,, Es ist nicht der Rede werth. Aber fassen Sie nun wieder Vertrauen. Bald sind Sie gesund und hoffentlich wird die Zufunft Sie reich für die bitteren Entbehrungen der Vergangenheit entschädigen."
„ Ich
Egler schüttelte zweifelnd den Kopf. Ich habe alles Vertrauen verloren," sagte er. Für uns Arme gibt es kein Glück auf Erden...."
,, Wenn wir es ruhig mit ansehen, wie Andere uns darum betrügen," erwiderte Blumenthal ,,, dann freilich nicht."
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Egler erhob den Kopf und blickte zu Blumenthal auf. ,, Es ist wohl wahr," sagte er mit steigender Bitterfeit. ,, Aber besitzen wir ein Recht, besitzen wir die Macht dazu? Da hatte ich gegen den Grafen geklagt was ist herausgekommen? Das Gericht weist rundweg meine Klage ab, weil der Graf in Ausübung seiner polizeilichen Befugnisse gehandelt. Kein Zeuge ist vernommen, Niemand gehört worden. Wozu auch? Das Recht ist nur für den Reichen da."
,, Das Gericht wird diesen Spruch umstoßen müssen," entgegnete Blumenthal besänftigend. Man muß mich als Zeugen vernehmen. Sprechen Sie nur mit Ihrem Anwalt, er muß Beschwerde führen."
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„ Ich habe es schon gethan," sagte Egler finster ,,, ob's aber helfen wird! Ich bin ja kein Herr- wie sollte ich auch Recht finden? Sehen Sie, Herr Blumenthal, als Sie kamen, da war mir der Kopf in die Hand gesunken. Im Hause meiner Eltern gab es eine uralte große Bibel, beinahe so alt wie die Luther 'sche Reformation. Die Bibel hatte viele Holzschnitte. Einer darunter zeigte den Simson in der großen Versammlung der Philister, wie er an den Säulen lehut, die Arme gefesselt, mit Hohn und Spott überhäuft. Ein anderes Bild stellte den gleichen Simson dar, wie er mit Riesenkraft seine Fesseln sprengt, die Säulen mit seinen gewaltigen Armen umfaßt und mit einem Ruck die ganze Philistergesellschaft begräbt. Als ich so schlummerte, da umschwebten mich diese alten Bilder, und es war mir, als sei ich selbst der Simson. Da sah ich auch Mauern und Balken brechen und hörte Geschrei und Gewinsel. In meinem Herzen aber jubelte es es war doch endlich einmal Gerechtigkeit auf Erden geübt worden! Aber, ich habe es geträumt, Herr Blumenthal nur geträumt, und bin aufgewacht mit dem Gerichtsbriefe in der Hand!"
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Blumenthal war bemüht, ihn zu beruhigen, und es gelang ihm auch, ihn von dem Gegenstande abzulenken, indem er ihm von seiner Liebe, von Berner und Neumann und den anderen Dorfbewohnern erzählte. Etwas ruhiger und heiterer, als er ihn angetroffen, verließ er ihn.-
,, Wie haben Sie ihn angetroffen?" fragte der Doktor.
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Er träumte den Traum vom Simson," antwortete Blumenthal, der sehr ernst aussah.
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,, Daraus könnte Mancher etwas lernen," sagte der Doktor,- ,, Sie z. B. und Berner. Sie träumen Beide den Traum der Liebe. Sie soll die Menschen beglücken aber während Sie träumen, da träumen die Hungernden etwas ganz Anderes, und während Sie die Ketten der Liebe schmieden schmieden die Armen Waffen, und ich meine, sie thun recht damit. Alles zu feiner Zeit, Herr Blumenthal auch die Liebe wird einmal ihre Zeit finden, aber kommen Sie damit nicht der heutigen Gesellschaft, die lacht Sie aus. Die französische Revolution war darin praktischer, die kam mit dem Fallbeil; wäre sie mit der Liebe gekommen, sie hätte den Teufel etwas erreicht. Wollen Sie der Menschheit nüßlich sein, dann lassen Sie die Liebe schießen, die troß ihres hohen Berufs heute nur das Ziel verdunkelt, und predigen Sie den Haß!"
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,, lästern Sie mir die Menschenliebe nicht," entgegnete Blumenthal ,,, immer wird sie das Ideal der Menschheit bleiben."
