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Aus Deutschlands ältester Geschichte.

( Fortsetzung.)

Es mag aus einer beginnenden ökonomischen Abhängigkeit einzelner Hausstände und namentlich Gemeinden von einander hervorgegangen sein. Darauf deuten auch die Worte Handeln, Tauschen, Preis und Weg, und zwar letzteres, Panti, unser Bfad", hergeleitet von, offenstehen", also deutlich die Oeffnung in einer Schranke, welche sonst Gemeinden von einander schied.

Daß neben solchen friedlichen Berührungen auch kriegerische nicht gefehlt haben, versteht sich ja von selbst. Auf ein sogenanntes " Heldenthum" deutet vielleicht der Begriff Ruhm" das wäre aber auch die einzige derartige Spur. Schwert und Bogen sind, wie es scheint, die einzigen Waffen. Kavalleriegefechte fehlen, da die Reitkunst überhaupt noch unbekannt ist, und das Pferd nur als Zugthier gebraucht wird. Gegen Uebermacht schirmt man sich hinter aufgeschütteten Erdwällen. Der Schlachtruf war Ararah!

zerren, du

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Daß solche Berührungen den idyllischen Charakter stören mußten, den jene Zustände nach obigen Ausführungen zu haben scheinen, ist klar. Allerdings mag es dahingestellt bleiben, ob die Wortgleichheit für Schädel und Trinkschale das Gräßliche beweist, worauf sie deutet, aber höchst auffällig bleibt es, daß unser kleiner ursprachlicher Wortvorrath vier Ausdrücke für, quälen, Leid zu­fügen" besitzt: rak- eigentlich aufhängen, dragh eigentlich eigentlich brennen, svar eigentlich glühen. Nehmen wir dazu das Vorhandensein des Begriffes vergelzen und erwägen den Umstand, daß die Verwendung des Wortes Uksan, unser Ochse, für Stier, nicht grade der Fick'schen Meinung, diese Behandlungsweise sei eine Handhabe der Viehzucht gewesen, das Wort redet, so entsteht allerdings das Bedenken, ob die Ein­führung der Sklaverei nicht für jenes Volk doch ein Kultur­fortschritt gewesen sein würde. Vielleicht wurden die Kriegs­gefangenen verstümmelt, bevor man sie als Sklaven verwandte dann war es allerdings nicht nöthig, ein besonderes Wort für den Begriff ,, Sklave" zu erfinden neben dem vorhandenen Vadhri, Hämling.]

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Gegenüber solcher Rohheit berührt es angenehm, die Anfänge abstrakter, ethischer Begriffe zu beobachten. Es spricht ein wür­Es spricht ein wür­diges menschliches Selbstgefühl, verbunden mit kindlichem Opti­mismus, aus diesen Wortformungen. Das Wahrhafte" und das ,, Gute" sind beide das Wesenhafte"; die Bestimmung des Menschen, Aisa, ist das, was er sich wünscht( unser deutsches Ehre); das Böse, Sündige, ist das Sichkrümmen", dalbha; der Frevel ist das Ausgleiten", Agas; die Scham, das Sich­abwenden", Trapa. Dazu kommen die juristischen Begriffe suchen" in der Bedeutung verklagen, Bestrafung als Gesuchtes", Bürge als Kenner"( wohl Hausgenosse oder gradezu Familien vater, der seine Angehörigen nach außen vertrat) und Sitte, Rechtsgewohnheit als Gang" wie man noch jetzt zu sagen pflegt: Was Recht ist, geht seinen Gang." Daß bei den an­gedeuteten Berührungen zwischen verschiedenen Gemeinden auch Ausdrücke für Vertrag und Satzung nicht fehlen, war zu er­warten. Das schon erwähnte Wort Vanas zeigt uns, daß auch die Empfindung für den Liebreiz jenem Volke nicht fehlte. Un zweifelhaft hatten seine Jünglinge und Jungfrauen bei noch derber Gesichtsbildung eine große, blühende Frische. Der Farbentypus war unzweifelhaft der blonde. Das Vorhandensein dreier Verben für ,, weiß sein"( ruf, woher griechisch leufos, eigentlicy ,, leuchten", auch zürnen"; stand, woher lateinifd) candidus, eigentlich schimmern", auch beißen"; fvid, woher deutsch weiß, eigent­lich geputzt sein"," gewaschen sein") zeigt eine besondere Vorliebe für reinen, hellen Glanz.

Fragen wir nun schließlich: wie arrangirten diese unsere Ahnen ihr Weltbild, wie suchten sie die Welt als ein Schönes zu ver­stehen, kurz: welche Religion und Poesie besaßen sie, so gibt uns Fick darauf etwas dürftige Antwort. Ein Welthausvater, Diu oder Diauspatar, im lichten Himmel, eine Welthausmutter ( etwa Dhamahtar) im mächtigen Erdenschoße, wiederholt im

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Dyau und seiner unbenannten Gemahlin bei den Indern, im Zeus ( gen. Dios ) patär und der Hera ( eigentlich Dione) potnia der Hellenen, dem Jupiter( eigentlich Djupater) oder Diespiter oder Janus( eigentlich Dianus) und der Juno ( eigentlich Djuno) oder Diana der Römer und dem Tju oder Tyr oder Zio der Germanen sammt seiner unbenannten Gattin das sind nach Fick die einzigen lebensvollen Götter des Ur­volts, neben denen die andern nur als ihre Kinder, ihre ver­jüngten Ebenbilder, Daiva, d. h. Angehörige des Diu( wovon die Göttergattungsnamen Deva im Indischen, Diewas im Lit­thauischen, Dia im Gälischen, und Tivar( Plur.) im Altnordi­schen herrühren, doch nicht das griechische Theo 8) eine neben­sächliche Gesammtbedeutung haben. Der Autor ist dabei wohl durch den Wunsch beeinflußt, bei seinen Urvätern eine möglichst große Annäherung an den Monotheismus zu finden. Er hält offenbar die Aufstellung eines solchen weltregierenden Ehepaars für eine sehr verdienstliche und originelle Konzeption des Urvolks. Er irrt darin wohl, denn dieselbe Konzeption findet sich auch bei den alten Chinesen und etwas modifizirt bei den alten Babylo­niern. Auch dürfte sich unschwer eine größere Zahl altindoger­manischer Götter mit großer Selbstständigkeit nachweisen lassen, als er neben Diu und seiner Frau gelten läßt. Es sind bei ihm eigentlich nur der Gewittergott Parkanas( der indische Pardschanya, der lettische Perkun, der oder die umgeschlechtete altdeutsche Firgun, vielleicht der hellenische Herakles), der räthselhafte Tritas( der persische Feridun, der hellenische Triton), die Morgenröthe Usas( die indische Uschas, die hellenische Eos, die römische Aurora, die deutsche Ostara), der Sonnengott Savaras( der indische Surya, der römische Sol, der oder die umgeschlechtete altdeutsche Savil), der Mond­gott Mansa( der altdeutsche Mano, der litthauische Menu, der oder die umgeschlechtete hellenische Mene) und die Genien­schaar der Sterne Staras; daneben dann noch die Nachtgeschöpfe der Truggespenster Druch und der Hervorstürzerinnen Dhvaras, die den deutschen Zwergen lautlich entsprechen sollen. Der Raum verbietet uns, hier auf sehr verlockendem, aber sehr schlüpfrigem Boden zu verweilen. Nur die weiteren Göttergattungsnamen verdienen noch Erwähnung. Es sind Bhagas, der Zutheiler, nach dem Vorbilde des indischen Vikpati( s. oben) und Ansus, der Belebende, Erregende, ein Wort, in dem sich ein Anlauf zur Philosophie dokumentirt. Aus jenem ist der slavische Gottesname Bog geworden, aus diesem der altdeutsche Ans oder As. Als Eigenschaft der Götter erscheint die Unsterblichkeit und die Kraft­fülle. Ueber die religiösen Gesänge, mit denen hier, wie überall, die Poesie begonnen haben wird, glaubt Fick berichten zu dürfen: [ man] pries die Götter als Geber der Güter", bat sie ,, Liebes zu erweisen", flehte sie an um ,, wadern Sinn"," guten Muth" und um ,, unvergänglichen Ruhm".

Eine Priesterschaft gab es nicht, wohl aber den Begriff böser Zauberei und mithin Personen, die im Verdacht der Hererei standen und dafür gelegentlich hingerichtet wurden wohl be­sonders ältere Kriegsgefangene und ältere, ledig gebliebene Onkel und Tanten des Hausherrn, der wahrscheinlich mit seiner Frau zusammen über sie das höchste Richteramt übte und die Exekution. vielleicht dem jüngeren Nachwuchs der Familie übertrug. Sehr lehrreich ist für alle diese Verhältnisse die Vergleichung mit der Schilderung, die Herodot im vierten Buch von den Skythen ent­wirft und die wir nachzulesen bitten( eine Herodot- Uebersetzung findet sich in jeder größeren Leihbibliothek). Diese Skythen sind die einzigen Indogermanen, die das Hirtenleben bis in die histo­rische Zeit bewahrt haben. Uebrigens kommen viele Züge ihres Wesens offenbar nicht auf Rechnung alter Ueberlieferung, sondern später Entartung; so die Absonderung eines Kriegerstandes und die Unreinlichkeit.

Und wie reihten sich diese Menschen dieser Welt als Wesen­art ein? Sie verkünden es uns durch die Namen der beiden