbenden auf demselben Bette liegen. Die Operationen wurden immer im Krankensaale vorgenommen, oft auf demselben Bette, wo der zu Operirende neben den anderen Kranken lag. Daß die Atmosphäre in einem solchen Krankensaal eine entsetzliche war, versteht sich von selbst. Die Sterblichkeit war enorm. Von vier bis fünf Kranken starb immer einer.
Damit meine Leser aber nicht glauben, daß ich übertreibe, so werde ich nun einige Auszüge aus den noch vorhandenen Berichten der drei Mitglieder der Akademie mittheilen.
„ Wir haben davon Akt genommen," heißt es in denselben, ,, daß der Mangel an Platz die Ursache ist, daß man vier, fünf und auch neun Kranke in dasselbe Bett legt. Es lagen Todte zwischen den noch lebenden Kranken. In den Sälen, wo die Betten so nahe aneinanderstehen, daß man nicht zwischenhindurch gehen kann, herrscht eine erstickende Atmosphäre. Das Tageslicht bringt nur schwach durch die mit Dünsten bedeckten Glasscheiben. Auch die Rekonvaleszenten befinden sich mit den Kranken, mit den Sterbenden und den bereits Gestorbenen in denselben Sälen. Um frische Luft zu schöpfen, sind sie Sommer und Winter gezwungen, mit nackten Beinen auf die Brücke des heiligen Karl zu gehen. Es gibt allerdings einen Saal für die Rekonvaleszenten; er befindet sich aber im dritten Stock des Krankenhauses, und man kann in diesen Saal nur gelangen, wenn man einen Saal mit Blatternkranken durchschreitet. Der Saal der tobsüchtigen Irren grenzt an den Saal der Unglücklichen, welche soeben die schrecklichste Operation erduldet haben und welche in der Nähe der Wahnsinnigen, deren Toben und Schreien sie Tag und Nacht hören, auf keinen Moment Ruhe rechnen können. Fieberkranke und Blatternkranke liegen in denselben Sälen. In dem Operationssaal, wo man trepanirt, wo man amputirt, wo man schneidet, liegen die Unglücklichen zusammen, welche operirt werden sollen, welche schon operirt sind und welche operirt werden. Die Operationen werden in demselben Saale gemacht. Diejenigen, welche morgen operirt werden sollen, sind bei der heutigen Operation gegenwärtig. Sie sehen den Operationstisch vor sich; sie bemerken die Vorbereitungen zu den Operationen; sie hören das Geschrei der Operirten, um morgen dieselben Schmerzen und Schrecken durchzumachen. Der Saal des heiligen Josef ist für die schwangeren Frauen bestimmt. Dort liegt Alles durcheinander: verheirathete Frauen, lüderliche Mädchen, Kranke und Gesunde; zu Dreien und Vieren in demselben Bette; die Gesunden der Ansteckung durch kontagiöse Kranke ausgesetzt; die Schwangeren zu Vieren oder Fünfen in den verschiedensten Epochen der Schwangerschaft in demselben Bette. Ein großer Theil von ihnen geht auf diese Weise zu Grunde oder verläßt siech und elend das Haus. Die Luft ist in einem verpesteten Zustande. Tausend Ursachen zwingen uns zu der Erklärung, daß das Hotel Dieu das unsauberste und unbequemste von allen Pariser Hospitälern ist. Von neun Kranken sterben durchschnittlich zwei."
Und welche Folgen hatten die Berichte der drei Mitglieder der Akademie über die entsetzlichen, im Hotel Dieu herrschenden Zustände?
Gar keine! Beschlossen wurde allerdings, das Hotel Dieu
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als Krankenhaus eingehen zu lassen und an seiner Statt vier verschiedene Krankenhäuser bauen zu lassen, welche ihren Platz an den vier verschiedenen äußersten Enden der Stadt haben sollten, wo die Kranken gesunde Luft und Bäume hätten. Aber der schöne Gedanke kam nicht einmal zum Anfange einer Ausführung. Die zum Bau nöthigen Fonds wurden allerdings angewiesen; aber Loménie verschwendete sie ohne alle Gewissensskrupel zu allerlei unnüßen Ausgaben, und im Hotel Dieu wurde fortgewirthschaftet ganz in der alten, entsetzlichen Weise.
