werden. Das Haus hat einen demokratischen Zuschnitt. Seine Bewohner sind Handwerker, Epiciers und kleine Kaufleute, denen das Glück nicht soviel gelassen hat, um ihr früheres unabhängiges Leben in gewohnter Weise fortzusetzen. Sie finden eine Zuflucht gegen Mangel, Entbehrung und gegen die körperlichen Schwächen des Alters in der Maison de Retraite in Auteuil   für einen ge­ringen Pensionspreis, der zu dem, was ihnen gegeben wird, in gar keinem Verhältniß steht. Der Pensionspreis ist nur vier­Der Pensionspreis ist nur vier hundert France. Ehegatten zahlen Jedes dreihundertundfünfzig Francs. Die Verwaltung leistet ihnen für diesen geringen Pen­fionspreis außer der Kleidung Alles, was sie brauchen- Früh= stück, Dejeuner und Diner, Holz, Licht und Feuerung, ein gut eingerichtetes Zimmer, worin der bequeme Lehnstuhl neben dem breiten, mit allem Zubehör versehenen französischen   Bette nicht fehlt, Medikamente und ärztliche Behandlung in einem besondern Krankenzimmer, Bäder, Rauchzimmer und Unterhaltungszimmer. Aus den Fenstern aller Zimmer auch der Schlafzimmer blickt man auf grünen Rasen, bunte Blumenbeete und Baumes­schatten. Der Park hat keinen Umfang von 79,000 Mètres, wie der Park des aristokratischen Zufluchtshauses in der Rue de Mirabeau, aber er umgibt in terrassenförmiger Gestalt die ganze Rückseite des Gebäudes, welches von dem Plaze, auf welchem sich die uralte, durch die Brandkugeln der Preußen und der Ver­sailler verschont gebliebene Kirche von Auteuil   erhebt, durch einen weiten Blumenhof getrennt ist, der das Hauptgebäude und die beiden Seitenflügel des zweistöckigen Hauses umschließt, und hat

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Bäumen.

einen Reichthum an Schatten, Laubgängen und breitäftigen Der Gründer dieses Zufluchtshauses gegen Armuth und Elend des Alters ist ein braver Pariser   Kaufmann, der reich geworden ist in seinem Geschäft und seinen Reichthum in dieser Weise angewandt hat. Bau und Einrichtung des im Jahre 1861 gestifteten Hauses hat mehrere Millionen Francs gekostet, und die Rente, welche der brave Pariser Kaufmann aus­gesetzt hat, um die Differenz zwischen der geringen Pension und den Leistungen der Verwaltung zu decken, beträgt jährlich vierzig­tausend Francs.

Begleite mich der Leser nun zum Schluß noch in eine andere Maison de Retraite, welche auf der andern Seite des ,, modernen Babel", wie die vom Großmachtskizel und von der Preußenseuche angesteckten Chauvinisten in Deutschland   Paris   nennen, ich sage: der Stadt, welche sich wie keine andere Stadt in Europa   durch ihre Wohlthätigkeitsbestrebungen und Wohlthätigkeitsinstitute aus­zeichnet" man denke an das jährliche Wohlthätigkeitsbudget der Pariser   Armen von 40 Millionen Francs in der Vor­stadt St. Maudré belegen ist. Sie ist die gemüthlichste und die charakteristischste Maison de Retraite von allen und die Stiftung eines Pariser   Handwerkers, eines Tapezierers, Namens Boulard, der das Landhaus, in welchem er zwölf armen Leuten von siebzig Jahren bis zum Ende ihres Lebens Unterhalt, Kom­fort und Zuflucht gegen die Beschwerden des Alters in der reich­lichsten und angenehmisten Weise geboten hat, in den Jahren 1825 bis 1830 erbaute und in reichlichster Weise dotirte.

I. ( Schluß.)

Pfingsten im Harz.

Wandererinnerungen von Robert Schweichel.  

mantel verwandelt, der Alles zudeckte. Wären wir in diesem dichten Nebel auf dem Brocken erwacht, dann hätte es nur

,, Der Brocken jetzt einen Hut auf," sagte der Förster nach mürrische Gesichter über das vereitelte Schauspiel des Sonnen­einiger Zeit.

Mag er, wir sind in guter Hut!

