Publikum, in allen Stücken eifrig und genau, erwarb er sich schnell das Vertrauen seiner Vorgesetzten.
Im November 1854 wurde er Praktikant mit 20 Gulden ( Tagegelder) pro Monat, im September 1855 Accessist und als folcher mit einem Jahrgehalte von 300 Gulden und 120 Gulden Quartiergeld bei dem Hauptpoſtamte in Wien angestellt.
Das den großartigen Verkehrsbedürfnissen Wiens dienende Hauptpostamt zerfällt in zwei Theile, in das Brief- und das Fahrpostamt. Das erstere besteht aus dem Central- Briefaufgabeamte, aus dem Speditions- und Abgabeamte und dem Zeitungsbureau. Jede dieser Abtheilungen erfordert ein besonderes Stockwerk des weitläufigen Postgebäudes. Alle zusammen nahmen damals schon die Thätigkeit von nahezu tausend Beamten in Anspruch. Wien zählte um jene Zeit in seinen Vorstädten und in den zum Bestellungsbezirke des Hauptpostamts gehörigen nahegelegenen Dörfern, außer dem großen Filialpostamte in der innern Stadt auf der Wollzeile, 50 Expeditionen. Täglich liefen von bort 40,000 50,000 Briefe bei dem Central- Briefaufgabeamte ein, die siebenmal am Tage von Einsammlern aus den Briefkasten abgeholt und in eigenen Omnibuswagen aus den verschiebenen Expeditionen nach dem Hauptpostamte geführt wurden. Die Briefe gelangten zunächst in das Sortirzimmer; dort wurden dieselben in Gegenwart und unter Aufsicht von mehreren Postbeamten von den Einsammlern auf einen in der Mitte des Zimmers stehenden Tisch, welcher an einen Schrank stieß, ausgeleert und die Briefe in langen Reihen aufgestellt. So oft Briefe einliefen, waren daselbst Beamte anwesend, welche sie in Empfang nahmen und auf jenem Tische, welcher durch vier Striche in ebenso viele Felder getheilt war, die Sortirung zu besorgen hatten. Das eine dieser Felder war für die in Wien selbst bleibenden Briefe bestimmt, das zweite für die in's Ausland gehenden, das dritte und vierte für die Diesseits- und Jenseitsbriefe, d. h. für solche, welche im Inlande zu versenden waren, und zwar entweder mit den diesseits der Donau oder mit den jenseits derselben abgehenden Bahnen.
Die Lokal( Stadt-) briefe wurden im Sortirzimmer selbst gestempelt und dann in das Abgangsamt befördert, die übrigen sortirten Briefe aber je nach den Feldern des Tisches in große Behälter des Tisches abgestrichen, mittels eines Zugwerks in das Speditionsamt geschafft und dort in drei Hauptabtheilungen ( Ausland, Diesseits und Jenseits) der weiteren postmäßigen Behandlung unterzogen.
Da täglich, wie schon erwähnt, siebenmal Briefe ausgehoben wurden, so wurde auch siebenmal des Tages sortirt. Außer den Expeditionsstunden war im Sortirzimmer Niemand beschäftigt, und auf den Sortirtisch durfte, wenn das Sortiren vorüber war, kein Brief gelegt werden. Diese Regel wurde so streng eingehalten, daß sogar die beiden Riesenbriefkasten, in die das Publikum eine große Menge von Briefen, Kreuzbandsendungen ic. zu werfen pflegt, nur zur Expeditionszeit geleert und fortirt wurden.
Von dem Central- Briefaufgabeamte wurde der Stadtpostdienst, d. h. die Uebernahme der rekommandirten und der in's Ausland gehenden frankirten Briefe verrichtet, ferner der Markenverkauf an
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Privatpersonen und im Großen an die Markenwiederverkäufer ( Markenverschleißer, wie man sie in Desterreich nennt), und endlichy die Scontirung( Berechnung) der Briefpacete aus der Umgebung Wiens( d. i. der sogenannten Landbriefe) besorgt. Hierzu waren 17 Beamte nöthig, und zwei ihnen vorgesetzte Kontroleure, welche abwechselnd von 7 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends den Dienst zu überwachen hatten. Einer der Beamten war mit dem MarkenEngrosverkauf betraut. Dieser hatte seinen Kollegen zum Zwecke des Detailverkaufs( ,, Kleinverschleisses") am Postbureaufenster, Vorschüsse in Markenbogen zu gewähren.
