Auch die Vorliebe und die Neigungen meiner Kollegen, von denen sich die einen für die reine Wissenschaft, die anderen für die , reine Kunst und die dritten für einen brotspendenden Beruf begeisterten, theilte ich nicht. Ich, der Sohn eines Mannes, der für die unveräußerlichen Rechte des Volks sein Blut vergossen hatte, habe nie einseitigen Kunst- und Wissenschaftsenthusiasmus verstehen können; wohl aber begeisterte ich mich für alles Schöne und Erhabene, aber dasselbe empfing seine höchste Weihe in meinen Augen erst durch die politische und soziale Nuzbarmachung. Des­halb, ja deshalb wurde ich schon auf der Universität von meinen Kollegen und später von ehrbaren Spießbürgern ein, Tendenzbär genannt. Dieses Urtheil wäre vielleicht ein richtiges gewesen, wenn es aus kompetentem Munde gekommen wäre. Das fühlte ich damals schon und spottete meinerseits über hergebrachte Philister­weisheit.

,, Mein Benehmen, meine Anschauungen, meine Opposition gegen die gewöhnliche Bierbankpolitik sollte mir theuer zu stehen kommen. Obgleich ich mein Doktorexamen in der Philosophie ganz gut bestand, war es mir dennoch unmöglich, irgendwo eine feste Anstellung, sei es als Lehrer oder als Journalist, dessen Beruf ich die meiste Neigung entgegentrug, zu erhalten. Die Bismarckära war angebrochen und mit ihr erlosch fast jegliche Anerkennung einer uneigennützigen individuellen Ueberzeugung, die nicht mit der königlich preußischen übereinstimmte. Bald nannte man mich einen Schwärmer, bald, da ich, praktischer geworden, sozialdemokratischen Anschauungen anhing, einen Kommunisten,

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und auf diese Weise tödtete man in der sogenannten, gebildeten' und anständigen Gesellschaft meinen Ruf. Ich ließ es mich nicht anfechten, besaß ich doch ein kleines Vermögen, welches mir auf mehrere Jahre hinaus die Selbstständigkeit sicherte. Ich arbeitete Aufsätze für Zeitungen aus, die, obwohl nicht ohne Geist geschrieben, als zu tendenziös und die Stützen des über­kommenen Staats untergrabend, mir regelmäßig von den ver­ehrlichen' Redaktionen zurückgeschickt wurden; ich gab Geschichts­stunden, welche mir von den Eltern der Schüler bald wieder entzogen wurden, weil ich, Gift' lehrte, wie man sich ausdrückte; ich gab Gedichte heraus, die, wie du mir selbst bezeugtest, wenig­stens nicht schlechter waren, als diejenigen mancher Modedichter; ich schrieb Schauspiele, Trauerspiele und Possen à la Aristophanes , doch die Direktionen, bedauerten', keinen Gebrauch von denselben machen zu können, obgleich sie mir ein großes dramatisches Talent nicht absprachen. All' dies Unglück brachte mir die leidige Tendenz', von der ich nun leider nicht ablassen konnte, und die sich überall dort einschlich, wo ich mit wahrer Begeisterung sprach, schrieb, lehrte und dichtete. Anfangs genirten mich alle diese Enttäuschungen wenig. Ich dachte etwas eitel von mir: Wenn die Leute auch meine Tendenz nicht leiden können, Talent und Arbeitsluft werden sie mir nicht absprechen. So viele Esel und Dummköpfe werden für ihre Arbeiten gut und ausreichend be­zahlt, weshalb soll es mir, der ich doch etwas flüger zu sein mir schmeichle, nicht auch glücken, meinen Lebensunterhalt zu gewinnen? ( Schluß folgt.)

Weinprobe: Grüneberger. Wer kennt nicht das köstliche Stu­dentenlied: Der schlesische Becher?

Auf Schlesiens Bergen, da wächst ein Wein, Der braucht nicht Hiße, nicht Sonnenschein, Db's Jahr ist schlecht, ob's Jahr ist gut, Da trinkt man fröhlich der Trauben Blut. Da lag ich einmal vor'm vollen Faß: Ein Andrer soll mir trinken das!"

