die Sie nicht einen Augenblick ruhig bleiben kann, die Sie über Alles lachen und fichern muß, nein, das geht nicht; der ist nicht von London hierhergereist, um hier mit einem kleinen dummen Mädel sich zu unterhalten, das wäre ja eine reine Beleidigung für ihn."
,, Und für mich sehr langweilig," erwiderte die Kleine kurz und fast trotzig, ich will ja gar nicht dabei sein, wenn dieser alte Häuptling feine Weisheit ausframt, ich verstehe ja nichts davon, aber..." und jetzt lachte sie schon wieder ,,, Sie auch nicht, nicht so viel mehr( sie machte mit ihren Fingern eine bezeichnende Bewegung) verstehen Sie davon, und deshalb kommen Sie mit Ihrem Kuchenantheil hübsch zu mir, wenn Sie wollen, ich helfe Ihnen dabei und die Zwei können sich dann anpredigen, so lange sie' s selber aushalten."
,, Ei, das versteht Sie nicht, Mieß, ich muß die Hausfrau machen, der Dent soll ein gar verwöhnter Mensch sein, ich bitte Sie, er lebt zwei Jahre in London , bezieht einen horrenden Lohn, hat nur für sich zu sorgen, da gewöhnt man sich an allerlei Gutes, was man dann in der Fremde auch nicht vermissen will. Deshalb wird er ja die drei oder vier Tage, die der Kongreß dauert, bei uns wohnen, weil er da am besten aufgehoben ist, und auch am anständigsten versorgt wird." Fanny's kleine Gestalt richtete fich so hoch wie möglich auf, als sie fortfuhr:„ Gott sei Dant, wir können's thun und wir sind dafür bekannt. Aber um des Himmels willen, was treibt Sie da wieter für nichtsnutiges Zeug?"
Dieser Ausruf war diesmal ziemlich gerechtfertigt. Miet, welche die Ausführungen ihrer Nachbarin wahrscheinlich zu langweilig fand, hatte längst ihre beiten Hände etwas mit Wasser benetzt, das Thonfigürchen, Fräulein Fanny vorstellend, wacker burchgewalkt und aus der erdigen Masse schöpferisch ein Männlein mit ungewöhnlich großem Kopfe, frummen, langen Beinen und ebenso langen, weit ausgespreizten Armen geformt; das Alles so schnell und lautlos, daß die in großer Erregung sich befindende Fanny das neueste Opus der Mietz erst bemerkte, als es fast vollendet war.
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,, Sie waren unzufrieden mit Ihrem Konterfei, Fanny, da habe ich schnell ein anderes gemacht. Das ist der eflige Engländer, der verwöhnte Schlosser. Sehen Sie, da hält er Sehen Sie, da hält er grade eine seiner langweiligen Reden, und dabei wälzt er seine großen Augen auf Ihren Kuchen heraus. Der Heuchler!" und
mir unbekannt.
I.
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das junge Mädchen lachte so anhaltend und herzlich, daß die Fanny fich Gewalt anthun mußte, um nicht mitzulachen; aber der Aerger überwog.
,, Schäme Sie sich, Sie ist sechzehn Jahre alt, aber ein kleiner Gassenjunge ist weniger ausgelassen. Und was seh' ich denn da, auf der Kommode, am Boden, überall kleine Lehmklümpchen. Jetzt habe ich's fatt, gleich pace Sie sich mit der Schweinerei hinaus und komme Sie mir lieber gar nicht mehr vor die Augen."
Das kleine fece Ding schien sich diesen Hinauswurf nicht sonderlich zu Herzen zu nehmen. Sie lächelte eigentlich so recht schelmisch in sich hinein, nahm ihr Brettlein sammt dem langbeinigen Engländer und sagte sehr refignirt: Heute thut Sie einmal stolz. Freilich, wenn man an einem Werkeltag Kuchen hat und einen noblen Engländer dazu, da braucht man keine Hülfe; aber wenn's dann wieder was zu laufen gibt, zum Frühstück, zum Mittagmahl einzukaufen, und man nicht gerne von der Arbeit aufsteht, dann wird Sie mir wieder vor die Augen treten mit einem: Miezel, besorg' Sie mir das, Mietzel, besorg' Sie mir jenes!" und wenn Sie des Abends dann müde ist und Langeweile hat, dann wird Sie froh sein, wenn ich Ihr meinen schönen Engländer noch einmal vorknete."
