- 271
Major Davel.
Eine biographische Skizze aus der Schweizergeschichte des vorigen Jahrhunderts.
( Fortsetzung.)
Wir bestimmen die Brüde von Guminen als unsere Grenze, da wir den Plan unserer Befreiung nicht entworfen haben, um Sie in Ihrer Hauptstadt, die es in Bezug auf Sie bleiben soll, zu beunruhigen, vorausgesetzt, daß Sie uns durch Ihre Armirung keine Veranlassung dazu geben, in welchem Falle wir vom Kriegsrechte Gebrauch machen werden.
Schmeicheln Sie sich nicht, edle Herren, daß Ihre Macht uns zu dieser Festsetzung unserer Grenzen bestimmt; denn wenn unsere Absicht soweit gegangen wäre, in Ihre Hauptstadt einzuziehen, so würden Sie uns vor Ihrem Stadthause sehen, ohne daß wir, wohlbekannt mit Ihrer Schwäche und geringen Vorsicht im Waffendienste, irgendwelchem Widerstand begegnet wären.
Unsere Absicht beschränkt sich für den Augenblick darauf, Sie von der Herrschaft über das Waadtland zu befreien, das Sie genug gemisbraucht und zum Aeußersten gebracht haben.
Man hat Sie durch unterschriebene und anonyme Briefe von der unwürdigen Aufführung Ihrer Vögte mit dem Anerbieten benachrichtigt, sich zu stellen, um die gerechten Klagen und Anflagen zu beweisen: die Folge davon ist ein Schreiben an Ihren Schatzmeister gewesen, der vollständig von der Wahrheit desselben überzeugt war, sich darüber zu unterrichten. Und die Aenderung bestand nur in einem ärgern Fortfahren mit Unterschleifen, Betrügereien und ungeheuern Geldstrafen, die Bürger und Landleute so belasteten und zu Boden drückten, daß es ein Wunder ist, wie sie's bis heute aushalten konnten.
Sie haben alle bürgerlichen, staatlichen und kirchlichen Aemter von Ihren Vögten abhängig gemacht und an den Letzt und Höchstbietenden losgeschlagen.
Sie haben Vögte zur Handhabung der Gerechtigkeit gesandt, die nicht die oberflächlichsten Kenntnisse, geschweige Wissenschaft des Rechts besaßen.
Ihre Vögte und souveränen Kammern vermehren und ziehen die Prozesse der Städte, der Gemeinden und Privaten bis in die Unendlichkeit hin. Nirgends eine Aenderung oder Besserung, jedes Jahr Verschlimmerung; so ist es denn endlich zum Alleräußersten der verderblichsten Herrschaft gekommen.
Jedes Jahr führen Sie eine neue Auflage oder Steuer ein und legen dem Vermögen der Gemeinden und Privaten die Ausbesserung der Haupt- und Heerstraßen auf.
Sie haben den Handel ruinirt, dessen vortheilhafteste Zweige Ihre geringe Befähigung zur Regierung fast gänzlich dem Lande entwunden hat.
Die Rechte und Privilegien der meisten Städte des Waadtlandes find nach und nach vernichtet worden.
Sie haben fleißig die Gelegenheit wahrgenommen, die abeligen Vasallen und Beamten des Landes dergestalt zu erniedrigen, daß es unmöglich ist, etwas Unwürdigeres und Niederträchtigeres zu schreiben. Wenn ein Vogt an einen Schloßverwalter schreibt, damit er Rechnung ablege, so geschieht es durch ein öffentliches Mandat, indem er mit gerichtlicher Strafe und Execution bedroht wird, wenn er dem Befehl nicht augenblicklich nachkomme. Ebenso verfährt man gegen die Steuereinnehmer, denen man unter Anbrohung derselben Strafen und außerdem der Amtsentsetzung befiehlt, in bedrängten Zeiten mit aller Strenge die Gefälle und Grundzinsen einzutreiben.
Ihre Kommissäre, die mit Ihren Absichten vertraut sind, zwingen alle Diejenigen, die sich nicht vertheidigen können, zur Lehnspflicht und zum Zehnten.
