Eder lachte. Ich bitt', Herr Rohlfs, das geht nicht, ich brauch's Mädel zu Hause. Uebrigens ist die lang' genug in die Schul' gegangen, kann mehr, wie ich selber. Jetzt mußt sie für mich kochen und waschen."

,, Nehmen Sie sich eine Magd."

,, Die müßt' ich bezahlen, die Marie hab' ich umsonst." ,, Aber die Marie kann Ihnen das reichlich einbringen, sie kann sich eine Zukunft und Ihnen ein sorgenfreies Alter ver­schaffen."

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Ich geb' nichts drauf, Herr Rohlfs. Unsereiner muß nicht zu hoch hinauf. Uebrigens, wenn ihr's von unserm Herrgott so bestimmt ist, so entgeht's ihr nicht. Aber jetzt mit sechzehn Jahren das Mädel in die Schul' schicken, um keinen Preis."

Rohlfs zuckte die Achseln; gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens, mochte er wohl denken, und ging seiner Wege. Einige Monate darauf starb der alte Herr, und so war der Einzige, der Mariens Talent erkannt hatte, dahingegangen. ( Fortsetzung folgt.)

II.

( Fortsetzung.)

Pfingsten im Harz.

Wandererinnerungen von Robert Schweichel .

Die Hirschhörner sind zwei Klippen, die, wie Hörner aus­einander gebogen, einsam aus dem Waldboden aufragen. Wir betrachten sie flüchtig und setzen unsern Stab weiter. Touristen tommen uns auf dem schmalen Pfad vom Brocken her entgegen. ,, Abscheulicher Nebel, das!" lautet ihr Morgengruß. Es klingt eine trostlose Stimmung daraus hervor.

Der Nebel war aber in der That noch immer so dicht, daß wir das Brockenhaus für einen Berg hielten, über den wir hin­über müßten. Erst ganz in der Nähe erkannten wir den Irr­thum und waren wahrlich nicht böse darüber.

Das Brockenhaus glich einem Bienenkorbe. Es schwärmte aus und ein von Reisenden, die in den Nebel hinausspähten und fröstelnd mit verdrießlichen Gesichtern in das warme Gebäude zurückkehrten. Verdrießliche, gelangweilte Gesichter allüberall, auch in den Stuben. Die Einen bezahlen mürrisch ihre Rech nung, die Andern setzen ihre Geduld gegen den Nebel ein. Sie sind ächte Deutsche und warten, bis sich die Wolke hinweghebt oder aufgetrunken ist. Inzwischen studiren die Einen in gedul­diger Erwartung die schlechten Witze und noch elenderen Reime­reien des Brockenbuchs, während Andere sich in allerlei Humoren der Verzweiflung überbieten.

In dem Brockenhause ist Vieles anders geworden. Nur das lange und schmale Speisezimmer ist dasselbe geblieben. Auch nach dem Wirthe schau' ich mich vergebens um, der damals dem Ankommenden, der gleich etwas zu trinken bestellte, mit gut­gemeinter Rauhheit entgegnete: Erst abkühlen." Heute kann sich der Erhitzte ungehindert den Tod trinken und hat dann nur seine Unvernunft anzuklagen. Dienstbeflissen schleichen dem An­kömmling die schwarzen Kellner nach. Die Kultur hat nicht nur den Teufel beleckt, wie Goethe sagt, sondern auch den Blocks­berg, wo er Hof hielt. Das Brockenhaus hat sich zu einem ganz modernen Gasthause civilisirt. Und was mag aus der hübschen Dirne mit den schwarzen Augen geworden sein, die da­mals den Scheidenden den Brockenstrauß an die Hüte stedte? Brockensträuße aus blühendem Haidekraut, isländischem Moos und Herenbesen sind auch heute noch zu haben, aber das Stückchen Poesie, welches sich sonst daran heftete, ist dahin. Kein hübsches Kind mit rothen lachenden Lippen steckt mehr dem Reisenden den Strauß an; man kauft ihn sich von dem Herrn Oberkellner, dessen bärtigen Mund wohl Niemand zu küssen verlangen wird.