Fanny schien von der Wahrheit dieser Bemerkung frappirt zu sein; sie durfte sich's mit der Mietz nicht verderben, und so langte sie, wenn auch mit einem Seufzer, nach der Schüssel, suchte zwei der am meisten gebräunten Stücke heraus, wickelte sie in ein Papier und gab dies der Kleinen mit einem:„ Da, nehme Sie das und morgen wird Sie mir erzählen, wie es 3hr geschmeckt hat."
,, Vielleicht heute noch, wer weiß?" gab die Kleine lachend zurück. Das sag' ich Ihr, Fräulein Fanny, sehen muß ich ihn jetzt, nur deshalb, damit ich weiß, ob ihm der da" und sie zeigte auf ihr Lehmmännchen nicht wirklich ähnlich ist."
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Und sie nahm den Kuchen, und mit einigen Sprüngen war sie über den langen Gang an der Thüre zunächst der Stiege, die in ihre Wohnung führte. Fräulein Fanny aber sperrte die ihre fest nach ihr zu mit dem festen Vorsatz, sie heute nur mehr dem Toni und dem interessanten Gaste, der ihre Phantasie und ihr 30jähriges jungfräuliches Herz immer heftiger aufzuregen begann, zu öffnen. ( Fortseßung folgt.)
Pariser Maisons de Retraite).
Was ist eine Maison de Retraite? Der Begriff der Maison de Retraite ist in der deutschen Sprache mittels breier Worte nicht zu bezeichnen. In Deutschland gibt es keine Maisons de Retraite. Ob es in Desterreich Maisons de Retraite gibt, ist Maison de Retraite ist ein Zufluchtshaus für das Alter, besonders für das hohe Greifenalter. Paris besitzt fieben solcher Maisons de Retraite, die meist alle auf milden Stiftungen wohlthätiger Menschen beruhen. Manche gleichen Balästen; manche fofetten fleinen Landhäusern; bei manchen zahlt der Pensionär, der auf das Alter eine Zufluchtsstätte sucht, wo er nicht dem Mangel preisgegeben ist, gar nichts der Wohl thätigkeitssinn des Stifters gibt ihm Alles umsonst, auch die Wäsche, die Kleider und das Taschengeld; bei manchen zahlt er eine unbedeutende jährliche Pensionssteuer, zweihundert, drei hundert, fünfhundert Francs, wofür er Alles erhält, was er zum Lebensunterhalt gebraucht- Wohnung, Frühstück, Mittagessen und Abendessen Dejeuner und Diner, wie man in Frankreich sagt, Holz und Beleuchtung; bei den übrigen zahlt der Pensionär ein für allemal ein kleines Kapital
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*) Sprich: Mäsong d' Reträt
Nr. 38, 1876.
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1500 bis 2000 Francs
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und fann dafür hundert Jahre alt werden und ohne Sorge leben In dem größten Theile der Maisons de Retraite kann auch ein altes Ehepaar einziehen und mit den Mitteln des Hauses seinen früheren Haushalt fortsetzen. Die Maison de Retraite gibt dem alten Ehepaar eine Chambre d'Epour, welche aus mehreren Räumlichkeiten besteht, Holz, Kohlen, Brot, Fleisch und alle zehn Tage eine kleine Summe baaren Geldes zum Haushalt. Die meisten Maisons de Retraite zählen Frauen und Männer zu ihren Penfionären, einige nur alte Männer; in allen Maisons de Retraite muß der Pensionär, aber wenigstens sechzig, in einigen auch siebzig Jahre sein; auch guter Ruf, den ein Sittenzeugniß des Maire seines bisherigen Wohnorts fonstatirt, ist eine durchaus nothwendige Bedingung, und ein zweijähriger Aufenthalt im Seinedepartement; drei alte Maisons de Retraite, die sich im Weichbilbe von Paris befinden, sind nur für die Bevölkerung des Seinebepartements bestimmt.
Seit den letzten fünfzehn Jahren hat man sämmtliche Maisons de Retraite außerhalb der Stadt Paris in die umliegenden Ortschaften verlegt. Theilweise bewogen zu dieser Verlegung Gesundheitsrücksichten- um den alten Leuten so gute Luft zu verschaffen,
eigentlich: Häuser, in die man sich zurückzieht.