,, Es bedurfte erst der Energie der Revolution," gesteht selbst Maguire du Comp, ein reaktionärer Schriftsteller, der sonst jede Gelegenheit wahrnimmt, um auf die Revolution zu schimpfen und die Commune zu verleumden, in seinem sonst sehr gediegenen und sehr verdienstvollen Werke über Paris *) zu, damit das Hotel Dieu aufhörte, eine Kloake zu sein, wo, wie Cuvier sagte, die Leiden kaum von den Qualen der Hölle übertroffen werden konnten, wo die Kranken eng aneinander gedrängt lagen, fast erstickend in Hiße und Dunst, oft eine oder zwei Leichen mehrere Stunden lang zwischen sich." Fleuriot, Maire von Paris , und Payan, Kommissar der Nationalversammlung, vereinigten das Palais des Erzbischofs mit dem Hotel Dieu, so daß wenigstens Raum geschafft wurde und jeder Kranke ein Bett für sich allein erhielt. Mercier erzählt uns in seinem neuen Paris ", daß er nicht ohne ein sanftes Gefühl innerer Befriedigung höre, daß es im Hotel Dieu 250 leere Betten gebe.
Machen wir nun einen Besuch im heutigen Hotel Dieu , ohne uns mit den Veränderungen und Verbesserungen, welche seit der Revolution in dem ältesten Pariser Krankenhause stattgefunden haben, weiter aufzuhalten, und schauen uns die dort herrschenden gegenwärtigen Zustände an. Bevor wir uns aber dorthin begeben, noch einige geschichtliche und statistische Notizen über dies älteste Pariser Krankenhaus, oder ich will lieber sagen, über das älteste Krankenhaus in Europa . Es wurde zu Anfang des siebenten Jahrhunderts durch den heiligen Landry, Bischof von Paris , gegründet und war zuerst ein Frauenkloster. Wahrscheinlich gegen Mitte oder Ende des zwölften Jahrhunderts wurde das Gebäude zum Krankenhaus bestimmt, und zwar als Krankenhaus für alle Kranke, ohne Unterschied des Alters, der Religion und des Geschlechts. Mit der Vergrößerung der Stadt und mit der Vermehrung der Bevölkerung wuchs auch die Zahl der Kranken, ohne daß die Gebäude zunahmen und erweitert wurden. Während die Ziffer der Betten eintausend niemals überſtieg, und zwar 600 große und 400 kleine Betten, betrug die Ziffer der Kranken, welche in diese Betten gelegt wurden, schon während der Regierung König Heinrich's des Vierten einmal 1300, und stieg wäh rend der Regierung König Ludwig's des Dreizehnten und Ludwig's des Vierzehnten auf 1800 und 1900. Es hat aber auch Jahre gegeben, wo die Krankenzahl im Hotel Dieu diese Ziffer um das Dreifache und Fünffache übertroffen hat. Unter andern ist ein Bericht vorhanden, der die Krankenziffer des Jahres 1709 auf mehr als 9000 angibt und die Krankenziffer des Jahres 1693 sogar auf 10,000, so daß zuweilen zwölf und fünfzehn Kranke in dasselbe Bett gepackt wurden.
Episode aus dem Jahre 1792. Frei nach dem Französischen von D... P... ( Fortsetzung.)
Zwei Rotten Föderirte, deren jede mehrere Gefangene eskortirte, trafen zu gleicher Zeit vor der Thüre der Abbaye ein. Paul von Carville warf einen Blick auf seine Unglücksgefährten, unwillkürlich unter ihnen nach einem bekannten, vielleicht befreundeten Gesicht spähend, als einer derselben laut seinen Namen rief. " Ah, Louis von Melbourg!" rief Paul erfreut und grüßte den Gefangenen durch eine freundliche Handbewegung. Die Thür
des Gefängnisses öffnete sich wie der Nachen eines gefräßigen Ungeheuere, die beiden Rotten drangen hinein und hinter ihnen fielen die Thore mit lautem Krachen in's Schloß. Man brachte die Gefangenliste und forderte Paul auf, seinen Namen zu sagen. Er nannte zuerst den seiner Schwester, hierauf Melbourg's, dann den seinigen und zuletzt den Namen Friedrich's, und in dem Tone, womit er die verschiedenen Namen aussprach und den