Kalab war diesem Beamten beigegeben; er hatte ihn zu kontroliren und in seiner Verhinderung den Markenverschleiß selbst zu besorgen. Zu dem Behufe erhielt er einen Vorschuß an Marken im Werthe von 2000 Gulden, der indessen niemals bei ihm, sondern nur bei dem eigentlichen Großverschleißer kontrolirt wurde. Letzterer überließ es Kalab, an die am Fenster dienstthuenden Mitbeamten Markenvorschüsse bis zu 120 Gulden abzugeben.
Der Kleinverschleiß der Marken war dem Accesfiften Kalab ebenfalls nur aushülfsweise übertragen. Für diesen Zweck besaß er einen Markenvorschuß von 50 Gulden, über welchen er eine der regelmäßigen Revision unterworfene Handkasse führen mußte. Kalab war noch außerdem vielfach beschäftigt. Er wurde mitunter beim Frankodienst am Schalter verwendet, er half beim Scontiren der Briefe, er hatte die Retourrezepisse( Rückempfangscheine) zu ordnen und herauszugeben, bei Reklamationen in den von ihm in mehreren verschließbaren Kasten aufbewahrten Prototollen zu recherchiren( nachzuforschen) und Auskunft zu ertheilen. Zur Zeit der täglichen Expeditionen im Sortirzimmer übernahm Kalab aus verschlossenen Taschen auf einem an der Wand stehenden, nur drei Schuh vom Sortirtisch entfernten Schreibtisch die Packete der zum Bestellbezirk Wien gehörigen Posterpeditionen aus der Umgebung der Stadt. Diese sogenannten Landbriefe waren in Korrespondenzblätter eingeschlagen, in welche die rekommandirten Briefe eingetragen sein mußten. Kalab hatte diese Packete zu öffnen, die darin befindlichen Briefe aber auf den Sortirtisch zu legen. Die leeren Korrespondenzblätter kamen in ein Fach oberhalb des Schreibtisches; sie wurden Tag für Tag gesammelt und monatweise zusammengebunden.
Die Platte des Schreibtisches, auf welchem Kalab expedirte, war mit zwei Deffnungen versehen. Die eine, kleinere, führte in ein für Baarbeträge bestimmtes Kästchen, die andere, größere, in eine geräumige, versperrte Lade, die alle unter den Landbriefen einlaufenden frankirten Packete aufzunehmen bestimmt war. Die Packete wurden dort aufbewahrt und von dem Abgangsamte täglich mehrere Male abgeholt. Kalab erhielt im Herbst 1858 den Schlüssel zu dieser Lade. Zur Vereinfachung des Dienstes traf man später die Anordnung, daß die mit Porto beschwerten Packete nicht mehr vom Abgangsamte geholt, sondern von Kalab an dasselbe abgeliefert wurden. Er hatte seitdem über jene Lade ausschließlich zu verfügen und bekam auch den zweiten, bisher im Abgangsamte befindlichen Schlüssel dazu ausgehändigt. ( Fortsegung folgt.)
Plaudereien über das deutsche Theater und was dahin gehört.
I.
Vor einigen Wochen saß ich eines Abends im Parterre des Stadttheaters zu G. und war grade noch zur rechten Zeit getommen, um zwei lustige Schwänke anzusehen, die, obgleich durch aus nicht geistreich, das gesammte Publikum zu einer unbändigen Heiterkeit hinrissen. Nun, dachte ich bei mir, es ist besser, das Publikum, welches im Hause soviel Sorgen hat, läßt sich durch tecken Humor den Kummer verscheuchen, als durch langathmige, patriotische Jambentragödien à la Felix Dahn , ersterer schadet nichts, letztere aber versetzen einen großen Theil des Publikums
in den Rausch eines künstlich aufgeblasenen Chauvinismus. Selbstvergötterung auf der einen Seite und bewunderndes Preisen scheinbarer Erfolge auf der andern sind in der Regel die Folgen jenes Rausches, wenn der Betreffende nicht eine feste politische und fittliche Ueberzeugung und Kritik besitzt. Daß die große Menge von den beiden letzteren unberührt bleibt, dafür sorgen Gott sei's geklagt!- sehr viele politische und soziale Institutionen des deutschen Reichs. Doch ich schweife ab.
Als ich nach dem Schluß der Vorstellung den Ausgang suchte, kam ich im Gedränge mit einem Menschen zusammen, dessen Stimme mir bekannt vorkam; ich konnte sein Gesicht nicht sehen