Wir zogen ohne Strauß von dannen, nachdem wir uns über­zeugt hatten, daß wir auf das Verschwinden des Nebels länger würden warten müssen, als unsere Zeit gestattete. Der Heren­brunnen, dessen kaltes klares Waffer der Ilse zuströmt, die Herentanzel, einige mächtige Felsblöcke, auf denen in der ersten Mainacht der infernalische Bock die Huldigungen der Heren empfängt, blieben also diesmal unaufgesucht.

Der Brocken ist beiläufig nicht der einzige Blocksberg in Deutschland , und die Walpurgisnacht wird auch noch anderwärts

Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig .

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gefeiert. Wenn man dem Teufelssput auf dem Blocksberge die fratzenhafte Larve abreißt, die ihm die Kirche aufgezwungen hat, so entdeckt man darunter eins der schönsten Götterfeste unserer Vorfahren. Der schwarze Bock, der Junker mit dem Pferdefuß, zeigt das Götterantlig des allmächtigen Wodan, und die alten und jungen Heren werden zu Wunschmädchen oder Walküren , den Schlachtenjungfrauen, welche den im Kampfe gefallenen Helden in Walhalla Meth und Liebe schänken. Daß Walpurgis eine solche Walküre war, darauf deutet schon ihr Name. Wir wissen sonst wenig mehr von ihr, als daß ihre Feste die der Göttin Ostara( Ostern) an manchen Orten verdrängten. Ihr zwölf­tägiges Fest begann mit dem ersten Mai, dem Frühlingsanfang, und an diesem Tage feierte man die Vermählung des jugend­lichen Wodan mit Freyja , der jugendschönen Göttin der Erde. Nun hatte die lange, stürmische Werbung des Gottes - die Stürme der Tag- und Nachtgleiche ein Ende, und die im schönsten Braut- und Blüthenschmuck prangende Freyja reichte dem strahlenden Sonnengotte die Hand zum Ehebunde. Die Festgebräuche waren wohl so ziemlich dieselben, wie die zu Ostern üblichen: Blumen- und Thieropfer, wie denn die Weihnachts-, Ostern- und Pfingstgebräuche sich vielfach berühren, als zu den Festen gehörig, die sich an die Wintersonnenwende knüpften. Von diesen Thieropfern hat sich noch eine Erinnerung in manchen Städten erhalten. Darauf deuten die mit Laubgewinden ge­schmückten einfarbigen Rinder, die am Sonnabend vor Pfingsten oder Ostern noch hie und da durch die Straßen geführt werden. Einfarbig aber mußten alle Thiere sein, welche den Göttern ge= opfert wurden.

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Ein Stelle des Hyndluliedes in der älteren Edda stellt die Stieropfer der Freyja , die als Frühlingsgöttin zugleich die Göttin der Liebe war, außer Zweifel. Es heißt in dem Liede Strophe 10: Er hat mir aus Steinen ein Haus errichtet, Gleich dem Glase nun glänzen die Mauern, So oft tränkt er sie mit Ochsenblut."

Freyja wird auch Walfreyja genannt. Sie war also eben­falls Walküre wie Walpurgis und so treten beide Göttinnen wohl in nahe Beziehung zu einander. Es ist möglich, daß Freyja in Walpurgis verdunkelt ist; denn dergleichen Wande­lungen lassen sich in der deutschen Mythologie grade bei den höchsten Göttern sehr häufig nachweisen. Eine solche Wandelung, die aus Freyja die Göttin der Liebe machte, läßt uns ihre Züge in der Frau Venus im Hörfelberge und in der schönen Ilse im Stein wiedererkennen.

Ob nun der Gipfel des Harz eine solche heidnische Opfer­stätte war, an der die Hochzeitsfeier der Freyja mit Wodan von dem Volke begangen wurde, ist schwer zu sagen. Es ist möglich. Halten wir sie mit dem Herenspuk zusammen, so scheint mit ziemlicher Gewißheit so viel hervorzugehen, daß der Brocken eine jener Stätten war, an der das sogenannte ungebotene Gericht gehalten wurde. ( Fortseßung folgt.)

Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .