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Und als sie scheidend Jedem in der Runde, Der willig mit ihr theilte Salz und Brot, Mit leisem Lächeln auf dem schönen Munde Die weiße Rechte schlicht und herzlich bot, Da gab ein frampshaft- fester Druck ihr Kunde Von einer Treue bis in Kampf und Tod, Ob auch kein Wort zu schildern sich bemühte, Was dieser Menschen tiefstes Sein durchglühte.

Durch Frost und Gluf, durch Schnee und Sturm und Regen, Trug sie fortan der nimme müde Fuß; In jeder Hütte kam man ihr entgegen Mit echter Treue kindlich- frohem Gruß; Sie hatte oft die weiße Hand zu legen In eine harte Faust, geschwärzt von Ruß, Und aus den Herzen, schlicht und unverdorben, Hat sie ein Heer sich mählich angeworben.

Von Macht und List, die wider sie im Bunde, Ward sie vervehmt, geächtet und gehezt, Wie einem Reh von einer Meute Hunde Ward knirschend ihr und rastlos nachgesezt Doch nimmer kam die dunkelbange Stunde, Da ihre Gier an ihrem Blut sich legt,

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Und nimmer ward der Preis der Jagd gewonnen, Denn ihren Häschern ist sie stets entronnen.

Es war, als hülle plöglich sich die Flinke In höchster Noth in grauen Nebelduft, Als ob sie spottend den Verfolgern winke, Eh' raschen Sprungs sie überfliegt die Kluft, Als ob sie in der Erde   Schoß versinke, Und wieder dann, als könne in der Luft Wie ein Phantom der Dämmrung sie zerrinnen Um bald Gestalt auf's neue zu gewinnen. Und als genug erstarkt am Widerstreben Der Feinde und Verfolger ihre Macht, Da hat sie bleich und düster ausgegeben, Doch falt- entschlossen, den Befehl zur Schlacht. Ihr purpurrothes Banner ließ erheben An hundert Orten sie in einer Nacht, Von allen Bergen loderten die Flammen Und jubelnd strömte rasch ihr Heer zusammen.

Es wurden Heere wider sie gesendet,

Doch keines hielt dem wilden Anprall Stand, Sie haben sich, erschreckt, verwirrt, geblendet, Nach kurzem Ringen jäh zur Flucht gewandt. Es war die Schlacht, begonnen kaum, beendet Und lau und schwächlich war der Widerstand Bei Denen selbst, die einst aus heißen Schlachten Des Feindes Fahnen ihrem Herrscher brachten.

Was half's, zusammen voller Haft zu raffen Die Bataillone, die man streng gedrillt? Sie warfen murrend von sich ihre Waffen, Wenn sie sich sah'n auf blutigem Gefild. Von allen Kanzeln predigten die Pfaffen, Wie Luther   einst, fanatisch, hart und wild Doch eitle Mühe war ihr heßend Schüren Sie sahen Niemand einen Finger rühren.

Camille Desmoulins  ( spr. Kamill Dähmuläng), dessen Portrait| wir Seite 205 bringen, wurde im Jahre 1762 zu Guise   in der Picardie geboren; er widmete sich der Rechtswissenschaft, und ging nach Paris  , wo er Advokat wurde. Die Vorereignisse der Revolution sezten den Feuerkopf vollends in Flammen. Nach dem Zusammentritt der General stände war er einer der Ersten, die begriffen, daß das Königthum sich nicht gutwillig in die neue Ordnung der Dinge fügen würde, und als Anfang Juli die Hospartei einen Staatsstreich gegen die, inzwischen zur Nationalversammlung erklärte Volksvertretung in Scene sezen wollte, da war es Camille Desmoulins  , der das Volk zu den Waffen rief. Staatsstreich gegen Staatsstreich. Der Staatsstreich von unten gegen den Staatsstreich von oben. Die Bastille wurde gestürmt das war die Antwort des Volks. Was der 14. Juli begonnen, das vollendete der 5. Oktober, welcher die Macht der Monarchie vollends brach. Des Worts war Camille nicht mächtig er stotterte desto besser handhabte er die Feder: seine Revolutionen von Frankreich   und Brabant", in denen er allwöchentlich die Tagesereignisse besprach, wurden bald neben dem Journal Prudhomme's", redigirt von dem genialen, leider zu früh verstorbenen Loustalot, das einflußreichste Blatt der Re­volution. In deren späteren Phasen erlangten nur noch zwei Blätter: Marat's   Volksfreund" und Hebert's" Père Duchesne" einen ähnlichen

Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig  .

