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durchwachten Nacht. Seine Haltung war heut etwas nachlässig, er sah etwas zusammengefallen aus und er bedurfte einer gewalt- samen Anstrengung, um seine alte stolze Haltung wiederzufinden. Mit einem mürrischen Kopfnicken erwiderte er den Gruß des Pfarrers, dem sein verändertes Wesen nicht entging. „Bringen Sie Nachrichten von dem Mädchen, Pfarrer?" fragte er.„Die Geschichte muß sobald wie möglich zum Abschluß gelangen." „Sehr schwer beizukommen, Förster, seitdem das Mädchen reiche Erbin geworden. Haben wohl schon gehört, was die Leute er- zählen? Der Wald hier gehöre dem Egler; das Mädchen ist das einzige Kind, Förster...." Er kniff bei diesen Worten listig die Augen zusammen und suchte im Gesichte des Försters den Eindruck seiner Worte zu lesen. Ein finsterer Schatten schien blitzschnell darüber zu zucken, dann aber lag darin wieder die gewöhnliche kalte Ruhe, und in ärgerlichem Tone sagte er: „Ich will von Ihnen wissen, wie das Mädchen meine Be- Werbung aufgenommen, nicht das, was die Leute erzählen." „Hm," entgegnete der Pfarrer, eine Prise nehmend,„die Ant- wort'liegt doch auf der Hand. Sie erklärte mir einfach, der Herr Förster will nicht mich, sondern den Wald heirathen, den ich nach unserm alten Vertrage einmal mitbekommen werde." „Das hat sie nicht gesagt, das kann sie nicht gesagt haben!" brauste der Förster auf. Ein Gedanke durchzuckte ihn und mit funkelnden Augen betrachtete er den Pfarrer.„Seid Ihr ge- kommen, mich auszuforschen?" fragte er.„Hütet euch, Pfarrer!" Er war einen Schritt vorgetteten und, am ganzen Leibe zitternd, war der Pfarrer zurückgewichen. „Stehe ab vom Zorn," sagte er ängstlich,„und laß den Grimm. Erzürne dich nicht, daß du auch Böses thuest, denn die Bösen werden ausgerottet, die aber des Herrn harren, werden das Land erben." Bei diesem langen Spruche hatte der Pfarrer Zeit gefunden, sich zu fassen.„Schüttet euer Herz vor Gott aus, Förster," fügte er hinzu,„Gott ist unsere Zuversicht und Gott kann helfen." „Was soll das?" sagte der Förster. „Ich möchte Ihnen gerne helfen, Förster," antwortete der Pfarrer.„Aber wie kann ich es, wenn Sie mich nicht klar sehen lassen?! Wäre ich bei dem Mädchen mit der Thür in's Haus gefallen, wenn ich eine Ahnung davon gehabt hätte, daß Sie eigentlich den Wald heirathen wollen? Gewiß nicht. Ganz anders hätte ich es angefangen; von der Schönheit des Waldes etwa gesprochen, vom lieblichen Wohnen darin an der Seite eines ächten Jägers. O, ich hätte Wunder mit meinen Worten be- wirkt. Ich könnte es von Neuem versuchen, aber erst müßte ich doch wissen..." „Wo der Waldvertrag steckt, den der Geometer Blumenthal gesehen haben will und der weder bei Egler, noch sonst irgend- wo aufzutreiben ist," unterbrach ihn der Förster wieder heftig. „Schickt euch nicht Erlaucht?— Kommt mir nicht als Spion, Pfarrer," ergänzte er seine Worte und faßte bezeichnend den Lauf seiner Büchse.„Mit dem Spion rede ich auf andere Weise." Der Pfarrer fuhr wieder ängstlich zurück.„Was erhalte ich, Förster," sagte er nach einer Pause,„wenn ich Ihnen die Erbin ammt der Erbschaft zuführe?" Einen Augenblick stand der Förster schwankend, ob er sich weiter mit ihm einlassen solle oder nicht, dann antwortete er, die Büchse wieder Uber die Schulter werfend:„Mein Auftrag war deutlich: um das Mädchen handelt es sich, nicht um die Erbschaft, und das Mädchen wild mein ans alle Falle. Eurer Unterstützung dabei aber bedarf ich nicht weiter." Ohne eine Antwort des Pfarrers abzuwarten, schritt er rasch davon. Dieser aber setzte seinen Weg zum Schlosse fort, fest überzeugt, daß Niemand anders als der Förster den Vertrag be- sitzen könne. Der Graf trat ihm erwartungsvoll entgegen.„Scheinen gute Botschaft zu bringen," sagte er.„Kämen'- sonst nicht so früh." Der Pfarrer nickte mit dem Kopse und nahm den Stuhl, den ihm der Graf bot.„Nach unendlicher Mühe, Erlaucht, ist es mir gelungen, den Waldvertrag zu entdecken."
Der Graf, welcher auf dem Sopha Platz genommen, schnellte bei diesen Worten empor.„Wie? was? gefunden? Wo ist er, Pfarrer, wo ist er?" „Er ist noch zu holen, Erlaucht; mit Gottes Hülfe aber wird es gelingen." „Wer hat ihn? sprecht schnell, Pfarrer. Jetzt keine unnütze Folter." „Erlaucht wollen sich gütigst erinnern, daß mir für die Eni- deckung eine Aussteuer versprochen worden...." „Habe ich mein Versprechen bei Wiesenvertrag nicht gehalten?" fragte der Graf mit einem Anflug von Entrüstung. „Bin reich belohnt worden, Erlaucht, aber aus der Heiralh wird jetzt nichts." „Weiß schon, Pfarrer, aber reden später darüber," unterbrach ihn der Graf. „Geschichte gar nicht ängstlich. Blumenthal wird bald Feld geräumt haben, denkt auch gar nicht an Heirath. Können Mädchen auch leicht zwingen, in Heirath zu willigen. Anfang mit Zinsen ist ja schon gemacht, können ganzes Füllhorn ausschütten. Wäre wunderbar, wenn Mädchen halsstarrig bliebe. Aber gleichviel, Pfarrer, ob Aussteuer oder Belohnung oder an- deres— bin stets dankbar gewesen." „Wenn ich aber wenig selbst zur Erlangung deS Vertrages beitragen kann, wenn das Hauptwerk Erlaucht ausführen müßten?" „Ich?" fragte der Graf erstaunt.„Aber gleichgiltig, Pfarrer, wenn mir nur Weg bezeichnet wird, Vertrag zu bekommen, und wenn Aussicht vorhanden, daß Versuch erfolgreich— wage Alles und belohne gleich hoch. Wo ist der Vertrag?" „Der Förster besitzt ihn." „Teufel!" rief der Graf aus.„Der Förster?" Er haßte den Förster, dessen Betragen ihn bei jeder Gelegen- heit empörte, und oft schon hatte er daran gedacht, ihn abzu- schütteln, sich auf irgend eine Weise seiner zu entledigen. Auch gestern hatte er den gleichen Entschluß gefaßt; aber der Förster war ihm eine melkende Kuh, die er bei seiner ewigen Geld- Verlegenheit nicht gut entbehren konnte. So hatte er denn alle Pläne, die er bis dahin geschmiedet, wieder fallen gelassen, und auch gestern wieder auf jeden Schritt verzichtet. Nach der Hei- rath seines Sohnes aber, von welcher der Graf aus Gründen, die wir bald vernehmen werden, sich den günstigsten Wechsel in seinen Vermögensverhältnissen versprach, wollte er sich des lästigen Nienschen unter allen Umständen entledigen. Es schwebte ihm dabei eine Denunziation des Schmuggels vor, er dachte auch daran, die Hülfe des geheimen Polizei-Agenten in Anspruch zu nehmen— jetzt war er vielleicht zum schnellsten Handeln ge- zwungen. „Der Förster besitzt den Vertrag," bestätigte der Pfarrer und erzählte ihm, wie er sofort Verdacht gefaßt, und wie dieser Bei- dacht durch die Brautwerbung seine erste Bestätigung gefunden. Heute aber hätte der Förster ihn, deutlich zu verstehen gegeben, daß er sich im Besitze des Dokuments befinde. In großer Erregung und, immer auf und abgehend, war der Graf der Erzählung des Pfarrers gefolgt. „Mau wird schnell handeln müssen, Pfarrer," sagte er. „So meine ich auch, Erlaucht. Man müßte im Forsthause nach dem Papiere suchen." „Wie das aber möglich machen?" „Erlaucht besitzen ja Polizeigewalt..." Der Graf schüttelte bedenklich den Kopf.„Bei jedem Ver- such bringt er das Papier beiseite." „Der Schlag müßte ihn ganz unvorbereitet finden. Es gäbe auch noch einen Menschen, der geschickt genug wäre, das Papier aufzusuchen." „Wer, Pfarrer?" „Der Jörg!" antwortete der Pfarrer. Auch dieser Vorschlag schien dem Grafen nicht zu gefallen. „Kerl haßt mich," sagte er.„Würde Vertrag für sich behalten." „Wie ich Erlaucht bereits früher mitgctheilt, will er aus- wandern. Sein Gehöft steht zum Verkaufe. Für einen anständigen Kaufpreis würde er sicher auch etwas Außerordentliches thun. Der Vertrag hätte für ihn keinen Werth, und wenn er Erlaucht
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