So rief ich, und sollt's der Teufel sein, Ich trink ihn nieder mit solchem Wein!"

Und wie noch das letzte Wort verhallt, Des Satans Tritt durch den Keller schallt.

"

He, Freund, gewinn' ich, so bist du mein! Ich gehe," so ruft er ,,,,, die Wette ein!""

Da wurde manch' Krüglein leer gemacht; Wir tranken beinah' die ganze Nacht. Da lallte der Teufel: He, Kamerad, Beim Fegfeuer! jetzt hab' ich's satt!

"

" Ich trank vor hundert Jahren in Prag Mit den Studenten dort Nacht und Tag;

Doch mehr zu trinken solch' sauern Wein, Müßt' ich geborner Schlesier sein!""

Der Reingefallne", den unser Bild( Seite 292) darstellt, ist offenbar nicht geborner Schlesier".

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Der Schäfer und das Meer( siehe Seite 293). Der Holzschnitt ist nach einem in dem diesjährigen" Salon" ausgestellten Gemälde von Hermann Léon angefertigt.

Die Pfaffen- Commune. Im sechzehnten Jahrhundert hatten die Jesuiten in Paris eine Commune gestiftet, die von den Guisen ge­leitet wurde und zur Aufgabe hatte, diese legten an die Stelle der Bourbons auf den Thron zu bringen. Paris war dazumal in 13 Be­zirke getheilt und deren Vorgesezte bildeten die eigentliche Commune, die in der Geschichte als die der Dreizehn bekannt ist. Die Com­mune hielt eine Belagerung Heinrich's IV. aus, und die Greuelthaten, die dazumal geschahen, wetteiferten nur mit den Scenen der Unsittlich­teit, die die Herren Prozessionarden des Nachts aufführten. Kinder beiderlei Geschlechts gingen im Hemde mit Kerzen auf den Straßen herum. Wer nur zu lachen sich unterstand, wurde als Verdächtiger hingerichtet.

Die Commune von 1871 hatte keine Polizeidiener, die Ordnung wurde von den Nationalgardisten aufrechterhalten, und man hörte weder von Diebstählen noch von Unsittlichkeiten reden.

Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig .

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Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von F. I.

( Lateinisch.)

Injuriam nec patitur fortis nec facit. Uebe keine Schmach, Keine auch ertrag'!

Publici fures aetatem in auro agunt et purpura. Staatsdiebe pflegen nur die Strafe zu erleiden, Daß sie sich lebenslang in Purpur müssen kleiden.

Impune plebs, ubi pertinet, contemnitur.

Ein Volk, das vor dem Fürsten bebt wie Espenlaub, Wird ungestraft von ihm getreten in den Staub. Illud, nosce te ipsum', non ad arrogantiam minuendam Solum est dictum, verum etiam, ut bona nostra norimus.

Jenes Erkenne dich selbst!" will nicht blos Dämpfung des Hochmuths Lehren, nein, Würdigung auch deines selbsteigenen Werths.

Venter suus summum est numen Cyclopibus. Cyklopen galt als höchste Gottheit einst ihr eigner Bauch. [ So klassisch alt,

Mein Herr Pastor, ist euer Glaubensbrauch!]

Lycurgus auctorem legum Apollinem Delphicum fingit. Lykurgus machte seinen Spartern weiß.

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Er habe das Gesez, womit er sie beglücke, Vom delphischen Apoll![ Geführt auf's Eis Hat Moses seine Juden so an Jahve's*) Krücke.]

Deorum parentes utilitas ac timor.

Die Götter stammen alle von einem Elternpaar: Ihr Vater heißt Herr Nußen , dem sie Frau Angst gebar. Ab omnibus sua perspici probus cupit. Rechtschaffenheit gibt Lust und Kraft,

Zu legen Jedem Rechenschaft.

*) Jahve, Ihoh oder Jehova, Bezeichnung des Judengottes. D. Red.

Berichtigung. In der Erzählung Goldene und eiserne Ketten" ist die Unterredung des Pfarrers mit dem Grafen ( Nr. 27) irrthümlich der Unterredung des Pfarrers mit Berner und bez. Frommelt( Nr. 28) vorangesetzt worden, was die Leser wohl schon selbst berichtigt haben

werden.

Drud und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .

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