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Es brach das Heer sich siegend eine Gasse, Zu Tausenden von Denen selbst geschwellt, Die, aufgeregt zu blindem Bruderhasse, Sich feindlich erst entgegen ihm gestellt, Und immer vorwärts hat die schöne, blasse Gepanzerte ihr schlichtes, rauhes Zelt In raschem, fühnem Siegesflug getragen, Und es des Nachts auf Trümmern aufgeschlagen.

Im Abendgrau'n vor des Palastes Thoren Hält hoch auf schwarzem Rosse die Idee, In tiefes ernstes Sinnen ganz verloren, Um ihre Lippen einen Zug von Weh; Nun löst sie ein, was einstmals sie geschworen, Doch eine Löwin ist sie jezt, fein Reh, Und troẞig- fest, gerüstet zum Gefechte Umspannt den Knauf des Schwertes ihre Rechte.

Ob des Palastes stolzer Herr erschlagen, Ob er entflohen ist sie weiß es nicht;

Sie sieht die Flammen aus den Fenstern schlagen Und weithin werfen düsterrothes Licht,

Sie sieht an Thürmen sie und Erkein nagen, Bis all die Pracht in sich zusammenbricht; Weit über's Land hin jagt der Wind die Funken Und ihre Treuen jauchzen rachetrunken.

Sie aber murmelte, halb abgewendet, Mit feuchten Augen, als die Menge schwieg:

" Ihr habt's gewollt! Ich ward zu euch gesendet Als Friedensbote, doch ihr wolltet Krieg.

Was zwangt ihr mich, von eurem Troß verblendet, Zu so verhaßtem, greuelvollem Sieg?

Versöhnung war und Friede all mein Trachien Was zwangt ihr mich zum Würfelspiel der Schlachten?

Ihr habt's gewollt! In eurer Hand gehalten Habt die Entscheidung ihr und habt gewählt. Ich wollte gütig, weise bei euch walten Was habt ihr mich zur Kämpferin gestählt? Es galt, bewußt zu brechen mit dem Alten Und gläubig hatte ich auf euch gezählt, Da euch schon längst von eurer Dichter Zungen Die Lehre echten Menschenthums erklungen.

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Ich wollte nicht verheeren und vernichten Es war zum Kampfe nicht mein Arm gefeit, Als mir die Sendung ward, fortan zu schlichten Den großen, alten, ewig regen Streit;

Ihr wolltet nicht vereint mit mir errichten

Den schönen Tempelbau der neuen Zeit

So muß das Schwert ich statt des Delzweigs schwingen Und wider euch mein großes Werk vollbringen!"

Es stürzte krachend das Portal zusammen, Und Schutt und Asche ward das stolze Schloß; Bestrahlt vom Widerschein der. leßten Flammen, Lenkt sie zur Seite träumerisch ihr Roß; Und daß in Thränen ihre Augen schwammen, Sie barg es scheu dem rauhen Kriegertroß Und gab Befehl mit lässiger Geberde, Daß aufgebrochen ohne Säumen werde. B., im April 1876.

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B. A. P.

Einfluß. Wie unseren Lesern bekannt, schloß Desmoulins   sich Danton  an und theilte dessen Schicksal. Die unkluge Heftigkeit, mit der er zu Anfang 1794 in seinem neubegründeten Journal: Der alte Cordelier", für eine Politik der Mäßigung" eintrat, führte ihn vor das Revolutions­tribunal. Dort um sein Alter befragt, antwortete er: Ich bin jo alt wie der Sanskülotte Jesus Christus  , als er starb." Am 5. April 1794 fiel das, in den Stürmen der Revolution ergraute Haupt des jungen, geistvollen, aber von zu weichem, lockeren Stoff geformten Ex- Liebhabers und-Lieblings der Revolution. Man lebte damals rasch und starb leicht.

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Menschen und Gorilla Gerippe.( Siehe Seite 204.) Ein Blick zeigt die Verwandtschaft; schade, daß nicht noch als dritte Figur das Gerippe eines der niederen Affen neben das des Gorilla gezeichnet ist, es wäre dann ad oculos( in die Augen springend) demonstrirt, wie richtig der Ausspruch des großen englischen Anatomen und Physiologen Hugley ist:" Die anatomischen Verschiedenheiten, welche den Menschen vom Gorilla und Chimpanse( als den beiden höchstorganisirten und menschenähnlichsten Affenarten) scheiden, sind nicht so groß, als die, welche den Gorilla von den niederen Affen trennen."

Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .