wurde!

246

Von den Geldschwierigkeiten abgesehen, war da der gnädige Herr und sein Verwalter, und ohne die konnte nichts geschehen. Die Erbunterthänigkeit war zwar 1810 dem Namen nach aufgehoben, aber Feudallieferungen, Frohndienste, Patri­monialgericht, gutsherrliche Polizei dauerten fort und ließen auch die Erbunterthänigkeit der Sache nach fortbestehen. Und der gnädige Herr und seine Beamten machten aus den Bauerjungen viel lieber Sauhirten als Studenten. Indeß alle Hindernisse wurden überwunden. Wolff kam auf's Gymnasium nach Schweidnitz und dann auf die Universität nach Breslau . Auf beiden An­stalten hatte er sich den größeren Theil seines Unterhalts durch Privatstunden selbst zu erwerben. Auf der Universität warf er sich mit Vorliebe auf die klassische Philologie; aber er war kein sylbenstechender Philolog der alten Schule; die großen Dichter und Prosaiter der Griechen und Römer fanden volles Verständniß bei ihm und blieben seine Lieblingslektüre solange er lebte.

-

Er war mit seinem Universitätsstudium beinah zu Ende, als die in den zwanziger Jahren endlich eingeschlafene Demagogen­hezze des Bundestags und der österreichischen und preußischen Regierung von Neuem begann. Mitglied der Burschenschaft , wurde auch er 1834 verhaftet, jahrelang in Untersuchung von Gefängniß zu Gefängniß geschleppt, endlich verurtheilt. Wozu? Ich glaube nicht, daß er je der Mühe werth fand, es zu sagen. Genug, er kam nach Silberberg auf die Festung. Dort fand er Leidensgenossen, unter anderen auch Frizz Reuter . Wenige Monate vor Wolff's Tode fielen ihm des letzteren Ut mine Festungstid" in die Hände, und kaum hatte er im Verfasser seinen alten Leidensgefährten entdeckt, als er ihm durch die Verlags­handlung Nachricht zukommen ließ. Reuter antwortete ihm so­gleich in einem langen und sehr herzlichen Briefe, der mir vorliegt, und der beweist, daß wenigstens am 12. Januar 1864 der alte Demagog Alles war, nur kein zahmer Zukreuzkriecher. Da sitze ich nun", schreibt er, schon an die dreißig Jahr, bis mir das Haar grau geworden ist und warte auf eine tüchtige Revolution, in der sich der Volkswille einmal energisch dokumentiren soll, aber was hilft's?... Wenn doch das preußische Volk wenigstens zur Steuerverweigerung griffe, es ist das einzige Mittel, den Bismarck et Comp. loszuwerden und den alten König todtzuärgern."

Auf Silberberg machte Wolff alle die vielen Leiden und wenigen Freuden festungsgefangener Demagogen durch, die Fritz Reuter in dem obigen Buch so lebhaft und mit so vielem Humor geschildert hat. Für die feuchten Kasematten und bitterkalten Winter war es eine ärmliche Entschädigung, daß das alte Felsen­nest eine Besatzung von alten Invaliden hatte, sogenannten Garni­sönern, die sich aber nicht durch Strenge auszeichneten und einem Schnaps oder einem Viergroschenstück manchmal zugänglich waren. Genug, 1839 hatte Wolff so sehr an seiner Gesundheit gelitten, daß er begnadigt wurde.

Er ging nach Breslau und suchte als Lehrer fortzukommen. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht, und der Wirth war die preußische Regierung. Mitten in seinen Studien durch die Haft unterbrochen, hatte er die vorgeschriebenen drei Universitätsjahre nicht absolviren können, noch weniger das Examen gemacht. Und in dem preußischen China galt ja nur Der als zünftiger Gelehrter, der alles das vorschriftsmäßig abgewickelt hatte. Jeder Andere, mochte er auch in seinem Fach so gelehrt fein, wie Wolff dies in der klassischen Philologie war, stand außerhalb der Zunft, war von der öffentlichen Verwerthung seiner Kenntnisse ausgeschlossen. Blieb die Aussicht, sich als Privat­

lehrer durchzuschlagen. Aber dazu gehörte eine Konzession der Regierung, und als Wolff darum einkam, wurde sie ihm ver­weigert. Der Demagog hätte verhungern oder wieder im heimathlichen Dorf Frohndienste thun müssen, wenn es in Preußen keine Polen gegeben hätte. Ein posen'scher Gutsbesitzer nahm ihn als Hauslehrer an; bei ihm verlebte er mehrere Jahre, von denen er immer mit besonderem Vergnügen sprach. Nach Breslau zurückgekehrt, erlangte er endlich nach vielem Tribuliren und Queruliren die Erlaubniß einer hochpreislichen königlichen Regierung, Privatstunden geben zu dürfen, und konnte sich nun wenigstens eine bescheidene Existenz gründen. Mehr ver­langte der fast bedürfnißlose Mann nicht. Zugleich nahm er den Kampf gegen die bestehende Unterdrückung wieder auf, soweit dies unter den damaligen jammervollen Verhältnissen möglich war. Er mußte sich darauf beschränken, einzelne Thatsachen von Beamten -, Gutsherren- oder Fabrikantenwillkür an die Oeffentlichkeit zu bringen, und fand auch da noch Hindernisse an der Censur. Aber er ließ sich nicht irre machen. Das damals neu eingesetzte Ober­cenfurgericht hatte keinen hartnäckigeren, immer wiederkehrenden Stammgast als den Privatlehrer Wolff in Breslau . Nichts machte ihm mehr Spaß, als die Censur zu prellen, was bei der Dummheit der meisten Censoren nicht sehr schwer war, sobald man ihre schwachen Seiten einigermaßen tannte. So war er es, der die frommen Gemüther auf's äußerste standalisirte, indem er in einem alten Kirchengesangbuch, das noch in einigen Orten im Gebrauch war, das folgende Kernlied" des bußfertigen Sünders entdeckte und in den Schlesischen Provinzialblättern zur Deffent­lichkeit brachte: Ich bin ein rechtes Rabenaas, Ein wahrer Sündenkrüppel, Der seine Sünden in sich fraß, Als wie der Russ' die Zwippel.

Herr Jesu, nimm mich Hund beim Ohr, Wirf mir den Gnadenknochen vor, Und schmeiß mich Sündenlümmel In deinen Gnadenhimmel.

Wie ein Lauffeuer ging das Lied durch ganz Deutschland , das schallende Gelächter der Gottlosen, die Entrüstung der, Stillen im Lande" hervorrufend. Der Censor bezog einen derben Rüffel, und die Regierung begann mit der Zeit wieder ein wachsames Auge auf diesen Privatlehrer Wolff, diesen unruhigen Schwindel­kopf, zu werfen, den fünf Jahre Festung nicht hatten zähmen können. Es dauerte auch nicht lange, so fand man wieder einen Vorwand, ihm den Prozeß zu machen. Die altpreußische Gesetz­gebung war ja über das Land ausgebreitet, wie ein funstreich angelegtes System von Fallen, Schlingen, Wolfsgruben und Fang­netzen, denen selbst die getreuen Unterthanen nicht immer entgehen konnten, denen aber die ungetreuen um so sicherer verfielen.

Das Preßvergehen, wegen dessen Wolff Ende 1845 oder Anfang 1846 in Anklagezustand versetzt wurde, war so unbeden­tend, daß jetzt keiner von uns sich mehr auf die näheren Um­stände besinnen kann. Die Verfolgung nahm aber solche Dimen­fionen an, daß Wolff, der die preußischen Gefängnisse und Festungen satt hatte, sich der drohenden Verhaftung entzog und nach Mecklenburg ging. Hier fand er bei Freunden sicheres Unterkommen, bis seine unbehinderte Einschiffung nach Lonton In London , wo er zum in Hamburg arrangirt werden konnte.

-

ersten Male in einem öffentlichen Verein dem noch bestehenden deutschen kommunistischen Arbeiterbildungsverein auftrat, blieb er nicht lange und kam dann, wie schon erzählt, nach Brüssel .

Fingerzeige zum gefunden Leben.

2. Unsere Wohnungen.

( Fortsetzung.)

Von H. V.

Hatte so die Einführung der sanitären Gesetze in den Logir häusern schon einen unerwartet günstigen Erfolg, so war dieser doch noch bedeutender in gewissen von verschiedenen gemeinnügigen

-

Baugesellschaften in London errichteten Musterwohnungen für Arbeiter. In diesen Model lodging houses( Mufter- Logir­häusern) kam im Jahre 1849 fein einziger Cholerafall vor, ob­wohl dieselben mitten in den Arbeitervierteln gelegen sind und in ganz London in demselben Jahre 18,000 Personen an der