Sie haben soviel als möglich verhindert, daß Offiziere des Waadtlandes, die im Dienste benachbarter Souveräne rühmlich die Waffen trugen, in hohe Stellen einrüdten; und wenn ihr Verdienst Ihnen bekannt war und sie auf dem fast unfehlbaren Wege waren, zu avanciren, so haben Sie sie in böse Händel
verwickelt, um ihnen die Möglichkeit des Avancements zu nehmen, damit Ihre Bourgeoisie von Bern alle wichtigen Bosten erhielte. Indessen haben trotz Ihrer Anstrengungen fünf oder sechs Offiziere den Rang des Oberstlieutenants, Majors und Hauptmanns erlangt, die vermöge ihrer langen Dienstzeit und ihrer Fähigkeit in der Generalität sich befinden müßten, wenn Sie dieselben nicht in ihrer Bahn aufgehalten hätten.
Sie haben gegen die Geistlichkeit ein allgemein gemisbilligtes Verfahren durch die angebliche Reform beobachtet, welche von Ihren weltlichen, wegen ihres Lebenswandels übelberufenen Deputirten unternommen wurde. Die Akademie von Lausanne galt für blühend und wohlbesetzt. Sie besaß selbst einen ausgezeichneten Geist, der im Auslande geglänzt und Ehrenpreise errungen hat, der aber, statt mit Auszeichnung behandelt zu werden, von Ihnen zuerst auf's Korn genommen und dem drückenden Befehl unterworfen wurde, Ihre Artikel zu unterzeichnen, dem er sich in Anbetracht der öffentlichen Sicherheit nicht entziehen konnte. Sie haben sich mehre Jahre lang bitten lassen, um einige geringfügige Ausbesserungen der Pfarrhäuser und Kirchen vorzunehmen. Die Schatzmeister, die in das Land kamen, begnügten sich, die Weinkeller zu besuchen und entfernten sich aus ihnen kaum eine Viertelstunde, um die erforderliche Reparatur einer Kirche in Augenschein zu nehmen, in der es auf die Köpfe des Geistlichen und seiner Zuhörer regnete.
Alle Güter der Kirche, die dem Gottesdienste geweiht waren, sind zu den Domänen Ihrer Exzellenzen geschlagen worden. Der erste Gebrauch derselben ist zu den weltlichen Bensionen bestimmt, der Rest für die Herren Professoren und Geistlichen.
Sie verabschieden die Geistlichen und Vicare und stellen sie wieder an in der leichtsinnigsten Weise von der Welt; Sie vergessen, daß man diese Art der Charaktere nicht so behandeln darf.
Es bieten sich noch eine Menge anderer Klagepunkte, die eines Herrschers unwürdig sind, die ich aber hier nicht weiter berühren will; ich überlasse der besondern Prüfung jedes edeln Mitgliedes der Oberhoheit die Sorge, über sein Benehmen gegen seine Unterthanen nachzudenken, zu erkennen und zu gestehen, daß das Waadtland mit gutem Recht und guten Gründen die tyrannische und stolze Herrschaft, die selbst Ihren eigenen Verbündeten unerträglich ist, abschüttelt; und daß sie, die zuerst die Eide gebrochen haben, die sie ihren Unterthanen zu schwören verpflichtet sind, statt umgekehrt, die Schuld des Eidbruches trifft, ein Eidbruch, der die Unterthanen von ihrem Eide entbindet.
Mögen Ihre Erzellenzen das gegenwärtige Ereigniß wohl bedenken, das Ihnen noch einen Rest der Oberhoheit bewahren dürfte, wenn Sie von ihr einen guten Gebrauch zu machen verstehen. Sie werden nicht mehr so mit Prozessen überhäuft sein und freie Augenblicke haben, um gerechter zu denken als bisher, und Ihr Leben besser verwenden können als nur auf Prozesse und Bewerbungen um Rang und Aemter.
Gestehen Sie Ihre Unfähigkeit, diesem Schlage auszuweichen. Ihr ganzes großes Arsenal, Ihre Artillerie, Kriegsmunition und Schäße nüßen Ihnen hier nicht.
Nach Lesung dieses Manifestes bleibt Ihnen, um mich bildlich auszudrücken, weber Arm, noch) Bein, noch Muth. Sie werden es nicht wagen, Ihre deutschen Unterthanen gegen uns zu ver wenden: sie würden sich mit uns verbinden, um ihre Schätze aus der Hauptstadt zurückzuholen, gerecht zu vertheilen und das Beispiel unserer Befreiung nachzuahmen.
Von den benachbarten Cantonen, die Sie im höchsten Grade erzürnt und verachtet haben, dürfen Sie keine Hülfe erwarten. Der Kluge und weise Canton Zürich wird, gleich den andern, seine Truppen nicht in Länder zu senden wagen, wo sie so abgeschnitten werden würden, daß sie weder vor- noch rückwärts