,, Das bestreite ich gar nicht, darum sage ich auch: Alles zu seiner Zeit. Man darf nur bei dem schönen Ideale die traurige Gegenwart nicht vergessen. Gerechtigkeit ist die Losung der Zeit, der Pflug, mit dem man den Boden aufreißt, um ihn für eine neue Saat empfänglich zu machen. Berner möchte kein Schäflein unserer Gesellschaft verloren gehn lassen das ist ja recht
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schön, aber Sie werden sehen, vielleicht erleben Sie es auch, daß das Volk doch ganz anderer Ansicht ist und in richtigem Instinkte, kurz entschlossen, den Lebensbaum des Volkes von allen Aesten und Zweigen säubert, die keine Früchte mehr tragen. Berner will erziehen auf ein so zeitraubendes Experiment wird das Volt sich aber nicht einlassen, sondern, wie ich gesagt, als radifaler Gärtner verfahren und einfach in's Feuer werfen, was ihm unfruchtbar erscheint."
,, Ständen wir noch im Zeitalter der französischen Revolution, dann würde ich Ihnen beipflichten, aber die Zeit ist eine ganz andere geworden, alle Stände vereinigt das Streben, zu retten und zu helfen da, glaube ich, hat Berner Recht, wenn er..." ,, Und Graf Falkenburg und sein Sohn und all' die Parasiten, die es sonst noch gibt?" unterbrach ihn der Doktor.„ Glauben Sie, die auch noch erziehen zu können?"
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,, Auch die," antwortete Blumenthal.
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Der Doktor zuckte ärgerlich die Achseln. Sie sind wirklich ganz unverbesserlich," sagte er. Ich kann Ihnen nur Glück wünschen, daß Sie nicht in der Zeit leben, welche unsere Streitfrage einmal praktisch lösen wird. Aber nun sagen Sie mir, was wollen Sie denn eigentlich thun, um all' das gehörig zu verwerthen, was Ihnen der Zufall in den Schoß geschüttet hat? Ein Donnerwetter müßte über die erlauchte Gesellschaft hereinbrechen, wie es das Riesengebirge noch niemals erlebt."
,, Kämen nicht viele arme Teufel dabei auf die Anklagebank," antwortete Blumenthal ,,, dann würde ich ungesäumt eine Anzeige einreichen."
,, Da wären die Hände freilich gebunden," sagte der Doktor nachdenklich.. Aber zum Teufel, was thun? Mit einer Moralpredigt ist es da nicht abgethan."
,, Von Ihnen gehe ich zum Justizkommissar Petersohn, einem alten Bekannten von mir. Der soll dem Grafen zeigen, daß es Ernst ist, und ihn unter Klageandrohung zur Herausgabe des Waldes auffordern. Selbstverständlich trete ich selbst der gräflichen Sippschaft gegenüber, und- verlassen Sie sich darauf- sie wird zu Kreuze kriechen."
,, Machen Sie sich keine großen Hoffnungen," warnte der Doktor ,,, die Gesellschaft ist abgebrüht. Seien Sie nicht zu zuversichtlich. Man macht Ihnen vielleicht ein glattes Gesicht und streichelt Ihnen mit Sammetpfötchen die Backen, aber doch nur, um Ihnen nachher die Krallen zu zeigen."
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die sollen uns
,, Denken Sie an Jörg und an Büttner Waffen liefern, bei deren Anblick dem Grafen der Muth schon entsinken soll. Ueberhaupt scheint mir der ganze Bau dem Einsturz nahe. Geht Silberberg vor, dann bricht das alte Falkenburger Haus zusammen."
Ich kann Ihnen vielleicht ein wenig in die Hände arbeiten," sagte der Doktor jetzt.„ Silberberg werde ich hetzen, und dann mache ich dem Landrath die Hölle so heiß, daß man die Wärme auf der Falkenburg spüren soll. Ich weiß es nämlich bestimmt, daß allmonatlich ein gräfliches Fuhrwerk mit Wein in den Hof des Landraths fährt."
,, Nicht möglich!"
Freund, bei uns ist Vieles möglich, von dem sich ein ehrlicher Mann nichts träumen läßt," rief der Doktor mit höhnischem Lachen.„ Wie Wucherpflanzen, so hängen diese Aristokraten mit einander zusammen, und kleine Liebenswürdigkeiten wie die, von der ich Ihnen erzählt, sind etwas Alltägliches. Sie, lieber Blumenthal, sollten sich doch darüber nicht wundern. Wie macht man's denn beim Straßenbau? Frägt man nach dem Bedürfniß der Städte und Dörfer? Fällt den Staatsweisen gar nicht ein; die Karten der Güter studiren sie und machen die unsinnigsten Anlagen, blos um irgendeiner vorsintfluthlichen Erlaucht zu einem wohlfeilen Wege zu verhelfen."
„ Ich kenne das," sagte Blumenthal kopfnickend.„ Wie mit den Wegen, verhält es sich ja mit den Stromregulirungen, den Entwässerungen und allen anderen Staatsarbeiten. Es ist, als ob der Staatsbürger erst mit dem Baron anfange."
,, Geschieht das denn nicht, lieber Herr Blumenthal?" rief der Doktor. Wer beherrscht die Provinz und den Staat?