Entschlossen, zu bleiben, machen wir nach dem Essen einen Spaziergang in der Parkanlage und den verschlungenen Wegen, welche bereits von den Vorgängern des jetzigen Försters auf dem elastischen Moorboden neben dem Torfhause angelegt worden sind. Ruhebänke im Schatten weißer Birken laden zu behaglicher Be­trachtung von Wald und Berg und Fels.

Als wir zurückkehren, ist man beschäftigt, die Vortreppe des Torshauses und die Flur mit Maien zu schmücken. Es geht heiter dabei zu. In der Stube setzt sich einer von den Reise­gefährten an das Klavier, das auch hier nicht fehlt. Es ist zwar ein wenig verstimmt, aber das stimmt eben zu der ganzen Um­gebung, und die heiteren Weiſen klingen darum nicht minder heiter. Die Musik lockt erst die Kinder herbei, dann kommen Vater und Mutter und ein Gast des Hauses dazu.

Unterdessen wird es dunkel, die Kinder werden mit einigen Schwierigkeiten zu Bette geschickt. Wie die Lampe auf dem runden Tische vor dem Sopha angezündet ist und wir Alle darum ſizen mit unseren Wirthen und dem Hausfreunde, da ist's so anheimelnd und ein Geist waltet in der kleinen Runde, als ob wir uns schon jahrelang kännten und uns der Zufall nicht nur erst vor einigen Stunden zusammengeführt hätte. Wahrlich, diese patriarchalische Gastaufnahme wird von keinem Wirthshaus­fomfort erreicht. Wir haben auf unserer weiteren Wanderung noch oft an das Torfhaus   und seine biedern Bewohner zurückgedacht.

Eine fröhliche Wanderschaar, die von Harzburg   herauffam, und nach kurzer Rast durch die Nacht dem Brocken zuzog, wiegte uns durch ihre fern und ferner verhallenden Lieder in Schlaf.

II.

Wir sollten es nicht bereuen, die Nacht im Torfhause ge­blieben zu sein. Der Brocken hatte seinen Hut in einen Nebel­

aufgangs gegeben. Jetzt schmeckte uns das Frühstück so gut, als läge draußen auf den Matten das goldigste Sonnenlicht, und der Maienduft, der das ganze Haus durchzog, sowie der frisch­gebackene Kuchen gaben uns eine Pfingststimmung. Die Frau Försterin hatte bereits alle Hände voll zu thun, denn heute kommen viele Gäste herauf aus den Thälern.

Nach herzlichem Abschied von unseren biederen Wirthen, wan­derten wir hinaus in den Nebel. Der Pfad nach dem Brocken hinauf ist nicht zu fehlen, denn Wegweiser bezeichnen ihn überall, wo man irren könnte. Trotzdem ließen wir uns einen Führer bis zu den Hirschhörnern gefallen, denn die Leute auf dem Ober­harz sind gar arm, und der kleine freundliche Bursche wird ein Trinkgeld am Feiertage gut brauchen können.

Der Nebel war arg genug, aber ich habe ihn in den Ge­birgen schon schlimmer erlebt, und auch eine Wanderung im Nebel hat ihre Reize. Der Wind rang vergebens mit den schweren, grauen Massen, und wie er sie bald zusammenpreßte, bald ver­dünnte, trat hier ein Stück Wiesengrund oder Moor   hervor, dort eine Waldecke und dann wieder phantastisch aufgethürmte Steinblöcke. Eine Sekunde später war dann wieder Alles von den grauen feuchten Nebelschleiern verhüllt. Die Gebüsche, die Föhren trieften von dem Naß, das sie nach der langen Trocken­beit begierig einsogen. Der durstige Boden trank mit ihnen um die Wette.

Verscheuchte der Wind den Nebel nicht, so waren Wald und Wiesen und Moor in ein paar Stunden mit feiner Verzehrung fertig. Diese Wiesen hier oben tränken die Thäler. Wie ein Riesenschwamm saugen sie Regen und Wolken auf und speisen die unzähligen Bäche, die Flüsse, welche zu Thal mur­meln und rauschen. Mancher Wanderer wird von der Wolke trinken, die uns einhüllt. Und manches Auge schaut wohl jetzt im Thal besorgt oder betrübt zu dieser Wolfe empor, die drohend über einer lang vorausbesprochenen Pfingsttagsfreude hängt. Wir in unserer Wolke denken umgekehrt, daß die Thäler tief unter uns im hellen Frühlingssonnenschein lachen; nun läuten aller