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welche die christliche Kirche über die Götter verhängte, trug redlich| bildungskraft- auch in der Kunst das ihrige zur Beschleunigung des Prozesses bei.

Den Namen des Blocksberges zu erklären, ist bisher nicht gelungen. Vielleicht schießt die Einfalt des kindlichen Gemüthes nicht weit vom Ziele vorbei, wenn sie den Namen buchstäblich nimmt, sei es, daß man den Brocken als einen gewaltigen Block auffaßt, sei es, daß man die Bezeichnung von den Steinblöcken, den Trümmern eingestürzter Felsenwände, Klippen und Kegel ableitet, mit denen der ganze Harz   übersät ist. In diesem letz­teren Sinne verdiente der ganze Harz wohl Brocken genannt zu werden. Er ist ein Zerbrochenes, Zerbröckeltes, ein Brocken. Aber nichts wäre irriger, als wenn man von dieser Eigenschaft die Benennung seines Gipfels herleiten wollte. Sein ältester Name lautet Mons bructerus, was wiederum mit dem Volk der Brukterer nichts zu thun hat, denn diese haben hier nie ihre Wohnplätze gehabt. Bructerus ist nur der latinisirte Ausdruck für das niedersächsische Wort Brook, d. h. Bruch, Moor, Morast, und an solchen ist die Umgebung des Brockenberges reich genug, wie wir uns auf unserer Wanderung vom Torfhause her sattsam hatten überzeugen können.-

Während dieser Erörterungen haben wir uns wieder in die Wolfe gestürzt, welche den Brocken mit seiner phantastischen Sagenwelt hartnäckig einhüllt. Es geht rasch bergab. Unzählige Wässerchen rinnen unter unseren Füßen zu Thal: das sind die Quellen der Ilse. Sobald wir die Region des Knieholzes hinter und über uns haben, werden die Nebel dünner und durchsichtiger, mächtige Föhren ragen rings um uns auf, gleich schlanken Tempel­säulen. Nun hat uns die Wolke freigegeben, und die grünen Wipfel des Ilsethales, die Höhenzüge liegen funkelnd im Sonnen­lichte vor uns. Es ist doch wahr, nicht nur die Pflanzen, auch die geistige Welt des Menschen kann des Sonnenlichtes nicht entbehren. Erst in ihm bildet sich Leben, Gestalt und Farbe, und die Phantasie regt heiter ihre Schwingen. Ja, die Phan­tafie ist vor allem eine Tochter der Sonne. Wenn unsere Ein­

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hinter der südlicher Völker matt und eintönig zurückbleibt und herabgezogen wird von dem Bleigewicht unserer Reflexion, so liegt die Ursache darin, daß wir in Deutschland   zu wenig warmes Sonnenlicht haben. Es sind wahre Königinnen des Gebirges, diese hochauf­strebenden, moosigen Tannen, zwischen denen wir auf dunkelgrünem Moosteppich hinabsteigen. Und durch diesen dunkelgrünen Teppich webt die Ilse ihre Silberfäden, die bald unter einem bemoosten Stein hervorschießen, bald aus dem Boden heraufburbeln. Alle diese Silberfädchen, die in tausendfachen Windungen durch den moosigen Grund schleichen, hüpfen, sprudeln, verweben und ver­mählen sich mit dem Krystall des Herenbrunnens; und aus dieser Vereinigung springt, glänzend und muthwillig, das reizende Ilsen­kind hervor. Der Ernst, mit dem die königlichen Tannen an seiner Wiege stehen und die Spiele des Mädchens überwachen, erhöht den feuchten Glanz ihrer Augen, und durch die stille Wald­dämmerung tönt ihr murmelndes Selbstgespräch, ihr hellklingendes fröhliches Lachen, mit dem sie jetzt zwischen bemoosten Steinen dahinläuft, jetzt sich zwischen ihnen hindurchdrängt, hinter den Föhren sich versteckt, und jetzt, kühner geworden, mit ausgelassener Jugendlust in mehreren Sätzen von mächtigen Blöcken hinab­springt.

Wie im Leben des Weibes den lauten Spielen der Jugend scheue Zurückhaltung und dieser der sinnige Ernst der Jungfrau folgt, welcher den hüpfenden Schritt der Kindheit zu anmuthig schwebendem Gange reizend mäßigt: so folgt auch den letzten, ausgelassensten Sprüngen der muthwilligen Ilse ein augenblick­liches Zurückscheuen, Stocken, Zögern, bevor sie, nun zur Jung­frau herangereift, stiller und fittiger, aber auch anmuthiger ihren | Weg zum Thale   fortsetzt. Homer   erzählt von der Bewunderung, welche die trojanischen Greise der Schönheit Helena's zollten. Sie naht dem Stadtthore, und die ernsten Mienen der Greise erheitern sich.

( Fortsetzung folgt.)

Eine Thierfabel. ( Aus dem Jahre 1792/93.)

Es hatten sich versammelt Die Vögel zu großem Rath; Was leise der Eine gestammelt, Was laut der Andre bat,

Schien bald sich zum Ruf zu verweben: Der König soll die Krone geben!"

Ulrich Zwingli.  ( Siehe S. 372.) Nicht dem Kirchenreformator gilt unser Bild, sondern dem Streiter für Freiheit, dem fühnen Volks­mann, der an der Spize seiner Mitbürger auszog gegen die Unter­drücker, und, 47 Jahre alt er war geboren den 1. Januar 1484 am 11. Oktober 1531 bei Kappel im Kampfe fiel. Der Holzschnitt in heutiger Nummer ist nach einer vortrefflichen Photographie des besten vorhandenen Portraits angefertigt.

Als ob er fein Bangen fühle,

Und trug, die man gerne ihm raubte,

Doch ob dem droh'nden Gewühle

In selig thronender Ruh,

Saß lächelnd der Kakadu,

Die Krone stolz auf dem Haupte.

So rief er hinab in's Land

" Daß ihr mir wollet nehmen,

Was mir ward zuerkannt.

,, Es kann mich nur wenig grämen,"

Ihr werdet der Krone nicht schaden,

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Die mir verlieh'n von Gottes Gnaden.

Denn während der Kette der Zeiten War eigen sie meinem Geschlecht,

Sie wird nicht vom Haupte mir gleiten, Wenn ihr auch dran rückt und brecht. Sie sitt verwachsen dem Schopfe, Mir unverlegbar auf dem Kopfe."

Als sie nun auf manche Weise Bemüht sich, vergebens doch, Da sprach die Eule, die weise:

, Ein Mittel gibt es noch:

Wir müssen uns dreist bequemen,

Sie sammt dem Kopf herabzunehmen!"

Hieronymus Lorm  .

Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig  .

Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von F. 3.

( Spanisch.)

Lo mucho se gasta, y lo poco basta.

Leicht verdirbt das Viele,

Wenig kommt zum Ziele.

Quien tarde se levanta, todo el dia trota.

Wer spät aus seinem Bett aufsteht, Den ganzen Tag im Trabe geht.

Quien haze lo que quiere, no haze lo que debe.

Die thuen, was sie wollen, Die thun nicht, was sie sollen.

A las malas lenguas, tijera.

Die schärfste Scheere bringe mit, Wer böser Zung' entgegentritt.

Quien quisiere muger hermosa, el sabado la escoja, que no el

domingo en la boda.

Wer sucht nach einer schönen Frau, Der suche sie am Samstag schlau,

Und nicht am Sonntag, wenn die Pracht

Der Kleidung sie unsichtbar macht.

Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .