erkennen.

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Die Paradiesvögel im Berliner   zoologischen Garten.

Von R. Schulz.

Wer mit offenen Augen durch den Berliner   zoologischen Garten wandelt, wird sich unwillkürlich des Gedankens nicht entschlagen können, daß derselbe der deutschen   ,, Kaiserstadt" würdig ist. Nicht nur bietet er eine große Anzahl seltener Thiere dar, sondern die ganze Einrichtung desselben macht einen wohlthuenden Eindruck und läßt die sorgfältigste Pflege der Thiere auf den ersten Blick Und wir können es ja auch kaum anders erwarten, führt ja doch ein Mann die Leitung des Gartens, der allgemein in dem Ruf eines tüchtigen Zoologen und erfahrenen Züchters steht. Bis zum Jahre 1869 gehörte freilich der Berliner   zoolo­gische Garten mit zu den schlechtesten in ganz Europa  , um so erfreulicher ist es für uns, konstatiren zu können, daß gegenwärtig derselbe sich den gleichen Naturanstalten unseres Kontinents würdig an die Seite stellen kann.

Einen Schatz hat derselbe zur Zeit vor allen andern voraus. Es sind dies die beiden Paradiesvögel, die Herr Direktor Dr. Bodinus aus dem Dresdener   zoologischen Garten angekauft hat, und die die Bewunderung aller Vogelliebhaber und Natur­freunde überhaupt erregen. Der große Paradiesvogel, von Linné Paradisea apoda, fuß­loser Paradiesvogel genannt, ist überhaupt zum ersten Male in Europa   lebend zu sehen, wäh­rend der kleine Paradies­vogel( Paradisea papuana, Shw.) bis jetzt nur erst einmal, und zwar im Londoner   zoolo­gischen Garten, eine Zeitlang gepflegt wurde. Beide Vögel wurden von einem Naturfreunde, der 30 Jahre lang in Indien  gelebt, nach Europa   gebracht und von dem Herrn Direktor Schöpf in Dresden   für den Preis von à 3000 Mark an= gekauft. Ihr früherer Besitzer hat den einen schon seit drei und den andern seit vier Jahren im Käfige erhalten, so daß wir wohl hoffen können, daß sie auch unter der Pflege des er­fahrenen Dr. Bodinus gut ausdauern werden.

Bekanntlich haben die Paradiesvögel bis vor noch nicht zu langer Zeit in dem Ruf eines überirdischen, ätherischen Wesens gestanden. Man erzählte von ihnen, daß sie fußlos im Aether  schwebten, sich von Sonnenschein, Blumenthau und Blüthenduft ernährten und niemals die Erde berührten. Alle alten natur­wissenschaftlichen Schriftsteller erzählen dies, und stand ja einmal einer auf, der die Möglichkeit eines solchen Vogels bezweifelte, so wurden seine Auslassungen mit unverhohlenem Spott auf­genommen. Zu dieser allgemeinen Ansicht waren die Schriftsteller durch den Umstand verleitet worden, daß sie niemals ein lebendes Exemplar dieses Vogels zu Gesicht bekommen, sondern ihre Be­schreibungen auf die ausgestopften Bälge stüßten, denen freilich die Füße regelmäßig fehlten. Daß diese aber von den speku­lativen Händlern abgeschnitten sein könnten, um dadurch das Wunder und so auch den Preis zu erhöhen, fiel ihnen in ihrer Einfalt nicht bei. Erst die neuere Zeit hat einige Klarheit über das Leben dieser Vögel gebracht, namentlich war es der englische  Reisende Alfred Russel Wallace  , der sie zuerst ausführlich beschrieben), und dessen Schilderung wir der nachfolgenden Skizze zugrunde legen.

Der Malayische Archipet", die Heimath des Orang- Utangs und des Paradiesvogels.( Braunschweig  , Georg Westermann  .)

Als die ersten europäischen   Reisenden die Molukken erreichten, so erzählt Wallace, um Gewürznelken und Muskatnüsse zu suchen, wurden sie auch mit getrockneten Vogelbälgen beschenkt, die so seltsam und schön wären, daß sie die Bewunderung selbst jener nach Reichthum jagenden Seefahrer erregten. Die malayischen Händler gaben ihnen den Namen ,, Manuk dewata" oder Götter­vögel"; die Portugiesen nannten sie, da sie weder Füße noch Flügel hatten und da nichts Sicheres über sie zu erkunden war, Passaros de Sol" oder" Sonnenvögel", während die gelehrten Holländer, welche lateinisch schrieben, sie ,, Avis paradiseus" ober " Paradiesvogel" benannten. John van Linschoten gab ihnen im Jahre 1590 diesen Namen, und er erzählt uns, daß Niemand die Vögel lebend gesehen hat, denn sie leben in der Luft, wenden sich stets gegen die Sonne und lassen sich vor ihrem Tode nie­mals auf die Erde nieder. Mehr als hundert Jahre später sah Herr William Funnel mehrere Exemplare auf Amboina  , und man sagte ihm, daß sie nach Banda kämen, um Muskatnüsse zu essen, durch welche sie berauscht und besinnungslos niederfielen,

worauf sie von Ameisen getödtet würden. Bis zum Jahre 1760 war kein vollkommenes Exem­plar in Europa   vorhanden und man wußte durchaus nichts über sie. Linné tannte nur zwei Arten, welche er Paradisea apoda( fußloser Paradiesvogel) und Paradisea regia( Königs­paradiesvogel) nannte; seitdem hat man noch achtzehn weitere Arten kennen gelernt, welche alle zuerst nach Bälgen, die man von den Wilden auf Neu- Guinea  bekommen hatte, beschrieben wur­den. Die Bälge waren sämmt­lich mehr oder weniger unvoll­kommen, und ist somit die Beschreibung derselben vielfach nicht richtig.

Die Paradiesvögel sind mäßig große Vögel, die in ihrem Bau und in ihren Ge­wohnheiten den Krähen, Staaren

und den australischen Honigsaugern verwandt sind. Durch die außerordentliche Entwicklung des Gefieders, welches an Schönheit von keiner andern Vogelfamilie erreicht wird, zeichnen sie sich vor allen anderen Vögeln aus. Bei mehreren Arten stehen große Büschel zarter, prächtig gefärbter Federn an jeder Seite des Körpers, welche unterhalb der Flügel ausgehen und Schweife, Fächer oder Schilder bilden; die Mittelfedern des Schwanzes sind oft in Strahlen verlängert, welche in phantastische Formen gedreht und mit den glänzendsten, metallischen Farben geziert sind. Bei anderen entspringen diese Strahlenfedern an dem Kopfe, dem Rücken oder an den Schultern. In der Kraft und Schönheit, der Farbe und dem metallischen Glanze des Gefieders. kommt ihnen kein anderer Vogels gleich, die Kolibris vielleicht ausgenommen.

Die Eingeborenen präpariren die Vogelbälge in folgender Weise. Sie schneiden Flügel und Füße fort, balgen dann den Körper bis zum Schnabel hinauf ab und nehmen das Gehirn heraus. Darauf wird ein starker Stock hindurchgestoßen, welcher aus dem Schnabel hervorkommt und mit einigen Blättern um­widelt ist; das Ganze wird dann in eine Palmen- Blüthenfcheide gelegt und in der rauchigen Hütte getrocknet.

( Schluß folgt.)